Auf britischen Trawlern werden Wanderarbeiter von den Philippinen, aus Ghana oder Indonesien systematisch ausgebeutet: Mit Hilfe juristischer Schlupflöcher im Einwanderungsgesetz des Landes werden die Migranten-Fischer genötigt, für nur drei Pfund Sterling pro Stunde (das entspricht rund 3,48 Euro), deutlich unter dem nationalen Mindestlohn, zu schuften. Das hat jetzt ein aktueller Report der ITF enthüllt.
Chris Williams, Fischereiexperte der Internationalen Transportarbeiter-Föderation, hat in einer jüngst präsentierten Untersuchung festgestellt, dass Trawlereigner die Möglichkeit eines Transitvisums für Seeleute missbräuchten, um Wanderarbeiter von außerhalb Europas nach Großbritannien zu bringen. Eigentlich soll es diesen Seeleuten mit derartigen Visa ermöglicht werden, auf Schiffen in britischen Häfen anzuheuern, bevor diese – etwa ein Containerschiff auf dem Weg nach Fernost – die nationalen Gewässer, also die 12-Seemeilen-Zone, verlassen. Dem Gesetz nach dürfen solche Seeleute aus Übersee bis zu sieben Tage in Großbritannien bleiben, um etwa auf die Abfahrt ihres Schiffes zu warten.
Das nutzen Trawlereigner nach ITF-Angaben aus, um an Bord ihrer Schiffe Migranten zu beschäftigen: Sie behaupten, die Anforderungen des Visums zu erfüllen, weil sie ja mit ihren Schiffen in internationalen Gewässern fahren und fangen. Natürlich müssen die Trawler von Zeit zu Zeit in einen britischen Hafen zurückkehren, um ihre Fänge anzulanden. Der fiese Trick dabei ist nun dieser: Weil, so Williams, die Visabestimmungen nicht eindeutig und sauber formuliert sind, gelten die Migranten so lange nicht als wieder nach Großbritannien eingereist, wie sie an Bord ihres Trawlers bleiben.
Genauer gesagt: Das Gesetz gestattet diese Regelung bis zu einem Jahr – so lange können die Seeleute auf ihren Schiffen festgehalten werden (obwohl diese häufig gar nicht für Langzeitaufenthalte eingerichtet sind), ohne dass dies die Visabestimmungen verletzen würde. Eben das nutzen laut ITF manche Trawlereigner aus, indem sie die Migranten erpressen und sie darauf hinweisen, dass sie abgeschoben oder auf schwarze Listen gesetzt werden, die weitere Heuer blockierten, wenn sie ihr Schiff auch nur für kurze Zeit in einem britischen Hafen verlassen.
„Systematische Ausbeutung“
Das, so Williams, biete Schiffseignern Handhabe, die schwache Position dieser Arbeitnehmer für unlautere oder sogar illegale Beschäftigungspraktiken auszunutzen – schließlich sei jeder dieser Fischer, der an Bord seines Schiffes lebt, abhängig vom Eigner, das reiche von den Arbeits- und Lebensbedingungen bis hin zum Zugang zu Nahrung und anderen lebensnotwendigen Gütern. Immer wieder erreichten die ITF Berichte von Migrantenfischern, die auf Verletzungen der Menschen- und Arbeitsrechte sowie auf systematische Ausbeutung von Arbeitskraft hindeuteten.
„Wir wollen, dass Großbritannien diese Gesetzeslücke schließt“, fordert Williams: Derzeit könnten diese Transitvisa verwendet werden, wenn ein Schiff „ganz oder hauptsächlich“ in internationalen Gewässern operiert – nur wird das nicht näher definiert. Die ITF verlangt hier eine Präzisierung etwa der Art, dass das Schiff 70 Prozent seiner Zeit in internationalen Gewässern verbringen muss, bevor ein Transitvisum verwendet werden darf. „Transitvisa sind der Ausgangspunkt für einen Missbrauchszyklus, der niemals hätte toleriert werden dürfen.“ Diese Lücke zu schließen, sei ein wichtiger Schritt zum Schutz der Arbeitnehmerrechte und dringend erforderlich. Im Jahr 2018, so der ITF-Report, „betraf jeder Fall von moderner Sklaverei in der britischen Fischereiindustrie Opfer, die mit Transitvisa für Seeleute eingereist waren.“
Der aktuelle ITF-Report „One-way-ticket to labour exploitation“ kann
hier kostenlos heruntergeladen werden.