Mitte dieser Woche haben die Gewerkschaft ver.di und der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) zum mittlerweile neunten Male über einen Tarifvertrag für rund 12.000 Hafenbeschäftigte in 58 Unternehmen verhandelt – wieder vergeblich, Fortsetzung in zehn Tagen, am 22. August. Weitere Arbeitskampfmaßnahmen sind aber, wie berichtet, bis dahin und darüber hinaus untersagt.
Gestritten wird nach wie vor über die zentrale Gewerkschaftsforderung nach einer ernsthaften Reallohnsicherung. Während der ZDS bislang einen Tarifvertrag mit 24 Monaten Laufzeit anbietet, lehnt ver.di es ab, die Beschäftigten im zweiten Jahr ohne Möglichkeit einer Anpassung an wirtschaftliche Verschlechterungen hängen zu lassen: „Wir sind mit dem Ziel der Reallohnsicherung über die gesamte Laufzeit des Tarifvertrages angetreten und erwarten diesbezüglich eine Bewegung in der nächsten Verhandlungsrunde“, so Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth. Da der ZDS eine Laufzeit von zwölf Monaten, wie von Verdi gefordert, kategorisch ablehnt, dürfte dieses Ziel nur mittels einer entsprechenden Öffnungsklausel zu erreichen sein, die dann eine Nachbesserung oder Nachverhandlung im zweiten Laufzeit-Jahr ermöglichen würde.
„Das Inflationsmonster stoppen!“ lautet die plakative Parole dieses Tarifstreits, des längsten und härtesten, den die norddeutsche Hafenwirtschaft seit Jahrzehnten erlebt hat. Mit drei Warnstreiks haben die Beschäftigten in den vergangenen Wochen ihren Unmut unterstrichen. Das auf Grund eines gerichtlichen Vergleichs verhängte Streikverbot und der bislang ergebnislose Verlauf der Verhandlungen dürfte indes die Stimmung der durch Pandemie und Lieferkettenprobleme extrem belasteten Hafenbeschäftigten nicht gerade verbessern. Die seit vier Wochen im Internet kursierende Protestresolution der beiden Hamburger ver.di-Vertrauensleute Jana Kamischke und Deniz Askar Dreyer erfährt nach wie vor ständig steigenden Zuspruch: Allein in den vergangenen drei Wochen nahm die Zahl der Unterstützenden um mehr als 70 Prozent zu auf derzeit 3827.
Internationale Solidarität
Zwar wird in vielen Medien nach wie vor gegen diesen Arbeitskampf gehetzt, wird den Gewerkschaftsmitgliedern verantwortungsloses Verhalten in einer schwierigen Wirtschaftslage vorgeworfen. Offenbar wird die Brisanz des aktuellen Kampfs der Hafenbeschäftigten vor allem darin gesehen, dass ihre Forderung nach effektivem Inflationsausgleich auf Auseinandersetzungen in weiteren Tarifbereichen „durchschlagen“ könnte. Dafür gibt es einen triftigen Grund: Anfang Juli hatte die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) laut einer Pressemitteilung aus London den Hafenarbeitern ihrer deutschen Mitgliedsorganisation ver.di ihre Solidarität im Tarifkampf für ein inflationssicheres Lohnabkommen bekundet. Der Vizevorsitzende der ITF-Sektion der Hafenarbeiter, Niek Stam, betonte damals nachdrücklich, die mehr als 500.000 bei ITF organisierten Kollegen seien sich einig in ihrer Unterstützung für die deutschen Hafenbeschäftigten. Deren Forderung sei „weder unvernünftig noch ungewöhnlich in unserer Branche“. Stam, der auch Vorsitzender der niederländischen Hafenarbeitergewerkschaft FNV Havens ist, verwies in diesem Zusammenhang darauf, in Rotterdam und Antwerpen gebe es seit Jahrzehnten automatische Inflationsanpassungsmechanismen in wettbewerbsfähigen Hafenvereinbarungen.
Hierzulande gibt es immer häufiger Experten-Äußerungen, die die bisherigen Folgen des Hafentarifstreits relativieren. Jüngst berichtete etwa das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) über „Engpässe in den Häfen und Staus davor“, über Schiffs-Verspätungen auf wichtigen Routen „um mehrere Tage bis Wochen“. Zugleich stellen die Kieler Forscher aber fest, dass die Gründe dafür im hohen Schiffsaufkommen bei weltweit sehr hoher Güternachfrage ebenso zu suchen seien wie im jüngsten Lockdown in Schanghai; auch arbeiteten viele Häfen „schon seit langem am Limit“. Zwar sagt auch das IfW dem Warnstreik im Juli eine negative Wirkung nach. Tatsächlich halten sich die Folgen aber eher in Grenzen: In der Nacht zum gestrigen Donnerstag warteten in der Deutschen Bucht 45 Schiffe ankernd auf Abfertigung, darunter 24 Containerschiffe. Das sind etwa so viele wie vor Beginn des zweiten Warnstreiks Ende Juni.
Dieser Beitrag fasst mehrere Artikel zusammen, die in der Tageszeitung „junge Welt“ erschienen sind.