Hamburgs Schlick: Rechentricks statt Lösung

Es ist eine end­lo­se, teu­re und pein­li­che Pos­se, das Gezer­re um die kon­ti­nu­ier­li­che Aus­bag­ge­rung der Elbe im Inter­es­se der Ham­bur­ger Hafen­wirt­schaft: Pein­lich seit Lan­gem, teu­er sowie­so – und end­los, weil schon wie­der getrickst wurde. 

Kürz­lich erst hat­ten sich die Bun­des­län­der Ham­burg, Schleswig-Holstein und Nie­der­sach­sen unter lau­tem Tam­tam dar­auf ver­stän­digt, kei­nen Schlick nahe der Vogel­in­sel Scha­r­hörn zu depo­nie­ren. Statt­des­sen wur­de die seit 2005 gel­ten­de Geneh­mi­gung, nahe Hel­go­land bei Fahr­was­ser­ton­ne „E 3“ Bag­ger­gut aus Elbe und Ham­bur­ger Hafen zu ver­klap­pen, ver­län­gert; aller­dings mit der Maß­ga­be, als­bald neue Optio­nen zu suchen. Kri­ti­ker hat­ten damals – Ende Dezem­ber 2022 – bereits pro­phe­zeit, dass die­se Suche wohl im Schlick ver­sa­cken dürf­te. Und genau so ist es jetzt gekom­men. Ges­tern ver­ein­bar­ten Ham­burg und Schleswig-Holstein wei­te­re E-3-Verklappung für zehn Jah­re bei gleich­zei­ti­ger Erhö­hung von 1,5 auf jähr­lich zwei Mil­lio­nen Tonnen.

Pein­lich sei das vor allem wegen des hier­bei ange­wen­de­ten Rechen­tricks, erläu­tert Klaus Baum­gardt vom Ham­bur­ger Umwelt­ver­band „Ret­tet die Elbe“ (RdE): Amt­lich sei die Rede von Mil­lio­nen Ton­nen Tro­cken­sub­stanz, real ent­spre­che das der zwei­ein­halb­fa­chen Men­ge in Kubik­me­tern. Ham­burg hat also nun Erlaub­nis, in zehn Jah­ren rund 50 Mil­lio­nen Kubik­me­ter bei E 3 zu ver­klap­pen – fast das Andert­halb­fa­che jener 35 Mil­lio­nen Kubik­me­ter, die für die jüngs­te, neun­te Elb­ver­tie­fung 2020/21 gebag­gert wor­den sind.

Zwar muss Ham­burg dafür mehr bezah­len als bis­her, zwar soll ein Teil die­ses Gel­des in Forschungs- und Aus­gleichs­maß­nah­men flie­ßen: An der eigent­li­chen Mise­re stän­dig stei­gen­der Bag­ger­gut­men­gen ändert das nichts. Im Gegen­teil: Schon vor der neun­ten Ver­tie­fung hat das Sedi­ment­auf­kom­men im Zusam­men­spiel mit hydro­dy­na­mi­schen Ver­än­de­run­gen, Kli­ma­wan­del und Ände­run­gen des Tide­ge­sche­hens stän­dig zuge­nom­men, was die Hafen­ver­wal­tung Ham­burg Port Aut­ho­ri­ty (HPA) und die Wasser- und Schiff­fahrts­ver­wal­tung des Bun­des (WSV) mas­siv unter Druck setzt.

Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung ausgehebelt

Die Hilf­lo­sig­keit ins­be­son­de­re der Ham­bur­ger Poli­tik zeigt sich auch in dem obsku­ren Vor­ge­hen zur aktu­el­len Beschluss­fas­sung. Wie RdE beschreibt, hat Ham­burg offen­bar gezielt eine eigent­lich geplan­te Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung aus­ge­he­belt: Anfang März habe die HPA beim Kie­ler Umwelt­mi­nis­te­ri­um die Ver­län­ge­rung der E-3-Verklappung samt Men­gen­er­hö­hung bean­tragt, so Baum­gardt. Kiel – zustän­dig, weil die Helgoland-Umgebung zu Schleswig-Holsteins Hoheits­ge­biet gehört – habe dar­auf­hin 23 Ver­bän­de ein­ge­la­den, bis Anfang Mai zu den mehr als 1000 Sei­ten umfas­sen­den Antrags­un­ter­la­gen Stel­lung zu neh­men. Dar­aus aber wur­de nichts, viel­mehr sei das Vor­ha­ben jetzt „auf Druck von Ham­burg“ bei einer gemein­sa­men Sit­zung der Kie­ler Lan­des­re­gie­rung und des Ham­bur­ger Senats in Bruns­büt­tel „ver­bind­lich ver­ein­bart“ wor­den, „mit allen ent­schei­den­den Rege­lun­gen über Men­ge, Ort, Zeit­raum und Preis“. RdE spricht von einer „Erpres­sung durch Ham­burg“ und stellt fest: „Damit ist die Betei­li­gung von Öffent­lich­keit obsolet.“

Wäh­rend Agen­tu­ren Kiels grü­nen Umwelt­mi­nis­ter Tobi­as Gold­schmidt zitie­ren, die Ver­ein­ba­rung atme „den Geist der gemein­sa­men Ver­ant­wor­tung für das Welt­na­tur­er­be Wat­ten­meer, die Elbe sowie den Ham­bur­ger Hafen als wirt­schaft­li­che Dreh­schei­be Nord­eu­ro­pas“, ver­langt RdE – zum wie­der­hol­ten Male übri­gens –, dass vor wei­te­rer Ver­klap­pung in die Nord­see end­lich eine „Sedi­ment­bi­lanz“ zu erstel­len sei, „und zwar auf der Zeit­schie­ne von 1999 bis heu­te“, also seit Abschluss der ach­ten Elb­ver­tie­fung. Auch die jüngs­ten Antrags­un­ter­la­gen, kri­ti­siert RdE, ent­hiel­ten kei­ne Infor­ma­tio­nen über den Zustand der Tideel­be: „Was pas­siert, wenn man ihr stän­dig Sedi­ment ent­nimmt und sie damit ver­tieft?“ Vor­lie­gen­de Amts­gut­ach­ten sei­en alle­samt ver­al­tet, die miss­lun­ge­ne neun­te Elb­ver­tie­fung „soll­te War­nung genug sein, nicht ein­fach wei­ter zu bag­gern wie bis­her“, son­dern zuvor die Ursa­che des Pro­blems zu untersuchen.

Alter­na­ti­ven zu E 3 hat Ham­burg indes der­zeit nicht: Eine Ver­klap­pung auf See, in der Aus­schließ­li­chen Wirt­schafts­zo­ne (AWZ), wird als Prä­ze­denz­fall erst vom Bun­des­amt für See­schiff­fahrt und Hydro­gra­phie (BSH) geprüft – Ent­schei­dung nicht vor 2025.

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WATERKANT-Redaktion