Im Nordwesten war dieses Wochenende einmal mehr geprägt von Protesten gegen die geplante so genannte „Küstenautobahn“: Sowohl in Niedersachsen als auch in Schleswig-Holstein forderten zusammen weit mehr als 1000 Menschen im Rahmen der bundesweiten dezentralen Kampagne „Mobilitätswende – jetzt!“ einen umgehenden Stopp der Planungen für die Autobahntrasse A 20.
Sowohl in West-Schleswig-Holstein und Nordost-Niedersachsen, beidseitig der Unterelbe, als auch links der Weser in den Landkreisen Ammerland, Friesland, Oldenburg und Wesermarsch gab es Sternfahrten per Fahrrad zu insgesamt drei Kundgebungen mit jeweils hunderten Teilnehmenden – als Ausdruck des Widerstands gegen „Deutschlands größtes, klimaschädlichstes und teuerstes Autobahnprojekt“.
Seit Jahrzehnten propagiert ein im „Förderverein Pro A 20“ gut organisierter Lobbyistenkreis aus Wirtschaftsverbänden mit Unterstützung durch kommunale und regionale Behörden sowie etlichen Medien den Bau einer Trasse parallel zur Autobahn A 1 – einer Trasse, die klimarelevante Moorlandschaften ebenso zerstören würde wie etliche andere wertvolle Naturräume, wie gewachsene ländliche Strukturen oder Agrarflächen. An der behaupteten verkehrspolitischen Relevanz, angeblich würden die Hinterlandanbindungen der Seehäfen verbessert, gibt es erhebliche Zweifel. Dafür kostet das Vorhaben nach jüngsten Schätzungen etliche Milliarden Euro Steuergeld, das die Gegner bei Bahn und Bildung besser aufgehoben sähen.
Zwar konnte im Zuge der planungsrechtlich beschleunigten „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ die Strecke zwischen der polnischen Grenze und dem schleswig-holsteinischen Bad Segeberg um die Jahrtausendwende vergleichsweise „geräuschlos“, das heißt ohne massiven zivilgesellschaftlichen Widerstand, fertiggestellt werden. Dann aber war vorerst Schluss: Weder konnte nach einem Gerichtsurteil bei Segeberg selbst noch darüber hinaus gen Westen weitergebaut werden: Beidseitig von Elbe und Weser gibt es ein Netzwerk von rund 30 Initiativen, die die Trassenplanung nicht nur juristisch bekämpfen, sondern zudem kontinuierlich Proteste organisieren. So eben auch an diesem Wochenende:
- Am gestrigen Sonnabend gab es in Glückstadt eine Kundgebung von mehreren hundert Menschen, die mit dem Fahrrad unter anderem von Elmshorn und Itzehoe, aber auch per Elbfähre von Hemmoor und Stade angereist waren – jener Elbfähre übrigens, die der Politik schon vor längerer Zeit ein Alternativkonzept zur A 20 angeboten hat und bis heute vergebens auf deren Reaktion wartet.
- Am heutigen Sonntag folgte dann auf der anderen Elbseite eine Kundgebung, zu der die Teilnehmer ebenfalls per Sternfahrt von Bremervörde und Hemmoor geradelt kamen.
- Und als größte der Aktionen fand ebenfalls heute auf Gut Hahn nahe des geplanten Autobahnkreuzes A 20 / A 29 bei Bekhausen eine Großkundgebung statt, zu der neben Umweltorganisationen wie dem BUND oder dem Bündnis Fridays for future vor allem die Initiative „Moor bleibt Moor“ mobilisiert hatte – Autobahngegner, die seit mehr als zwei Jahren auf einem anderen geplanten Streckenabschnitt ein Protestcamp unterhalten: im Otterbäksmoor bei Westerstede.
Die Sternfahrt zu dieser dritten Kundgebung war an 17 verschiedenen Start- und Treffpunkten gestartet worden – unter anderem auch am Bahnhof in Oldenburg: Wer von hier startete, durfte zum Teil über einen eigens für die Demo gesperrten Abschnitt der Autobahn A 28 zum Treffpunkt radeln. Zwar hatte der zuständige Landkreis Ammerland dies zunächst verboten; rechtzeitig vor dem Wochenende hatte jedoch das Oldenburger Verwaltungsgericht per Eilbeschluss festgestellt, auf dem Teilstück sei am frühen Sonntag wenig Verkehr zu erwarten, daher habe das Interesse der Demonstranten Vorrang.