Hamburgs Senat hat heute offiziell einen Teil der stadteigenen Aktien am Hafen- und Logistikkonzern HHLA an die Schweizer Großreederei MSC übertragen. Damit ist der seit 14 Monaten heftig umstrittene Einstieg des weltgrößten Schifffahrtskonzerns bei der HHLA vollzogen: Hamburg und die eigens gegründete MSC-Tochter Port of Hamburg Beteiligungsgesellschaft sind künftig per Joint Venture miteinander verbunden.
Bislang besaß die Freie und Hansestadt Hamburg 69,2 Prozent der HHLA-Aktien, der Rest befand sich in Streubesitz. Im Herbst 2023 hatte MSC Letztere aufgekauft, mit der jetzigen Übertragung von 19,1 Prozent der städtischen Anteile verfügt die in Genf ansässige Reederei künftig über 49,9 Prozent, Hamburg behält mit 50,1 Prozent nur noch eine knappe Mehrheit an der HHLA. Um dieses Geschäft hatte es, wie wiederholt berichtet, monatelange Auseinandersetzungen gegeben – Hafenbeschäftigte und Gewerkschaft haben massiv protestiert, Streiks und Demonstrationen den Konflikt begleitet. Börsianer sind bis heute skeptisch, befürchten tiefgreifende Folgen für Europas Hafenlandschaft und internationale Handelsrouten. Auch Wissenschaftler und Logistikexperten warnten vor diesem Deal.
In Hamburgs Parlament hatten CDU und Linkspartei ihn in seltener Einigkeit zu verhindern, zuletzt gar entscheidende Abstimmungen zu blockieren versucht. Vergeblich: Dank ihrer satten Mehrheit von 63,4 Prozent konnte die regierende Koalition aus SPD und Grünen die maßgeblichen Verträge beschließen. Nachdem im Herbst zunächst noch ausstehende wettbewerbsrechtliche Zustimmungen unter anderem von der EU-Kommission erteilt wurden, war nun der Weg frei für den finalen Vollzug.
Am 2. März 2025, eine Woche nach der jüngst beschlossenen vorgezogenen Bundestagswahl, wählen die Hamburger eine neue Bürgerschaft: Falls die jüngsten Umfragen dazu sich bewahrheiten, werden SPD und Grüne zwar eine Mehrheit behalten, sie wird aber nur noch 51 Prozent betragen – ob das dann auch eine Quittung für den HHLA-MSC-Deal ist, gilt aber noch als umstritten.
Der MSC-Vorstandsvorsitzende Søren Toft fand anlässlich der Bekanntgabe des endgültigen Vollzugs große Worte. Der maritime Infodienst Hansa zitierte ihn so: „Wir werden gemeinsam mit der Stadt in Wachstum, Technologie und Infrastruktur investieren, um die Wettbewerbsfähigkeit der HHLA zu stärken. Wir werden Ladung nach Hamburg bringen und wir werden die Rechte der Beschäftigten vollumfänglich wahren.“ Fasst man grob die bisherigen Einwände gegen den Deal zusammen, sind da allerdings etliche Fragezeichen angebracht.
Unklarheiten und Risiken
Angefangen bei den Hafenarbeitern, sind deren Bedenken alles andere als erledigt: Das fängt bei unklaren Vertragsklauseln und MSC-Vetorechten an und hört bei Risiken für Mitbestimmung, Tarifverträge oder Kündigungsschutz längst nicht auf. Beim Blick auf die angekündigte Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit muss unbedingt daran erinnert werden, dass nach Ansicht vieler Experten der von MSC gezahlte Preis von 16,75 Euro pro HHLA-Aktie viel zu niedrig angesetzt war: Wenn also MSC künftig in Hamburg investiert, wären das demnach zunächst einmal Gewinne aus derart möglicherweise unseriösen Geschäften.
Im September 2023 rühmte sich „die globale Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer“, MSC beim HHLA-Deal mit Hamburg „in Einzelheiten der beabsichtigten Transaktion“ beraten zu haben. Im Sommer 2024 beschrieb der SPIEGEL Freshfield als Kanzlei „mit Kratzern im Image, seit einer ihrer ehemaligen Staranwälte im Cum-ex-Prozess zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde“ und nannte in einem Bericht über die Signa-Benko-Pleite Freshfields Engagement in jenem Skandal „fragwürdig“. Die Frage muss erlaubt sein, ob das auch für die Verträge im HHLA-MSC-Deal zu gelten hat?
Und schließlich: Hamburgs schwächelndem Hafen selbst hat MSC „mehr Ladung“, konkret ein Plus von bis zu einer Million TEU, zugesichert – allerdings erst für 2031. Wer indes heute behauptet, die Entwicklung globaler Ladungsströme auf Jahre im Voraus berechnen zu können, muss paranormale Fähigkeiten haben.