Niedersachsens Seehäfen erweisen sich zumindest zu einem Teil als Gewinner der aktuellen weltpolitischen Entwicklung: Das zeigen die heute vorgelegten Jahreszahlen der neun landeseigenen Seehäfen Brake, Cuxhaven, Emden, Leer, Nordenham, Oldenburg, Papenburg, Stade und Wilhelmshaven.
Hamburgs Hafen meldete im Güterumschlag des Jahres 2022 jüngst ein Minus von 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr; Bremens Häfen hatten für sich bereits Ende Dezember ein Minus von 7,4 Prozent prognostiziert. Die jüngsten Umschlagszahlen der Landes-Hafengesellschaft Niedersachsen Ports (NPorts) indes bilanzieren für die Landeshäfen stolz ein Plus von sechs Prozent gegenüber 2021. Das klingt überraschend gut, zumal Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) unbescheiden auch gleich den „internationalen Vergleich“ wagte und auf die großen Konkurrenten Rotterdam (minus 5,5 Prozent) oder Antwerpen (minus 8,6 Prozent) verwies. Aber wie so oft relativiert sich das, wenn man solche Zahlen nach Einzelhäfen und Güterarten aufschlüsselt.
Da ist zum Beispiel – Stichwort aktuelle Krise – die Kategorie „feste Massengüter“, also Kohle, Getreide oder Futtermittel: „Um Deutschlands Energieversorgung sicherzustellen, erlebte die Kohle als Energieträger ein Comeback“, schreibt die amtliche Pressemitteilung. Dies habe dazu geführt, dass der Umschlag fester Massengüter von gut zwölf Millionen Tonnen in 2021 auf knapp 15 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr gestiegen sei – um rund 24 Prozent. Bei genauerem Hinsehen wird schnell klar: Wilhelmshaven als traditionell maßgeblicher Kohlehafen hat seinen Import von 1,58 auf 3,15 Millionen Tonnen fast verdoppelt; der Wesermündungshafen Nordenham legte um 55 Prozent auf 1,69 Millionen Tonnen zu. Daneben schlägt auch zu Buche, dass der Unterweserhafen Brake als Importhafen für Getreide und Futtermittel (unter anderem auch aus der Ukraine) hier um rund 35 Prozent zulegte und 3,45 Millionen Tonnen erzielte. Zusammen genommen sind das Ergebnisse, die durch entsprechende Einbußen in Cuxhaven (minus neun Prozent) und Stade (minus vier Prozent) nur leicht gedämpft werden.
„Fossil“ macht Ladung
Auch bei den „flüssigen Massengütern“ profitierten Niedersachsens Häfen vom Revival des fossilen Zeitalters: Nicht nur in Emden und Nordenham, sondern vor allem in Wilhelmshaven legte der Import von Erdöl und Mineralölprodukten deutlich zu. Was Olaf Lies allerdings nicht daran hindert, den Seehäfen des Landes eine „ganz maßgebliche“ Zukunfts-Rolle zuzuweisen, „denn sie werden das Tor sein für saubere Energie für ganz Deutschland“. 117 Millionen Euro habe man in die Häfen investiert, vor allem natürlich für die umstrittenen LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Stade, 175 Millionen sollen es dieses Jahr werden, um etwa weiteren Terminal-Ausbau für Offshore-Windkraft und – als Zukunftshoffnung – für den so genannten „grünen Wasserstoff“ zu finanzieren.
Wirtschaftsminister Lies versuchte übrigens wieder einmal, allen gleichzeitig zu gefallen: Einerseits mahnte er erneut die geplante und stark umstrittene Weservertiefung als dringend notwendige Maßnahme an, andererseits aber auch eben jene norddeutsche Hafenkooperation, die nach Expertenansicht diese teure und ökologisch wie regionalpolitisch brisante Maßnahme überflüssig machen könnte. Die Hafenbetreiber HHLA und Eurogate hatten ja im vergangenen Herbst ihre Kooperationsgespräche nach mehr als einem Jahr ergebnislos abgebrochen. Lies‘ Sorge gilt dabei vor allem dem ewig schwächelnden Wilhelmshavener JadeWeserPort (JWP); der gerade zehn Jahre alt gewordene Tiefwasserhafen hat aktuell erneut Einbußen hinnehmen müssen: 2022 wurden dort rund 683.000 Standardcontainer (TEU) umgeschlagen, 4,1 Prozent weniger als im Vorjahr – nicht erstaunlich, denn in 2021 hatten ungeplante Schiffsanläufe durch pandemiebedingte Umleitungen das Ergebnis nach oben geschönt.