Energiewende? – Aber bitte mit Rücksicht…

Das Bun­des­amt für See­schiff­fahrt und Hydro­gra­phie (BSH) in Ham­burg hat einen aktua­li­sier­ten Flä­chen­ent­wick­lungs­plan (FEP) ver­öf­fent­licht, dem­zu­fol­ge die Leis­tung von Offshore-Windparks in der deut­schen Nord- und Ost­see bis 2030 auf 36,5 Giga­watt (GW) ver­vier­facht wer­den soll. Umwelt­ver­bän­de war­nen trotz grund­sätz­li­cher Zustim­mung zu die­sen Zie­len vor erheb­li­chen Risi­ken für die Meeresumwelt. 

In Poli­tik, Ver­wal­tung und vor allem der betei­lig­ten Wirt­schaft wird der neue FEP – alle for­ma­len Details sind auf der Web­sei­te des BSH ein­seh­bar – als eine wich­ti­ge Wei­chen­stel­lung für den Aus­bau der Offshore-Windenergie gefei­ert. Er regelt nicht nur, in wel­chen Regio­nen der Aus­schließ­li­chen Wirt­schafts­zo­nen (AWZ) auf Nord- und Ost­see wei­te­re Offshore-Windparks errich­tet (oder vor­han­de­ne auf­ge­rüs­tet) wer­den dür­fen, son­dern auch die Ausschreibungs-Modalitäten sowie vie­le tech­ni­sche Details. Zwar wur­den laut BSH auch mög­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Mee­res­um­welt geprüft und berück­sich­tigt – aber meh­re­re Stel­lung­nah­men betei­lig­ter Umwelt­ver­bän­de las­sen dar­auf schlie­ßen, dass das wohl nicht all­zu sorg­fäl­tig gesche­hen ist. Übri­gens sol­len die ent­spre­chen­den Ein­ga­ben und die zuge­hö­ri­gen Abwä­gungs­er­geb­nis­se der Behör­de erst zu einem spä­te­ren Zeit­punkt „sepa­rat“ doku­men­tiert und ver­öf­fent­licht werden.

Der aktu­el­le FEP berück­sich­tigt nicht nur das „Nah­ziel“ von min­des­tens 30 GW bis 2030, son­dern geht bereits auf die wei­te­ren Zie­le ein – „min­des­tens 40 GW bis 2035 und min­des­tens 70 GW bis 2045“. Dabei stellt der Plan eine „begrenz­te Flä­chen­ver­füg­bar­keit in der deut­schen AWZ“ fest und mahnt, die genann­ten Aus­bau­zie­le müss­ten „mit den ver­füg­ba­ren Flä­chen erreicht wer­den“, was auf den fest­ge­leg­ten Flä­chen „eine ver-
gleichs­wei­se hohe Leis­tungs­dich­te“ erfor­der­lich mache. Das aller­dings bedeu­tet, dass immer grö­ße­re Anla­gen in Ver­bin­dung mit höhe­ren Wind­ge­schwin­dig­kei­ten als an Land einer­seits bes­se­re Aus­beu­te und Pro­fi­te garan­tie­ren, ande­rer­seits die zwangs­läu­fig tech­nisch höhe­ren Anfor­de­run­gen erheb­lich grö­ße­re Inves­ti­tio­nen ver­lan­gen. Bei­des zusam­men dürf­te unmit­tel­ba­re Fol­gen auf die geplan­ten Aus­schrei­bun­gen haben – denn die so in noch stär­ke­rem Maße erfor­der­li­che Finan­zie­rung durch Ban­ken, Ener­gie­ver­sor­ger und Pro­jek­tie­rer wird dazu bei­tra­gen, das Mono­pol der Strom­kon­zer­ne in der Offshore-Branche auch künf­tig sicher zu stellen.

Licht und Schatten

Bei Umwelt­ver­bän­den wie BUND oder NABU wird zwar der Aus­bau der Offshore-Windenergie als ele­men­tar für die Umset­zung der so genann­ten Ener­gie­wen­de – raus aus fos­si­ler und nuklea­rer Ener­gie­er­zeu­gung – gese­hen, zugleich aber betont, dass damit erheb­li­che Risi­ken für das mari­ne Öko­sys­tem ver­bun­den sind, dass „sich ohne­hin schon in einem schlech­ten Umwelt­zu­stand“ befin­de, wie es auf einer zwar rund andert­halb Jah­re alten, aber gut erklä­ren­den BUND-Webseite heißt: „Es gibt vie­le Bedro­hun­gen in Nord- und Ost­see, die durch uns Men­schen ver­ur­sacht wer­den. … Hier­zu zäh­len Ein­trä­ge von Schad- und Nähr­stof­fen, Lärm und Mee­res­müll sowie Nut­zun­gen durch die Schiff­fahrt, Fische­rei, Roh­stoff­ge­win­nung und Sedi­ment­ma­nage­ment.“ Ver­stärkt wür­den die Aus­wir­kun­gen zudem durch die Effek­te des Kli­ma­wan­dels auf die Mee­re: Ver­saue­rung, Erwär­mung und stei­gen­der Mee­res­spie­gel. Immer­hin fol­gert der BUND dar­aus die For­de­rung, „dass der Aus­bau der Offshore-Windenergie in der deut­schen Nord- und Ost­see auf 15 Giga­watt (GW) beschränkt wird“ und kom­men­tiert den damals als Ent­wurf vor­lie­gen­den mari­nen Raum­ord­nungs­plan Nord- und Ost­see, der einen Offshore-Ausbau auf 40 GW bis 2030 ver­langt hat­te, mit den Wor­ten: „Wird die mari­ne Raum­ord­nung in die­sem Sin­ne umge­setzt, führt dies zu einer mas­si­ven Über­las­tung des Mee­res­öko­sys­tems und sei­ner Küsten.“

Aktu­el­ler und aus­führ­li­cher ist da der NABU, der bereits den jetzt vor­lie­gen­den FEP erläu­tert und dar­in „Licht und Schat­ten für Nord- und Ost­see“ kon­sta­tiert – die vom BSH for­mu­lier­ten Aus­bau­zie­le sei­en „ange­sichts der heu­te bekann­ten – und unge­lös­ten – Natur­schutz­kon­flik­te … zu viel und zu schnell“. In Ver­bin­dung mit einer ein Jahr zuvor ver­öf­fent­lich­ten Web­sei­te wird nicht nur „die Fra­ge, wie vie­le Wind­rä­der sich in Nord- und Ost­see dre­hen kön­nen“, als „umstrit­ten“ bezeich­net; es wird auch erläu­tert, dass frü­he­re FEP noch Schutz­re­geln ent­hiel­ten, die jetzt gekippt bzw. gestri­chen wor­den sind. „Der Abbau von Umwelt­stan­dards“, heißt es bilan­zie­ren­de, „ist über­flüs­sig und ein fata­les Zei­chen. Anstatt Klima- und Arten­schutz Hand in Hand lau­fen zu las­sen, wer­den die bei­den öko­lo­gi­schen Kri­sen gegen­ein­an­der aus­ge­spielt und gesun­de Mee­res­öko­sys­te­me als wich­ti­ge CO₂-Senken aufs Spiel gesetzt.“

Offe­ne Fragen

Die Gefahr ist groß, dass mit der jet­zi­gen Pla­nung der „Ener­gie­wen­de“ drin­gend erfor­der­li­cher Mee­res­um­welt­schutz aus­ge­he­belt und miss­ach­tet wird – das geht aus den Stel­lung­nah­men her­vor. Was bis­lang nicht – oder deut­lich zu wenig – erör­tert wird, ist zum einen die Fra­ge, wel­che Ener­gie­men­gen künf­tig tat­säch­lich erfor­der­lich sein wer­den. Denn die jet­zi­gen Vor­ga­ben gehen immer nur aus von jenem sich per­p­etu­ie­ren­den Wachs­tums­zwang, der dem kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tem inne­wohnt, und der (mög­li­cher­wei­se? wahr­schein­lich? sicher?) nur das Ziel immer grö­ße­rer Pro­fi­te ver­folgt. Zum ande­ren aber igno­riert die bis­he­ri­ge Debat­te weit­ge­hend die Fra­ge der Begleit- und Fol­ge­kos­ten des geplan­ten Offshore-Windkraft-Ausbaus: Aus­schrei­bung hin oder her – wer finan­ziert die erfor­der­li­che Infra­struk­tur wie etwa Hafen­an­la­gen und zuge­hö­ri­ge Spe­zi­al­in­stal­la­tio­nen für Bau, Aus­bau, Betrieb, War­tung und Repa­ra­tur der Wind­parks auf See, wer kommt für ihren bis heu­te nicht abschlie­ßend geklär­ten Abbau nach Betriebs­en­de, wer für die Ent­sor­gung auf? Über den wich­ti­gen Aspekt des Mee­res­um­welt­schut­zes hin­aus ist die heu­ti­ge Pla­nung in die­sem Bereich noch viel zu stark geprägt von unbe­ant­wor­te­ten Fra­gen – die im Inter­es­se der Steu­er­zah­le­rin­nen und Steu­er­zah­ler eigent­lich drin­gend geklärt wer­den müss­ten, bevor wei­ter aus­ge­baut wird.

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WATERKANT-Redaktion