Die diesjährige Tarifrunde für die Beschäftigten in den deutschen Nordseehäfen hat Ende vergangener Woche einen ersten Höhepunkt erreicht: Die Gewerkschaft ver.di hatte in Hamburg die Belegschaften der Containerterminals sowie etlicher weiterer Umschlags- und hafenbezogener Dienstleistungsbetriebe für Freitag zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen – laut ver.di insgesamt rund 6000 Beschäftigte.
In der ersten Verhandlungsrunde am 14. Mai hatte der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) nicht einmal ein Angebot vorgelegt, sondern sich lediglich hinter der „schwierigen wirtschaftlichen Lage“ verschanzt. Der hohe internationale Wettbewerbsdruck durch die Konkurrenz ausländischer Häfen diente dabei ebenso als Ausrede wie die erheblichen Investitionen, die für Transformation und Anpassung im Rahmen der Energiewende erforderlich seien. Bliebe zu ergänzen, dass gerade Letzteres bekanntlich eine politisch gewollte und daher hoch subventionierte Entwicklung ist.
Anfang dieses Monats scheiterte auch die zweite Runde in Wilhelmshaven. ver.di hält das dort präsentierte ZDS-Angebot einer Lohnerhöhung um 2,5 Prozent, mindestens aber 60 Cent, für völlig unzureichend, fordert hingegen drei Euro. Umstritten sind zudem die Schichtzuschläge, auch hier bezeichnet die Gewerkschaft die angebotene Staffelerhöhung als zu gering und will eine Anhebung durchsetzen, die auch ein Nachholen der ausgebliebenen Erhöhung in 2022 einschließt. Im Kern geht es ver.di dem Aufruf zufolge insbesondere um Erhöhungen für untere Lohngruppen, die von der jüngsten Inflation besonders schwer getroffen worden seien.
Gereizte Stimmung
Der Warnstreikaufruf in Hamburg betraf Früh- und Spätschicht und dauerte daher von Freitag früh 6 Uhr bis 23 Uhr in der Nacht zum Sonnabend – und er ist nach Angaben von ver.di massenhaft befolgt worden. Das verwundert aber nicht, denn gerade an der Elbe ist die Stimmung der Beschäftigten vor dem Hintergrund des schwebenden Teilverkaufs des Hafenlogistikkonzerns HHLA an den Schweizer Reederei-Giganten MSC mehr als gereizt. Erst Ende Mai hatte ver.di einen Offenen Brief an MSC und die Hamburger Bürgerschaft vorgelegt, die damit verbundene Unterschriftenaktion „gegen den Verkauf der HHLA an MSC!“ lief bis gestern. Am morgigen Dienstag soll eine Kundgebung auf dem Rathausplatz für weiteren Druck sorgen, parallel zur Debatte des Haushaltsausschusses über den „MSC-Deal“.
Der Zwei-Schichten-Streik vom Freitag ließ sowohl an den drei HHLA-Terminals Burchardkai, Altenwerder und Tollerort als auch am Eurokai-Terminal etliche, auch große Containerfrachter unabgefertigt. Den ganzen Tag über ergingen via Verkehrsfunk Aufrufe an Spediteure und Lkw-Fahrer, doch bitte nicht die Häfen anzufahren, Staus und Verzögerungen waren die Folge. Es sollte zwar versucht werden, den Ausfall am Wochenende einschließlich zusätzlicher Lkw- und Bahn-Abfertigung aufzuholen. Ob das gelungen ist, kann momentan noch nicht bilanziert werden. Abseits des Containergeschäfts waren auch etliche Umschlags- und Dienstleistungs-Bereiche in anderen Teilen des Hafens von dem Ausstand betroffen.
Am 17. und 18. Juni, soll in Hamburg die dritte Verhandlungsrunde zwischen ver.di und ZDS stattfinden. Zuvor sind im Laufe dieser Woche weitere Warnstreiks zu erwarten: Gewerkschaftliche Aufrufe für die Hafenbeschäftigten in Bremen (Dienstag) und Bremerhaven (Mittwoch) liegen bereits vor; Emden, Wilhelmshaven und Brake dürften in Kürze folgen.