Endlos-Thema „Küstenautobahn“…

Nach wie­der­hol­ten Ver­ta­gun­gen hat ges­tern vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) in Leip­zig die Ver­hand­lung über die umstrit­te­ne Pla­nung der so genann­ten „Küs­ten­au­to­bahn“ A 20 begon­nen. Gegen den Plan­fest­stel­lungs­be­schluss für den ers­ten Abschnitt der Tras­se (zwi­schen Wes­ter­s­tede, Land­kreis Ammer­land, und Jader­berg, Land­kreis Weser­marsch) geklagt haben ein betrof­fe­ner Land­wirt und der BUND, bei­de ver­tre­ten das seit Jah­ren akti­ve Bünd­nis „A 20 nie!“. 

Geplant ist bekannt­lich, die aus der Ucker­mark kom­men­de, bis­lang beim schleswig-holsteinischen Bad Sege­berg enden­de Bun­des­au­to­bahn A 20 zunächst zur Elbe, dann per Tun­nel unter dem Fluss hin­durch und wei­ter gen Wes­ten zu füh­ren, bis sie bei Wes­ter­s­tede auf die A 28 mün­det. Seit Jahr­zehn­ten wirbt eine Lob­by von Ver­tre­tern aus Poli­tik, Krei­sen, Kom­mu­nen, Fir­men, Kam­mern und sogar Medi­en, orga­ni­siert in För­der­ver­ei­nen für Auto­bahn und fes­te Elb­que­rung, quer durch alle fünf Küs­ten­län­der mas­siv für die geplan­te Tras­se: Deren ers­te Pla­nun­gen stam­men bereits aus den frü­hen 1970er Jah­ren, ende­ten damals aber logi­scher­wei­se an der Gren­ze zwi­schen BRD und DDR. 1991 erklär­te die dama­li­ge Bun­des­re­gie­rung den neu hin­zu­ge­füg­ten Abschnitt von Lübeck bis in die Ucker­mark zum Pro­jekt Nr. 10 der so genann­ten „Ver­kehrs­pro­jek­te Deut­sche Ein­heit“, stuf­te die­ses Vor­ha­ben sogar der­art hoch ein, dass es teil­wei­se mit­tels einer dras­tisch ver­kürz­ten Plan­fest­stel­lung geneh­migt wurde.

Zwar konn­te die­ser Teil dank die­ses Tricks gebaut und in Betrieb genom­men wer­den. Im west­li­chen Teil hin­ge­gen wird zwar seit meh­re­ren Jahr­zehn­ten geplant, bis­lang gibt es aber bis auf den jetzt beklag­ten kei­ne Plan­fest­stel­lungs­be­schlüs­se für wei­te­re Abschnit­te, teil­wei­se sind noch nicht ein­mal die not­wen­di­gen Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet. Trotz­dem machen besag­te Lob­by­is­ten beharr­lich Druck und erklä­ren – mal abwech­selnd, mal sum­miert –, die Küs­ten­au­to­bahn sei von ele­men­ta­rer Bedeu­tung für regio­na­le Wirt­schaft und ihre Arbeits­plät­ze, für die See­hä­fen, für die ver­kehr­li­che Erschlie­ßung des Nor­dens, für den Tou­ris­mus oder gar für Europa.

Nichts davon hält genaue­ren Über­prü­fun­gen stand, das Bünd­nis „A 20 nie!“ hat dazu etli­che Stu­di­en vor­ge­legt und Exper­ten befragt; auch WATERKANT hat seit Jahr­zehn­ten wie­der­holt über das Vor­ha­ben berich­tet, hat Behaup­tun­gen der Pla­ner eben­so wie ihre Bedarfs­be­rech­nun­gen oder auch kru­de Ent­glei­sun­gen wie den Schein-Verzicht der rot-grünen nie­der­säch­si­schen Lan­des­re­gie­rung Anfang der 1990er Jah­re kritisiert.

Unbe­streit­bar indes ist, dass zum einen das Vor­ha­ben etli­che Mil­li­ar­den Steu­er­gel­der ver­schlin­gen wür­de, ins­be­son­de­re die erfor­der­li­che Unter­tun­ne­lung der Elbe wür­de die Kos­ten in die Höhe trei­ben. Die bestehen­de Unter­tun­ne­lung der Unter­we­ser übri­gens – Ergeb­nis der erwähn­ten rot-grünen Ent­glei­sung – ist in ihrer jet­zi­gen Form weder bau­lich noch sicher­heits­tech­nisch autobahn-geeignet: Zwar behaup­ten die Pla­ner, eine Nach­bes­se­rung sei mög­lich; es gibt jedoch erheb­li­che Zwei­fel an einer wirt­schaft­lich und ver­kehr­lich ver­träg­li­chen Rea­li­sier­bar­keit. Zum ande­ren aber steht gegen den behaup­te­ten – und bezwei­fel­ten – Bedarf die Tat­sa­che, dass die geplan­te Tras­se fast aus­nahms­los durch länd­li­che Räu­me sowie größ­ten­teils über Moor- und Marsch­bö­den füh­ren wür­de: Die Moor­ge­bie­te sind teil­wei­se bis zu 20 Meter tief und als Bau­grund denk­bar schlecht geeig­net, ihre Trag­fä­hig­keit und dar­aus fol­gen­de Kos­ten bezeich­nen die A-20-Gegner als „völ­lig unterschätzt“.

Gera­de mit Blick auf aktu­el­le Debat­ten über den Kli­ma­wan­del ist es die­se Tras­sen­füh­rung, die dem ges­tern begon­ne­nen Ver­fah­ren höchs­te Bri­sanz ver­leiht: Eine Auto­bahn quer über Moo­re zu beto­nie­ren, wür­de unge­ach­tet aller Beden­ken bezüg­lich ihrer Belast­bar­keit einer­seits deren wich­ti­ge Funk­ti­on als Kohlenstoff-Senken ver­nich­ten und ande­rer­seits durch das so gene­rier­te stär­ke­re Ver­kehrs­auf­kom­men den CO2-Ausstoß mas­siv erhö­hen. Poli­tisch gesetz­te Kli­ma­zie­le dürf­ten so kaum zu errei­chen sein.

Nach­trag: Das BVerwG hat auf sei­ner Web­sei­te die Urteils­ver­kün­dung auf den 7. Juli 2022 terminiert.

Eine ähn­li­che Ver­si­on die­ses Tex­tes erschien
heu­te in der Tages­zei­tung „jun­ge Welt“.

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WATERKANT-Redaktion