Hafen-Tarifrunde vorerst vertagt

Die aktu­el­le Tarif­run­de für die deut­schen Nord­see­hä­fen wird auch vor­erst kein Ende fin­den. Ende ver­gan­ge­ner Woche hat­te in Bre­men, beglei­tet von Warn­streiks in allen betrof­fe­nen Häfen, die vier­te Ver­hand­lungs­run­de statt­ge­fun­den. Das Ergeb­nis ver­dient das Prä­di­kat „skur­ril“, bedeu­tet es doch neben allen Unklar­hei­ten, gleich mehr dazu, vor allem eine mehr­wö­chi­ge Verzögerung. 

Wie der Zen­tral­ver­band der deut­schen See­ha­fen­be­trie­be (ZDS) am Wochen­en­de in einer Pres­se­mit­tei­lung bekannt­gab, hat der Ver­band nach zwei Tagen „inten­si­ver Ver­hand­lun­gen“ der Gewerk­schaft „ein fina­les Ange­bot“ vor­ge­legt. Es beinhal­te „zwei alter­na­ti­ve Optio­nen mit unter­schied­li­chen Lauf­zei­ten mit jeweils einer deut­li­chen Real­lohn­stei­ge­rung“, so der ZDS wei­ter. Die zeit­gleich ver­öf­fent­lich­te Pres­se­mit­tei­lung der Gewerk­schaft ver.di bestä­tigt das im Kern, zitiert aber Ver­hand­lungs­füh­re­rin Maren Ulb­rich mit den deut­li­chen Wor­ten, das Ange­bot blei­be hin­ter den Erwar­tun­gen zurück. Die Gewerk­schaft will „nun eine Befra­gung der Mit­glie­der zur Bewer­tung des Ange­bots starten“.

Vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen zufol­ge unter­schei­den sich bei­de ZDS-Optionen vor allem in den vor­ge­schla­ge­nen Lauf­zei­ten, gefolgt von einer etwas kom­pli­zier­ten Staffelung:

  • Ange­bots­op­ti­on 1 soll rück­wir­kend ab 1. Juni die­ses Jah­res für zwölf Mona­te gel­ten. Für die Zeit bis Ende 2024 Jah­res bie­tet der ZDS eine Ein­mal­zah­lung von pau­scha­len 1000 Euro für alle, die als so genann­te „Infla­ti­ons­aus­gleichs­prä­mie“ steuer- und abga­ben­frei wäre. In den ver­blei­ben­den fünf Mona­ten bis Ende Mai 2025 sol­len die Stun­den­löh­ne um 0,95 Euro erhöht werden.
  • Ange­bots­op­ti­on 2 soll, eben­falls rück­wir­kend ab 1. Juni, vier Mona­te län­ger, bis Ende Sep­tem­ber 2025, gel­ten. Aber auch hier soll es in 2024 nur eine pau­scha­le Ein­mal­zah­lung von aller­dings 1400 Euro geben – sowie für die dann ver­blei­ben­den neun Mona­te in 2025 eine Stun­den­lohn­er­hö­hung um 1,15 Euro.

Dicke Krö­te schlucken

Bei­de Optio­nen beinhal­ten zudem gestaf­fel­te Erhö­hun­gen der Schicht­zu­schlä­ge für Spät-, Nacht- und Wochen­end­schich­ten, jedoch wird auch hier nach Lauf­zeit unter­schie­den: Falls ver.di unter Ver­zicht auf die 12-Monats-Forderung einer Ver­trags­dau­er von 16 Mona­ten zustimmt, erhö­hen sich die jeweils ange­bo­te­nen Zuschlags­stei­ge­run­gen um je rund 33,3 Pro­zent – aller­dings hät­ten die Hafen­be­schäf­tig­ten dabei eine dicke Krö­te zu schlu­cken. Wäh­rend näm­lich der ZDS in sei­nen ers­ten, von ver.di abge­lehn­ten Ange­bo­ten eine Zula­gen­er­hö­hung rück­wir­kend ab 1. Juni ange­bo­ten hat­te, soll es die­se Auf­sto­ckun­gen in bei­den Optio­nen jetzt erst ab 1. Janu­ar 2025 geben. Zudem sol­len die bis­he­ri­gen Pau­scha­len nach Betriebs­ka­te­go­rie neu gere­gelt wer­den, was der­zeit noch unbe­rück­sich­tig­te Beschäf­tig­te begüns­ti­gen, für die­je­ni­gen der obe­ren Kate­go­rie aber Ein­bu­ßen bedeu­ten dürfte.

Wie berich­tet, hat­te ver.di eine Stun­den­lohn­er­hö­hung um drei Euro für zwölf Mona­te ab 1. Juni 2024 gefor­dert, um vor allem unte­re Lohn­grup­pen zu begüns­ti­gen und bis­he­ri­gen Real­lohn­ver­lust aus­zu­glei­chen. Zudem soll­te die ver­lang­te Schicht­zu­la­gen­er­hö­hung auch deren 2022 unter­las­se­ne Anhe­bung berück­sich­ti­gen. Inwie­weit die aktu­el­len ZDS-Angebotsoptionen dem ent­ge­gen kom­men, müs­sen die Tarif­ex­per­ten prü­fen – die ein­gangs zitier­te ver­hal­te­ne Reak­ti­on von ver.di legt da aber Skep­sis nahe.

Die Gewerk­schaft plant eine offen­bar rund vier Wochen dau­ern­de Mit­glie­der­be­fra­gung, denn laut Pres­se­mit­tei­lung wird die Bun­des­ta­rif­kom­mis­si­on (BTK) erst in der 34. Kalen­der­wo­che anhand der Rück­mel­dun­gen der Mit­glie­der über das wei­te­re Vor­ge­hen ent­schei­den. Unklar bleibt aber vor­erst zum einen, ob denn das Ergeb­nis der Befra­gung für die BTK bin­dend sein wird. Zum ande­ren stut­zen man­che über die ZDS-Formulierung eines „fina­len“ Ange­bots: Was, wenn ver.di ablehnt? Zu Spe­ku­la­tio­nen, das ZDS-Angebot sei ein geschick­tes Manö­ver, um durch den lan­gen Auf­schub der Ent­schei­dung eine Schwä­chung der aktu­ell hohen Kampf­be­reit­schaft der Hafen­be­schäf­tig­ten zu ver­su­chen, blie­ben bis­lang unbestätigt.

Apro­pos skur­ril: Ver­hand­lungs­füh­rer des ZDS ist laut Ver­bands­mit­tei­lung HHLA-Arbeitsdirektor Tor­ben See­bold – 2018 lei­te­te der Mann die Tarif­ver­hand­lung noch als dama­li­ger ver.di-Bundesfachgruppenleiter Mari­ti­me Wirt­schaft, dann aber wech­sel­te er die Seite…

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WATERKANT-Redaktion