Und wieder einmal geht’s der Wirtschaft zu schnell mit dem Meeresumweltschutz – die norddeutschen Handelskammer haben heute kräftig auf die Bremse getreten: Die Pläne der EU für eine maritime Energiewende deckten sich „nicht mit der Realität“, berichtet das Online-Portal HANSA über eine Verlautbarung der IHK Nord, man brauche „mehr Zeit und Flexibilität“. Noch mehr?
Um die Seeschifffahrt klimafreundlicher zu gestalten, habe die Europäische Kommission „verbindliche Reduktionsziele für die Begrenzung der Treibhausgasintensität der an Bord von Seeschiffen verbrauchten Energie“ vorgeschlagen, heißt es da, die entsprechende Verordnung zur Förderung kohlenstoffarmer Treibstoffe werde derzeit vom Europäischen Parlament diskutiert. „Was Brüssel hier plant, ist nichts Geringeres als eine maritime Energiewende“, zitiert HANSA den IHK-Nord-Vorsitzenden Norbert Aust. Igitt, das geht natürlich nicht. Zwar betont Aust, es sei „in Anbetracht der aktuellen politischen Lage in Europa dringlicher denn je“, den Weg zur stärkeren LNG-Nutzung zu beschleunigen, konkrete Planungen an norddeutschen Standorten müssten „so schnell wie möglich umgesetzt werden“ – da kann dann auch gerne mal (siehe Meldung vom 5. Mai) geltendes Planungsrecht ausgehebelt werden.
Aber die entsprechenden Umstellungen in der Schifffahrt kosten natürlich Geld, und das ist ja bei den Reedereien derzeit besonders knapp angesichts der immensen Umsatz- und Gewinnsteigerungen dank des rasanten Frachtraten-Anstiegs. „Um kleineren Reedereien
zu ermöglichen, die immensen Investitionen über einen längeren Zeitraum zu stemmen“, so Aust laut HANSA, „brauchen wir eine Begrenzung der Verordnung auf die Big Player“. Mit anderen Worten: Wer die Anforderungen aktuellen Klimaschutzes lange genug ausgesessen hat, statt sich zu bewegen, muss geschont werden. Die Schnecke IMO lässt grüßen.
Dem Bericht zufolge ist zugleich geplant, die Nutzung von Landstrom in europäischen Häfen künftig zur Pflicht zu machen, ab 2030 sollen demnach Schiffe, die sich mehr als zwei Stunden in europäischen Häfen aufhalten, ihren gesamten Energiebedarf am Liegeplatz aus Landstrom decken. „Die Ausweitung der europaweiten Nutzung von Landstrom begrüßen wir“, wird Aust zitiert, aber das erfordere ja „Investitionen in Milliardenhöhe“ allein in Deutschland, da brauche es denn doch „Flexibilitätsvorschriften auf europäischer Ebene“. Klar – über Landstrom-Optionen wird ja auch erst seit rund 20 Jahren debattiert.