Die UNCTAD mag’s stürmisch

Gera­de hat­te der welt­wei­te See­han­del sich nach dem Pandemie-Schock von 2019/20 etwas erholt und 2021 wie­der zuge­nom­men, da pro­gnos­ti­ziert die UN-Konferenz für Han­del und Ent­wick­lung (UNCTAD) fürs lau­fen­de Jahr wie­der einen Rück­gang des Wachs­tums und auch für die Fol­ge­jah­re eine deut­lich schwä­che­re Ent­wick­lung als in der Vergangenheit. 

Navi­gie­ren in stür­mi­schen Gewäs­sern“ – unter die­sem dras­tisch klin­gen­den Titel lie­fert die aktu­el­le Aus­ga­be des jähr­li­chen Review of mari­ti­me trans­port auf knapp 200 Sei­ten Daten und Ana­ly­sen über die Bedeu­tung mari­ti­mer Logis­tik. Wobei die wich­tigs­ten kon­kre­ten Zah­len schnell berich­tet sind: Im Jah­re 2020 war der See­han­del vor allem wegen COVID-19 – nach jah­re­lang ste­ti­gem Wachs­tum – um rund 3,8 Pro­zent zurück­ge­gan­gen, von 11,07 auf 10,65 Mil­li­ar­den Ton­nen. Das ist zwar 2021 weit­ge­hend wie­der auf­ge­holt wor­den, laut UNCTAD durch ein Wachs­tum von rund 3,2 Pro­zent auf 10,99 Mil­li­ar­den Ton­nen. In die­sem Jahr aber wer­de die Ladungs­men­ge nur noch um 1,4 Pro­zent wach­sen, und dies wer­de auch im kom­men­den Jahr so blei­ben. Im Lang­zeit­ver­gleich ist die UNCTAD gar rela­tiv pes­si­mis­tisch: Über drei Jahr­zehn­te habe der See­han­del Jahr für Jahr um durch­schnitt­lich 3,3 Pro­zent zuge­nom­men, hin­ge­gen wird für 2023-27 nur noch ein Durch­schnitts­wachs­tum von 2,1 Pro­zent pro Jahr erwar­tet – und selbst die­se Vor­her­sa­ge sei durch „Abwärts­ri­si­ken“ stark belastet.

Miss­ver­hält­nis zwi­schen Ange­bot und Nachfrage

Dar­aus erklärt sich auch der dras­ti­sche Titel des aktu­el­len Reports: Die jüngs­te Ver­gan­gen­heit sei gekenn­zeich­net von his­to­risch hohen, aber unbe­stän­di­gen Fracht­ra­ten, feh­len­dem Schiffs­raum oder Staus und Schlie­ßun­gen vor bezie­hungs­wei­se in diver­sen Häfen. Wäh­rend sich die­se Situa­ti­on gera­de ten­den­zi­ell umkehrt – die Fracht­ta­ri­fe fal­len, die Han­dels­flot­te wächst (und ver­jüngt sich) –, hät­ten die Her­aus­for­de­run­gen durch die Pan­de­mie und nicht zuletzt auch durch den Krieg in der Ukrai­ne mess­ba­re Aus­wir­kun­gen auf die Ver­sor­gung und das Leben der Men­schen in allen Tei­len der Welt. Noch immer, so die UNCTAD wei­ter, gebe es in der Schiff­fahrt, die mehr als 80 Pro­zent des Welt­han­dels­vo­lu­mens beför­de­re, ein Miss­ver­hält­nis zwi­schen Ange­bot und Nach­fra­ge bei den mari­ti­men Logis­tik­ka­pa­zi­tä­ten. Die Ent­wick­lung der Trans­port­kos­ten und die kri­ti­schen Unter­bre­chun­gen der glo­ba­len Wert­schöp­fungs­ket­ten bewirk­ten eine schwä­cheln­de „mari­ti­me Kon­nek­ti­vi­tät“, was ver­stärkt zu Nah­rungs­mit­tel­ver­knap­pung und höhe­rer Infla­ti­on beitrage.

Die mari­ti­me Wirt­schaft, so die UNCTAD, habe in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren gezeigt, dass man aus der Lieferketten-Krise ler­nen und sich bes­ser auf künf­ti­ge „Her­aus­for­de­run­gen und Über­gän­ge“ vor­be­rei­ten müs­se. Aber es gibt auch Eigen­lob, etwa für die Unter­stüt­zung von UN-Generalsekretär Anto­nio Guter­res, einer­seits die Getrei­de­ver­schif­fung aus ukrai­ni­schen Häfen und ande­rer­seits die För­de­rung der unge­hin­der­ten Aus­fuhr rus­si­scher Lebens­mit­tel und Dün­ge­mit­tel auf die Welt­märk­te zu sichern. In die­sem Kon­text erwar­tet die UNCTAD weit­rei­chen­de Ver­än­de­run­gen glo­ba­ler Lie­fer­ket­ten: Das mit west­li­chen Sank­tio­nen kon­fron­tier­te Russ­land suche drin­gend nach Markt­al­ter­na­ti­ven für den eige­nen See­han­del, wäh­rend west­li­che Natio­nen um Erschlie­ßung ande­rer Bezugs­quel­len als der rus­si­schen bemüht seien.

Vor Streiks wird gewarnt!

Nach­drück­lich mahnt die UNCTAD ver­stärk­te Inves­ti­tio­nen in mari­ti­me Lie­fer­ket­ten: Häfen, Han­dels­flot­ten und Hin­ter­land­ver­keh­re an, um bes­ser auf künf­ti­ge Kri­sen, den Kli­ma­wan­del und die De-Carbonisierung vor­be­rei­tet zu sein. Als Bei­spie­le wer­den unter ande­rem der Aus­bau der Ver­kehrs­in­fra­struk­tu­ren genannt, die Moder­ni­sie­rung der Hafen­pro­duk­ti­vi­tät (Pri­va­ti­sie­run­gen nicht aus­ge­schlos­sen) oder die Mini­mie­rung von „Arbeitskräfte- und Aus­rüs­tungs­eng­päs­sen“. Auch sol­len regio­na­li­sier­te Ver­sand­diens­te hel­fen, „hohe Trans­port­kos­ten und ande­re Her­aus­for­de­run­gen zu bewäl­ti­gen“. Was das in sozia­ler Hin­sicht bedeu­tet, lässt die UNCTAD offen – und beschränkt sich dar­auf, etwa die Hafen­streiks in Süd­ko­rea, Deutsch­land oder Groß­bri­tan­ni­en in einem Atem­zug mit COVID-19 oder dem Ukraine-Krieg als „Risi­ken für die wei­te­re Ent­wick­lung“ aufzuzählen.

Eine ähn­li­che Ver­si­on die­ses Bei­trags ist auch in der
Tages­zei­tung „jun­ge Welt“ vom 9. Dezem­ber 2022 nachzulesen.

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WATERKANT-Redaktion