Kurz vor den Feiertagen verkündeten die Küstenländer Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, man habe sich auf ein „gemeinsames weiteres Vorgehen“ beim Sedimentmanagement für den Hamburger Hafen und die Unterelbe geeinigt. Bei näherem Hinschauen indes wird auch damit nur das jährlich wachsende und Millionen Euro Steuergelder verschlingende Baggergutproblem als ökologisches wie politisches Desaster weiterhin so hin- und hergeschoben, wie die Tide es mit den Elbsedimenten tut.
Wortreich betonen die drei Küstenländer ihre „Verantwortung für die Tideelbe, das Weltnaturerbe Wattenmeer (und) … die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit … insbesondere des Hamburger Hafens“. Tatsächlich geht es vorrangig um Letzteres – der Streit ist älter als das Gezerre um die Vertiefung der Elbe, nur spitzt er sich seit dieser Maßnahme zu, weil die Schlickmengen, die gebaggert werden müssen, immer weiter zunehmen: Eine Folge sowohl fehlerhafter Berechnungen zur Vertiefung als auch sich natürlich verändernder Gegebenheiten. Über das Wie und Warum gibt es etliche Gutachten und Debatten. Hamburg hat im Laufe der Jahre viele Versuche unternommen, eigenständig Lösungen zu finden – bislang ohne Aussicht auf dauerhaften Erfolg.
Seit mehreren Monaten wurde um Hamburgs Plan gestritten, ab dem kommenden Jahr nahe der im Nationalpark Wattenmeer liegenden Vogelschutzinsel Scharhörn Schlick abzulagern. Niedersachsen lehnte das ebenso ab wie Schleswig-Holstein, Umweltverbände ebenso wie etwa der Landkreis Cuxhaven. Kurz vor Weihnachten nun feierten sich die drei genannten Bundesländer für das vereinbarte künftige Sedimentmanagement, „das auf eine nachhaltige Lösung abzielt“. Der Haken an der Sache ist nur, dass nichts daran nachhaltig ist, weil es nur um Provisorien und Gedankenspiele über künftige Optionen geht.
Die Umweltverbände BUND, NABU und WWF begrüßten zwar in einer Pressemitteilung, dass so das „Weltnaturerbe Wattenmeer von toxischem Hafenschlick verschont“ bleibe, forderten von Hamburg aber auch langfristigen Verzicht auf eine Verklappungs-Deponie nahe Scharhörns. Sie kritisierten dabei jedoch nicht die vereinbarten Alternativen, die sich wie ein hilfloses Stochern im Schlick ausnehmen: Vorerst soll Baggergut nahe Helgoland bei Tonne E3 gelagert werden – eine Verklappungsstelle, zu der schon seit 2005 jährlich bis zu 1,5 Millionen Tonnen Sediment verbracht worden sind. Durch Verlängerung der entsprechenden Genehmigung soll Zeit gewonnen werden, um neue Optionen zu suchen. Unter anderem sind Verbringstellen weiter draußen in der Nordsee im Gespräch, nur müssen Nutzungen etwa der Außerordentlichen Wirtschaftszone (AWZ) oder der so genannten Tiefwasserreede mit den zuständigen Bundesbehörden abgestimmt werden – hier könnten nämlich die Hamburger Schlickverbringungs-Interessen beispielsweise mit Plänen der Offshore-Windkraftindustrie (AWZ) oder der Handelsschifffahrt (Reede) kollidieren. Die überwiegend von Gebietskörperschaften getragene „Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste“ (SDN) mahnte darüberhinaus zu Recht, auch diese Optionen führten nur zur Zerstörung dortiger Lebensräume.
Hydrodynamisch aussichtslos
Im Kern geht es darum, Verklappstellen zu finden, von denen aus die Tide den Schlick nicht in die Elbe zurückbringt – was hydrodynamisch als aussichtslos gilt: Die sich wiederholenden Umlagerungsvorgänge sind ökologisch nachteilig, schifffahrtstechnisch uneffektiv und vor allem kostentreibend. Allgemein gilt wegen der zunehmenden Schlickprobleme bereits heute die lange umstrittene und gegen erbitterte Widerstände durchgeboxte Elbvertiefung als eine verfehlte Maßnahme. Der Hamburger Umweltverband „Rettet die Elbe“ (RdE) hatte bereits vor der jetzigen Einigung vor einem „faulen Deal“ gewarnt. Unter anderem verwies er auf die juristischen Auseinandersetzungen um die Elbvertiefung, in denen die klagenden Verbände vergeblich ein Gutachten des Wasserbauers Prof. Ulrich Zanke eingebracht hatten: Anders als die von den Planungsbehörden bemühte Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) hatte dieser laut RdE nachgewiesen, dass nach einer erneuten Vertiefung des Flusses „kein statischer Zustand erreicht werde, sondern dynamische Prozesse negative Folgen hervorrufen würden“. Das Gericht hatte diese Ansicht zurückgewiesen – für RdE bedeutet das, die Elbvertiefung sei damit „schon in den Köpfen der Planer“ gescheitert. Die Einigung der Küstenländer sieht der Verband als Bestätigung: „Hamburg plant den Sedimentraub in der Elbe und die Verklappung in der Nordsee als Regel und auf Dauer, so der Entwurf des Hafenentwicklungsplans.“
Das Gezerre um Elbvertiefung und Elbschlick potenziert übrigens auch die ohnehin konjunkturell und durch Krieg bedingten Probleme des Hamburger Hafens: Jüngst kündigte Hafenbetreiber HHLA drastische Sparmaßnahmen an, weil derzeit die Umschlagszahlen des Hamburger Hafens massiv einbrechen. Und die Großreederei Hapag-Lloyd gab bekannt, dass ihr Bündnis „The Alliance“ – dem auch Japans ONE, Taiwans Yang Ming und Südkoreas HMM angehören – ab dem Frühjahr einen ihrer wichtigsten Ostasiendienste wegen zunehmender Schiffsgrößen von Hamburg nach Wilhelmshaven abziehen werde.
Eine ähnliche Version dieses Beitrags erscheint heute auch
in der Tageszeitung „junge Welt“.