Sie haben es mächtig eilig: Am 16. Februar dieses Jahres erst hat Dänemark die erste Lizenz für die Speicherung verflüssigten Kohlendioxids unter dem Meeresboden der Nordsee erteilt – heute Mittag wurde in Esbjerg das Projekt gestartet, allen Bedenken und Warnungen zum Trotz.
Mit dem norwegischen Plattform-Versorger Aurora Storm (IMO 9722510) wurden mehrere Container mit in Antwerpen verflüssigtem CO2 aus Belgien zu der ausgedienten INEOS-Ölplattform Nini A über dem Förderfeld Nini West etwa 180 Kilometer vor der nordjütlandischen Küste (ungefähr Höhe Viborg) gebracht, um dort in 1800 Metern Tiefe unter der Nordsee eingelagert zu werden. In Esbjerg ließen sich derweil die Macher des „Projekt Greensand“ betitelten Vorhabens feiern – vom dänischen Kronprinzen Frederik ebenso wie von der per Videobotschaft zugeschalteten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (deren Vater Ernst Albrecht bekanntlich auch schon mit Plänen zur „Gefahrgutversenkung“ befasst gewesen ist…). Lizenznehmer für das Projekt Greensand sind der britische Petrochemie-Gigant INEOS und die BASF-Tochter Wintershall Dea, an der auch der von der EU offiziell sanktionierte russische Oligarch Michail Fridman beteiligt ist – was aber weder Deutschland noch Dänemark noch die EU an wirtschaftlichen Kooperationen hindert. Beide sind mit je 40 Prozent an dem Projekt beteiligt, die restlichen 20 Prozent hält ein staatliches dänisches Unternehmen (1).
Gute Geschäfte
Dänemark selbst sieht den Start der unterseeischen CO2-Einlagerung nicht nur vor dem Hintergrund eigener Pläne, um bis 2050 „kohlendioxid-neutral“ zu werden – sondern ausdrücklich auch als Geschäftsmodell: Das dänische Ministerium für Klima, Energie und Versorgung erklärte bereits im Februar bei Erteilung der Lizenz, das Projekt Greensand werde dazu beitragen, der wachsenden Nachfrage nach CO2-Speicherung „in Nordeuropa“ zu entsprechen. Es steht zu vermuten, dass das unter anderem auf Deutschland gerichtet ist, wo ja laut Gesetz Kohlendioxid-Speicherung nur begrenzt (zur Erforschung und Erprobung) erlaubt ist – seinerzeit ein Verdienst des damals noch CCS-ablehnenden Grünen-Politikers Robert Habeck, der jetzt mit der Scholz’schen Zeitenwende auch selbst gewendet ist. Allerdings sehen die an Greensand beteiligten Firmen das durchaus anders – sie hoffen, dass mit ihrem Engagement vor der dänischen Küste nicht nur dort gut zu verdienen ist, sondern dass dies auch den gesetzlichen Rahmen in Deutschland verändern und so dortige lukrative Projekte ermöglichen hilft.
Geplant ist jetzt zunächst, unter dem Feld Nini West jährlich bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO2 einzulagern – bis 2025, dann soll die Speichermenge bis 2030 auf jährlich bis zu acht Millionen Tonnen gesteigert werden. Nach Angaben von INEOS geht die EU-Kommission davon aus, dass die EU bis 2050 bis zu 300 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr speichern müsse, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Nicht nur Meeresumwelt- und Klimaschutz-Initiativen halten CCS bekanntermaßen für eine gefährliche Scheinlösung; auch das Umweltbundesamt teilt etliche der geäußerten Bedenken: Es gibt Zweifel hinsichtlich der angewendeten Technik, weil CO2-Verflüssigung und -Transport als energieaufwändig und riskant gesehen werden; es gibt Zweifel hinsichtlich der Verpressung und zwar sowohl bei Anwendung als auch mit Blick auf die Langzeit-Lagerung (Leckagen- oder Erdbeben-Risiko). Insgesamt gilt die Vorgehensweise weder als „nachhaltig“ im positiven Sinne noch als emissionsfrei.
1) aktualisierende Ergänzung: Wintershall DEA hat Ende März von Norwegen eine zweite CCS-Lizenz für dessen nationale AWZ erhalten. Die so genannte Havstjerne-Lizenz liegt 135 Kilometer südwestlich von Stavanger, die erste – Luna-Lizenz genannt – 120 Kilometer westlich von Bergen. Daneben arbeitet der Konzern im Projekt NOR-GE an der 900 Kilometer langen CO2-Pipeline nach Wilhelmshaven.