Klimawandel, Ukraine-Krise und daraus abgeleitete Energieversorgungs-Debatte machen’s möglich: Auf einmal wird wieder über „Carbon Capture and Storage“ (CCS) auch in beziehungsweise unter der Nordsee geredet. Und mittendrin in dieser gefährlichen Planung findet man Wintershall Dea, jene BASF-Tochter, die die gesamte Energie-„Krise“ maßgeblich mit verbockt hat – und bis heute von ihr profitiert.
CCS – das bedeutet nichts anderes als Kohlendioxid (CO2) in unterirdische oder unterseeische Speicherräume zu verpressen und es so aus dem Klimakreislauf, wo es schädlich wirkt, zu „enfernen“. Das Verfahren gilt aber als riskant, weil es Erdstöße auslösen kann – vor Jahren schon haben wissenschaftliche Untersuchungen dies belegt, es wurden Risse im Deckgestein im Umfeld von CCS-Pumpstationen nachgewiesen. Zynischerweise wird es wegen eben dieser Möglichkeit als „sicherer“ gehandelt, solche Speicher unter dem Meeresgrund auf hoher See anzulegen als in Küstennähe oder gar an Land. Norwegen beispielsweise betreibt solche Speicher im Sleipner-Gasfeld knapp 300 Kilometer westlich der eigenen Küste. Nur: Abgesehen von möglichen seismischen Folgen solcher Erdstöße können dabei entstehende Lecks auch eingelagertes CO2 austreten und das Meer so weiter versauern lassen; zudem könnten Teile des Gases wieder zurück in die Atmosphäre gelangen und – anders als geplant – die Klimakrise weiter antreiben. Andererseits: Mit der Unterstützung von CCS-Projekten wird kräftigst das Image des bislang als klimaschädlich apostrophierten Energieträgers Erdgas poliert, denn der Stoff könnte mit ein paar Tricks so auf einmal als „klimaneutral“ etikettiert werden.
Man sieht: Die aktuelle energiepolitische Lage hilft den Apologeten dieser riskanten Technik, alle Bedenken zu entkräften beziehungsweise zu verharmlosen. Soeben berichtet der SPIEGEL über Bundeskanzlers Olaf Scholz‘ jüngste Skandinavienreise, auf der er unter anderem ein gemeinsames CCS-Vorhaben des norwegischen Konzerns Equinor und eben der BASF-Tochter Wintershall Dea gutgeheißen haben soll; das Magazin verweist darauf, dass der Cum-Ex-Kanzler schon in früheren Zeiten CCS-Vorhaben „faszinierend“ genannt habe. Equinor und Wintershall Dea planen nun dem SPIEGEL zufolge „eine rund 900 Kilometer lange Pipeline, die noch vor 2032 in Betrieb gehen soll, … (um) CO2 aus Norddeutschland zu den Speicherstätten vor der norwegischen Küste (zu) transportieren“.
Wintershall Dea – der Konzern ist Nordseeschützern wohlbekannt als Betreiber der umstrittenen Förderplattform Mittelplate im sensiblen und geschützten schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Aber das ist längst nicht alles: Das Unternehmen pflegt, wie die Deutsche Welle (dw) erst kürzlich berichtete, mehrere Gemeinschaftsunternehmen mit dem russischen Gaskonzern Gazprom, „etwa die Hälfte der Öl- und Gasproduktion des Konzerns stammt aus Russland“. Wintershall Dea ist maßgeblich auch an den Pipelines von Nord Stream beteiligt, diese Unterstützung soll dem Konzern gar zusätzliche Fördererlaubnisse in Sibirien beschert haben. Wie man’s auch dreht und wendet: Wenn heute hierzulande die Rede ist von einer drohenden winterlichen Energieversorgungskrise, von einer die Verbraucher existenziell bedrohenden Kostenlawine, dann muss klar gemacht werden, dass Wintershall Dea zu den multiplen Profiteuren dieser Krise zählt: Das Unternehmen hat beigetragen (und tut es noch) zu den Ursachen, es verdient an den Folgen und es würde weitere massive Gewinne einstreichen durch aus dem Krisengerede abgeleitete CCS-Befürwortung.
Siehe auch: Braedt, Michael: Kohlendioxid-Verpressung ist kein Klimaschutz, sondern dient nur Profiteuren; in: WATERKANT, Heft 3 / 2011, Seite 21 ff.