Großer Drache“ im Anflug

Darf sich der „Gro­ße Dra­che“ an der Elbe nie­der­las­sen oder darf er es nicht? – Die­se Fra­ge beschäf­tigt in der kom­men­den Woche die mari­ti­me Wirt­schaft eben­so wie die Poli­tik im Bund und in den Küs­ten­län­dern: Es geht um die strit­ti­ge Betei­li­gung des chi­ne­si­schen Staats­kon­zerns Cosco Ship­ping Ports Limi­t­ed (CSPL) an dem Ham­bur­ger Container-Terminal Tol­ler­ort (CTT).

Wie berich­tet, hat­te die mehr­heit­lich lan­des­ei­ge­ne Ham­bur­ger Ter­mi­nal­ge­sell­schaft HHLA im Herbst 2021 den Cosco-Einstieg in Ham­burgs Hafen­struk­tu­ren ver­trag­lich ver­ein­bart. Bis Ende die­ses Monats noch hat die Bun­des­re­gie­rung Zeit, die­sem Deal zu wider­spre­chen – sechs Fach­mi­nis­te­ri­en quer durch alle drei Ampel-Fraktionen sind für Ableh­nung, Kanz­ler Olaf Scholz indes scheint dafür zu sein, obwohl er jüngst noch offi­zi­ell ver­kün­de­te, es sei „noch gar nichts ent­schie­den“. Tat­sa­che ist, dass der HHLA-Cosco-Deal qua­si auto­ma­tisch als geneh­migt gilt, wenn das Bun­des­ka­bi­nett nicht bis Ende die­ses Monats ande­res beschließt.

Grand Dra­gon“ soll laut Mit­tei­lung der in Ber­mu­da regis­trier­ten CSPL die künf­ti­ge Betrei­ber­ge­sell­schaft für den CTT hei­ßen – der Gro­ße Dra­che wird zwar als Toch­ter­ge­sell­schaft der HHLA fir­mie­ren, aber zu 35 Pro­zent eben CSPL gehö­ren. Nicht nur wegen die­ser Namens­ge­bung ist der Wider­stand gegen die geplan­te Betei­li­gung erheb­lich: In der Bun­des­po­li­tik meh­ren sich die Stim­men, die eine Ableh­nung durch das Kabi­nett ver­lan­gen, auch in Ham­burg selbst wird Pro­test aus ver­schie­de­nen Frak­tio­nen laut. In Ham­burgs mari­ti­mer Wirt­schaft hin­ge­gen wird der Deal begrüßt und dem Ham­bur­ger Abend­blatt zufol­ge hat der CTT-Betriebsrat in einem an den Kanz­ler gerich­te­ten Brief die­sen direkt um Zustim­mung gebe­ten – aus Sor­ge um „die Zukunft unse­res Con­tai­ner­ter­mi­nals und die damit ver­bun­de­nen Arbeits­plät­ze“. Was letzt­lich die Zer­ris­sen­heit auch in der Gewerk­schaft ver­deut­licht: Noch im ver­gan­ge­nen Jahr hat­te die Fach­grup­pe Mari­ti­me Wirt­schaft des ver.di-Landesbezirks schar­fe Kri­tik geäu­ßert sowohl an der HHLA als auch an Ham­burgs Regie­rungs­chef Peter Tsch­ent­scher (SPD).

Gel­be Gefahr“?

Es ist unzwei­fel­haft eine schwie­ri­ge Ent­schei­dung. Bis­he­ri­ge Gegen­stim­men begrün­den ihre Ableh­nung nahe­zu aus­schließ­lich mit der – salopp for­mu­liert – War­nung vor der „Gel­ben Gefahr“: Chi­nas Poli­tik der Mari­ti­men Sei­den­stra­ße zielt nun ein­mal auf ein glo­ba­les logis­ti­sches Netz­werk, das hier­zu­lan­de, gera­de wegen der aktu­el­len Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die offen­sicht­lich gewor­de­ne Abhän­gig­keit von Russ­land, von vie­len als bedroh­lich emp­fun­den wird; selbst der erwähn­te CTT-Betriebsrat kann sich, trotz des ent­schie­de­nen Rufs nach Zustim­mung, kri­ti­scher Töne nicht enthalten.

Ande­rer­seits ist aber nicht zu leug­nen, dass CSPL und wei­te­re staats­na­he oder staats­ei­ge­ne chi­ne­si­sche Kon­zer­ne welt­weit längst in durch­aus nen­nens­wer­tem Umfang an Ter­mi­nals und Häfen betei­ligt sind. Allein in Euro­pa dürf­ten es rund andert­halb Dut­zend sein – dar­un­ter auch Ham­burgs maß­geb­li­che Kon­kur­renz­hä­fen Rot­ter­dam, Ant­wer­pen und Zee­brüg­ge. Im grie­chi­schen Pirä­us war Coscos mitt­ler­wei­le auf 100 Pro­zent gewach­se­ne Betei­li­gung unter ande­rem auf Druck der Brüs­se­ler Troi­ka zustan­de gekom­men: Von dort übri­gens gibt es immer wie­der Berich­te über mise­ra­ble Arbeits­be­din­gun­gen und häu­fi­ge Unfälle.

Nur wird eine ent­schei­den­de Fra­ge bis­lang so gut wie nie gestellt: Wem sol­len die Ter­mi­nals und Häfen gehö­ren? Nicht nur CSPL und ande­re chi­ne­si­sche Kon­zer­ne besit­zen Betei­li­gun­gen, auch ara­bi­sche Inves­to­ren oder – wie hier­zu­lan­de etwa in Bre­mer­ha­ven – Unter­neh­men wie Mærsk oder MSC. Wenn es aber um Stand­ort­fra­gen, Hafen­aus­bau oder Wett­be­werb geht, heißt es immer, die Häfen hät­ten zu wenig Macht gegen­über den Ree­dern. Wie soll sich das ändern, wenn Infra­struk­tur immer weni­ger allei­ni­ger öffent­li­cher Kon­trol­le unter­liegt? Wo ist die Gren­ze zwi­schen kon­struk­ti­ver Teil­ha­be und beherr­schen­dem Ein­fluss? Eine Ant­wort dar­auf steht seit lan­gem aus – ver.di bei­spiels­wei­se hat­te die­se Debat­te im ver­gan­ge­nen Jahr zu füh­ren ver­sucht, hält sich momen­tan aber mit Äuße­run­gen zurück.

Eine ähn­li­che Ver­si­on die­ses Bei­trags erscheint
am 25. Okto­ber 2022 in der Tages­zei­tung „jun­ge Welt“.

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WATERKANT-Redaktion