Kleine Löcher, schwerwiegende Folgen: Seit Mittwoch voriger Woche ist ein knapp acht Kilometer langes Teilstück der A 27 (Walsrode-Cuxhaven) zwischen den Anschlussstellen „Hagen im Bremischen“ und „Uthlede“ – beide im südlichen Landkreis Cuxhaven liegend – voll gesperrt, aller Verkehr wird über benachbarte Dörfer umgeleitet. Und weil das längst nicht alles ist, nimmt das Verkehrschaos im Nordwesten täglich zu.
Die A 27 ist im so genannten „Nassen Dreieck“ – dem Marschland zwischen Unterweser, Nordsee und Unterelbe – die zentrale Route von und zu den Seehäfen sowohl in Bremerhaven mit ihrem Container- und Fahrzeugumschlag als auch in der Stadt Cuxhaven mit ihrem Offshore-Hafen, dessen Bedeutung im Zuge der so genannten Energiewende sehr stark zugenommen hat. Und die Autobahn verbindet auch über mehrere Fähren sowie den Wesertunnel bei Dedesdorf Teile Nordwestniedersachsens mit dem Rest der Republik. Nicht zu vergessen: In der Region ist die A 27 zudem eine wichtige Trasse für tägliche Pendlerverkehre zwischen Bremerhaven und Bremen sowie für Vernetzung vieler Dörfer mit den genannten Städten. Schätzungen zufolge sind durchschnittlich 27.000 Fahrzeuge pro Tag von der Sperrung betroffen.
Daraus folgt allerdings auch: Die aktuelle Teilsperrung erzwingt umfangreiche Umleitungen über Land- und Kreisstraßen, die weder für derartige Verkehrsmengen noch für die entsprechenden Fahrzeuggrößen ausgelegt sind. Das bedeutet, zum Leidwesen vieler Anwohner, teilweise heftiges Chaos in vielen Dörfern und vor allem auch Langzeit-Schäden an den teilweise ungeeigneten oder überbeanspruchten Straßen.
Verrottete Unterführung
Ursache der Autobahn-Sperrung scheinen nach bisherigen Erkenntnissen ungenügende regelmäßige Kontrolle und Pflege des Autobahn-Unterbaus zu sein: Auslöser ist ein nur rund einen Meter durchmessendes Rohr, das südlich des Anschlusses Hagen die A 27 unterquert und Wasser des Grienenbergsmoorgrabens unter der Autobahntrasse hindurch zur Weser ableitet. Eine Inspektion wegen Absackungen im Böschungsbereich offenbarte jetzt Löcher im maroden Stahlrohr, durch die Sand aus dem Autobahnunterbau in den Graben rieselt (beim Lokalsender Radio Bremen wird – derzeit noch – ein kurzes Privatvideo gezeigt, auf dem solche Rieselungen zu beobachten sind). Um dabei entstehende Brüche in der so eventuell unterhöhlten Fahrbahn zu vermeiden, musste die sofortige Sperrung verordnet werden.
Seit gestern wird provisorisch repariert. Das bedeutet zunächst wochenlange Vollsperrung, soll aber dazu führen, dass bei späterem, Monate währenden Neubau nur jeweils eine Richtungsfahrbahn gesperrt werden muss. Parallel werden sechs baugleiche Durchlässe in der Umgebung überprüft – weitere Behinderungen sind also nicht auszuschließen. Immerhin wurde kurzfristig der für Montag geplante Abriss zweier maroder Autobahnbrücken südlich von Bremerhaven erst einmal vertagt. Um aber das regionale Chaos zu komplettieren, musste am selben Tag die Fährverbindung Bremerhaven-Nordenham wegen Sanierung der Anleger stillgelegt werden.
Massiv gestörte Zu- und Ablaufverkehre für Häfen
Zeitgleich wurde links der Weser die Bahnlinie Nordenham-Bremen gesperrt, weil eine Schiffshavarie die Hunte-Brücke „für längere Zeit“ außer Betrieb gesetzt hat. In beiden Fällen gibt es zwar Bus-Ersatzverkehre, die aber das nach A-27-Sperrung verbleibende Straßennetz zusätzlich belasten dürften. Denn die Häfen von Nordenham und auch Brake können ohne diese Bahnverbindung ihre Zu- und Ablaufverkehre nicht ordnungsgemäß abwickeln, sondern müssen diese zu erheblichen Teilen auf Lkw verlagern – die aber, siehe oben, das Verkehrschaos auf der anderen Flussseite nur erhöhen.
In den Seehäfen stauen sich Container-, Fahrzeug- und Stückgut-Transporte, die Flächen für Zwischenlagerung dürften alsbald überfüllt sein. Auf Umleitungen kommt es durch Überlastung, Witterung und Stress häufiger als sonst zu wiederum temporär blockierenden Unfällen; Lkw, die auf ungeeigneten Straßen umgeleitet werden, ruinieren Bankette oder bleiben in der nassen Marsch stecken. Überdimensionierte Schwergut-Transporte, etwa von Windkraft-Rotorblättern, müssen zeitraubend neue Genehmigungen beantragen, weil in jedem Fall die Eignung möglicher Trassen stückweise geprüft werden muss. Häfen und Schifffahrt befürchten erhebliche Umschlagsverluste, weil Reeder und Spediteure bereits Schiffe zu Häfen mit besserer Anbindung umzudirigieren versuchen. Sie sei schon seit Jahren genervt, dass „der Bund kritische Infrastruktur kaputtgespart hat“, sagte Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) dem Lokalfernsehen. Es sei schlecht, „dass der Bund die Seehäfen als Ländersache betrachte“, mahnte Vogt Berlins überfällige Nationale Hafenstrategie an – und ist damit nicht allein.
Nachtrag vom 28. März 2024: Zur Überraschung Vieler hat die Autobahn GmbH des Bundes die Sanierung früher als befürchtet abschließen können und die A 27 zwischen Hagen und Uthlede gestern wieder freigegeben. Ob die anderen sechs baugleichen Durchlässe inzwischen überprüft wurden und wenn ja, mit welchem Ergebnis, wurde bislang nicht publiziert.