Was für eine tolle Nachricht: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat gestern Nachmittag den Planfeststellungsbeschluss für den Bau des westlichen, ersten Abschnitts der umstrittenen so genannten Küstenautobahn A 20 für „rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt“. Es ist eine Entscheidung, die die Planer abwatscht, die Kläger aber sowohl überrascht als natürlich auch richtig freut. Glückwunsch!
Wie berichtet, hatten der Umweltverband BUND sowie ein lokaler Landwirt gegen den Bauabschnitt zwischen den niedersächsischen Orten Westerstede und Jaderberg geklagt, nach der eintägigen Verhandlung am 31. Mai allerdings auch enttäuscht festgestellt, der 9. BVerwG-Senat habe die Zweifel am Bedarf der seit Jahrzehnten diskutierten Trasse zu wenig ernsthaft erörtert. Auch die Klimaschutz-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr vergangenen Jahres, so damalige Reaktionen, habe das Leipziger Bundesgericht nicht angemessen diskutiert. In einer ersten Reaktion hat das überregionale Initiativenbündnis „A 20 – nie!“ nun aber das gestrige Urteil begrüßt, bedeutet es doch bis auf Weiteres einen Stopp für alle Bauarbeiten oder Vorbereitungen. Das Bündnis, das den klagenden BUND und den Landwirt unterstützt, opponiert seit langem gegen den geplanten Autobahnbau nicht nur in diesem Abschnitt, sondern über die Elbe hinaus bis nach Bad Segeberg.
Der Pressemitteilung des BVerwG zur Entscheidung von Donnerstag ist zu entnehmen, dass der Senat in der Tat die Notwendigkeit des Autobahnbaus nicht weiter hinterfragt hat: Das Gesamtvorhaben einer Ost-West-Verbindung von der niederländischen bis zur polnischen Grenze sei laut Bundesverkehrswegeplan Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes: „Diese gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für das Gericht verbindlich.“ Das wird von „A 20 – nie!“ zwar bedauert; dennoch begrüßen die Gegner es ausdrücklich, dass das Gericht ihre Kritik insoweit bestätigt habe, als man immer wieder auf fehlerhafte Planungselemente hingewiesen hatte.
Gericht kritisiert Planungsfehler
Der 9. Senat des BVerwG hat nämlich den Planern vorgeworfen, ihnen seien „Fehler … bei der Prüfung unterlaufen“, ob die durch Bau und Betrieb des beklagten Trassenabschnitts bedingte Zunahme der Stickstoffbelastung geltende Grenzwerte überschreite und damit zu einer Beeinträchtigung eines im Trassenbereich liegenden FFH-Schutzgebiets führen könne. Diese Feststellung darf durchaus als gerichtliche Ohrfeige angesehen werden, denn schon eine frühere Berechnung dieses Problems war als fehlerhaft eingestuft und nachgebessert worden – und hielt nun trotzdem einer erneuten juristischen Prüfung nicht stand. „Eine Beeinträchtigung des Gebietes (kann) daher nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden“, so das BVerwG.
Zwar hat das Gericht „weitergehende Einwände des klagenden Umweltverbandes“ zurückgewiesen. Insbesondere die Ansicht des 9. Senats, dass das Klimaschutzgesetz nicht habe berücksichtigt werden müssen, weil es „zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in Kraft getreten“ war, könnte vor dem Hintergrund der erwähnten Karlsruher Entscheidung angreifbar sein. Trotzdem freut sich Uwe Schmidt, Sprecher des A-20-nie-Bündnisses: „Jetzt muss erst einmal nachgebessert werden. Das verschafft uns Zeit, dem Rat der obersten Richterin zu folgen und die Bedarfsfrage an die Politik zu richten.“ Auch der niedersächsische Landesverbandschef des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Martin Mützel, forderte Bund und Länder auf, das Projekt insgesamt politisch zu beenden.
Die nordwestdeutschen Industrie- und Handelskammern hatten vor der gestrigen Urteilsverkündung noch einmal nachdrücklich ihr Plädoyer für die Vollendung der Trasse bekräftigt: „Die A20 verbindet die wichtigsten Seehäfen, von den Niederlanden über Deutschland bis hin nach Osteuropa.“ Das entspricht zwar den oben zitierten Festlegungen, beantwortet aber wieder einmal beziehungsweise noch immer nicht die wesentliche Frage, warum eine schnellere Verbindung beispielsweise zwischen den Megahäfen von Rotterdam und Antwerpen auf der einen und Gdansk auf der anderen Seite den deutschen Seehäfen und ihren Beschäftigten Vorteile bringen soll.