In der Nordsee, und nicht nur dort, wird der Ausbau von Offshore-Windparks massiv vorangetrieben. WATERKANT hat wiederholt darüber berichtet – auch darüber, dass die möglichen Folgen für die Meeresumwelt nur unzureichend erforscht seien, so dass das Vorsorgeprinzip eigentlich den Ausbau bremsen müsste. Heute berichtete der Forschungsdienst idw über neue Erkenntnisse zu diesem Thema.
Forschende des Helmholtz-Zentrums Hereon in Geesthacht haben laut idw-Pressemitteilung eine aktuelle Studie vorgelegt, in der sie nachweisen, „dass großangelegte Windparks die marine Primärproduktion sowie den Sauerstoffgehalt inner- und außerhalb der Windparkgebiete stark beeinflussen können“. Es sei, betont der Dienst, nicht das erste Mal, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den Auswirkungen von Windparks „wertvolle Erkenntnisse geliefert“ hätten. Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung weiter (Gliederung durch Red.):
- „Unterschiedliche Windverhältnisse und Strömungen, mehr Niederschlag und ein verändertes Oberflächenklima: Die Auswirkungen von Offshore-Windparks in der Nordsee sind vielseitig und noch nicht vollständig erforscht. Einige davon treten bereits auf, andere sind durch den stetigen Ausbau von Windkraftanlagen zu großangelegten Windparks noch zu erwarten. Um sie besser zu verstehen und noch vorhandene Wissenslücken zu schließen, arbeitet ein Team von Forschenden des Hereon-Instituts für Küstensysteme – Analyse und Modellierung an unterschiedlichen Kernelementen des Problems:
- So belegte das Team um Nils Christiansen, dass Wirbelschleppen – Luftverwirbelungen, die durch Windturbinen verursacht werden – die Strömung und Schichtung des Wassers unter ihnen verändern.
- Aber auch das Klima knapp über der Meeresoberfläche wird nachhaltig verändert, wie ein weiteres Team um Dr. Naveed Akhtar zeigen konnte.
- Die neueste Studie unter der Leitung von Dr. Ute Daewel bestätigt nun, dass diese Auswirkungen auch zu einer veränderten räumlichen Verteilung der marinen Ökosystemkomponenten führen. Das beinhaltet die Verteilung von Nährstoffen, Phyto- und Zooplankton sowie von Biomasse im Sediment, der Nahrungsgrundlage für viele bodenlebende Organismen.
- In der Modellstudie geht das Team von den geplanten großflächigen Offshore-Windparks in der Nordsee aus. Für tiefere Meeresgebiete stellten die Forschenden so fest, dass sich der Anteil von biogenem Kohlenstoff im Sediment lokal um 10 Prozent erhöhen würde und die Sauerstoffkonzentration in einem Gebiet, in dem sie ohnehin sehr niedrig ist, noch weiter sinken könnte.“
Langzeit-Folgen für Jungfische
Als „langfristige Konsequenzen für das Nahrungsnetz der Nordsee“ skizziert die jüngste Studie unter anderem, dass bereits belegte Windveränderungen eine lokale Änderung der Primärproduktion von Phytoplankton um bis zu ±10 Prozent bewirken könnten – „und das nicht nur in den Windparkgebieten selbst, sondern auch verteilt in der gesamten südlichen Nordsee“. Und weiter: „Das bedeutet, auch wenn die Gesamtproduktion in der Region sich nur sehr gering verändert, kommt es zu einer räumlichen Umverteilung der Produktion. Das hat auch Konsequenzen für die Verteilung des Zooplanktons – der Nahrungsgrundlage für viele Fischarten. Insbesondere Jungfische sind oft auf die Verfügbarkeit von Zooplankton ‚zur richtigen Zeit am richtigen Ort‘ angewiesen. Eine räumliche und zeitliche Umstrukturierung der Zooplanktonverteilung kann diese Prozessketten und damit die Menge des vorhandenen Fischs positiv oder negativ beeinflussen.“
Der Forschungsdienst idw zitiert abschließend die verantwortliche Forscherin Ute Daewel mit den Worten: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass der umfangreiche Ausbau der Offshore-Windparks einen erheblichen Einfluss auf die Strukturierung der marinen Küstenökosysteme haben wird. Diese Auswirkungen müssen wir schnell besser verstehen und auch im Management der Küstenökosysteme berücksichtigen.“
Die idw-Pressemitteilung samt Link zur Originalpublikation ist hier zu finden.