Allen, die mit dem indischen Subkontinent Handel treiben, könnten unruhige Wochen bevor stehen: Wegen gleich mehrerer Streiks und Protestblockaden könnten in den kommenden Wochen die Zu- und Abläufe der verschiedenen nationalen Seehäfen massiv beeinträchtigt werden.
Schon Mitte dieser Woche wollen die Container-Transporteure ihre Fahrten einstellen; gemeint ist der Verband, nicht eine Gewerkschaft. Die überwiegend aus Einzelunternehmern bestehende Organisation will sich so gegen ihre drastisch verschlechterten Arbeitsbedingungen wehren. Zum einen protestieren die Lkw-Eigner gegen verschiedene, ihnen auferlegte Gebühren, unter anderem für das bloße Be- und Entladen von Containern oder fürs Parken; sie verlangen, dass diese Zahlungen von den auftraggebenden Im- und Exporteuren eingezogen werden. Zum anderen fordern sie eine Aussetzung der Autobahnmaut samt Erstattung bereits geleisteter Zahlungen; und kritisieren in diesem Zusammenhang die miserablen Verhältnisse auf den mautpflichtigen Autobahnen, die ihre Fahrzeuge beschädigen. Insbesondere die Trassen um und nach Mumbai sind gemeint: In der Westküsten-Metropole liegt mit dem Jawaharlal Nehru Port einer von Indiens wichtigsten Container-Terminals – manche Quellen nennen ihn den größten.
Tarrifverhandlungen stocken seit 31 Monaten
Für die Folgewoche haben mehrere Hafenarbeiter-Gewerkschaften einen vorerst unbefristeten Streik in den größten Häfen des Landes ausgerufen, weil Tarifverhandlungen seit mehr als 31 Monaten stocken. Indien verfügt neben vielen mittleren und kleinen, auch binnenländischen, Häfen über zwölf regierungseigene so genannte „major ports“ an den Küsten. In diesen zwölf Häfen soll ab dem 28. August vorerst unbefristet gestreikt werden – das meldete Mitte vergangener Woche unter anderem das maritime Infoportal Freight News (FN) aus Johannesburg. Der entsprechende Beschluss stammt von der All India Port and Dock Workers‘ Federation (AIPDWF), die der Internationalen Transportarbeiter Föderation (ITF) angehört und als erbitterter Gegner von Regierungsbestrebungen zur Privatisierung der staatlichen Häfen gilt. Unterstützt wird der Streik von der Water Transport Workers‘ Federation of India (WTWFI), die der Kommunistischen Partei Indiens (Marxisten) nahestehen soll. Beobachter erwarten, dass sich weitere Gewerkschaften mit diesem Streik solidarisieren werden.
Der Auslöser des bevorstehenden Arbeitskampfes ist schnell umrissen: Nach Angaben von FN ist der geltende Tarifvertrag zwischen der Regierung und den Hafengewerkschaften Ende 2021 ausgelaufen. Schon Monate vor diesem Termin hatte das Schifffahrtsministerium einen so genannten Tarifverhandlungsausschuss einberufen, der aber bis heute in insgesamt sieben Sitzungen keine Einigung über ein neues Abkommen erzielen konnte. Worauf sich die AIPDWF Anfang dieses Monats in der südöstlichen Hafenstadt Thoothukudi – dort liegt mit dem V. O. Chidambaranar Port der angeblich drittgrößte Hafen des Landes – getroffen hatte, um die Situation zu beraten und Maßnahmen zu ergreifen.
In den mehr als 31 Monaten haben sich die Forderungen der Gewerkschaften regelrecht aufgestaut. Es geht längst nicht mehr nur um Anhebung der Lohn- und Gehaltstarife samt entsprechender Nachzahlungen, um rückwirkende Rentenzahlungsansprüche oder ausstehende Umsetzung früherer Vereinbarungen. Es geht auch um die seit 2021 einbehaltenen Prämienzahlungen, die Hafenbeschäftigten traditionell immer im Herbst, zu Beginn der hinduistischen Festivalsaison, zustehen.
Wesentlicher Streitpunkt ist zudem – Stichwort Privatisierung – das von der Regierung radikal geänderte Hafenmanagement. Seit 1963 galt für die staatlichen Häfen mit dem Indian Major Ports Act ein landesweites Reglement, das im Jahre 2021 durch den Major Port Authorities Act ersetzt wurde. Der sollte angeblich dem Hafenbetrieb an den einzelnen Standorten mehr Autonomie verleihen. Tatsächlich aber, so die Gewerkschaftskritik, habe die Regierung die vorhandene Autonomie beschnitten und beim Ministerium zentralisiert. Der Verdacht, so heißt es, liege nahe, dass einer Auslagerung von Hafenaktivitäten an externe Investoren Vorschub geleistet werden soll.