Neue Wege in der Lotsenausbildung

Von Peter Geitmann

Fach­kräf­te­man­gel – der­zeit ein geflü­gel­tes Wort in fast allen Bran­chen. In der mari­ti­men Wirt­schaft kennt man die­ses Pro­blem schon seit etli­chen Jah­ren, eine Fol­ge vor allem dras­ti­scher Ver­nach­läs­si­gung der nau­ti­schen Aus­bil­dung. Längst ist die­ser Man­gel auch bei den Lot­sen ange­kom­men – so schwer wie­gend, dass dort jetzt neue Wege der Nach­wuchs­si­che­rung ent­wi­ckelt wurden. 

Vor dem Hin­ter­grund, dass es immer weni­ger ver­füg­ba­re Kapi­tä­ne und auch Nau­ti­ker mit Seefahrt-Erfahrungszeiten gibt, ist es zuneh­mend schwie­ri­ger gewor­den, geeig­ne­ten Nach­wuchs für die Lot­sen zu bekom­men. Bis­her war es so, dass Bewer­be­rin­nen und Bewer­ber für eine Beschäf­ti­gung als Lot­se ein gül­ti­ges Befähigungszeugnis/Patent zum Kapi­tän sowie eine mehr­jäh­ri­ge Seefahrt-Erfahrungszeit vor­wei­sen muss­ten. Da sich aber die Anzahl deut­scher See­leu­te schon seit Jahr­zehn­ten immer wei­ter ver­rin­gert – was ins­be­son­de­re auch eine Fol­ge der geän­der­ten Natio­na­li­tä­ten­vor­schrif­ten in der Schiffsbesetzungs-Verordnung ist –, muss­ten neue Wege gefun­den wer­den, um den Bewer­ber­man­gel an Lot­sen zu kom­pen­sie­ren. Schließ­lich hängt das siche­re Funk­tio­nie­ren der mari­ti­men Wirt­schaft wesent­lich davon ab, dass jeder­zeit genü­gend erfah­ren­de Lot­sen zur Ver­fü­gung stehen.

Der­zeit sind nur noch zwei deutsche/europäische See­leu­te auf See­schif­fen in der inter­na­tio­na­len Fahrt vor­ge­schrie­ben. Die meis­ten Ree­de­rei­en beschäf­ti­gen auch kaum wei­te­re zusätz­li­che deut­sche See­leu­te. Damit fehlt es an qua­li­fi­zier­tem Seeleute-Nachwuchs, für die Lot­sen ins­be­son­de­re an Nau­ti­kern. Nach erfolg­rei­chem Stu­di­um müs­sen die ange­hen­den Schiffs­of­fi­zie­re das Befä­hi­gungs­zeug­nis aus­fah­ren. Durch­schnitt­lich benö­tigt man für den Erwerb/Ausfahren die­ses Befä­hi­gungs­zeug­nis­ses für einen Kapi­tän vier Jah­re, inklu­si­ve der Urlaubs­zei­ten. Der Nach­wuchs­man­gel bei den Lot­sen wird zudem dadurch ver­grö­ßert, dass vie­le der­zeit Akti­ve in den nächs­ten Jah­ren in ihren wohl­ver­dien­ten Ruhe­stand gehen.

See­lot­sen bera­ten die Schiffs­füh­rung beim Ein- und Aus­lau­fen an Bord der Schif­fe. Das Manö­vrie­ren in den Revie­ren zu den siche­ren Hafen­lie­ge­plät­zen hin ist häu­fig schwie­rig. Lot­sen besit­zen umfas­sen­de Revier­kennt­nis­se und Erfah­run­gen, um die gro­ßen Schif­fe sicher an die jewei­li­gen Lie­ge­plät­ze zu beglei­ten. Auch wenn welt­weit der jewei­li­ge Kapi­tän eines Schif­fes der Haupt­ver­ant­wort­li­che an Bord bleibt, ist aus Sicher­heits­grün­den in den meis­ten Revie­ren eine Lot­sen­pflicht vor­ge­schrie­ben – ein­zi­ge Aus­nah­me ist der Panama-Kanal, dort liegt die Ver­ant­wor­tung beim Lotsen.

Ris­kan­ter und ver­ant­wor­tungs­vol­ler Job:
Lot­se kommt an Bord.
Foto: eduard47 / wiki­me­dia commons

Klar ist: So lan­ge es gelingt, akti­ve See­leu­te für einen Job als Lot­se zu gewin­nen, wird man dar­auf zurück­grei­fen. Aber das wird nicht rei­chen, da sich die Ree­der bis­lang einer mas­si­ven Stei­ge­rung see­män­ni­scher Aus­bil­dung an Bord ver­wei­gern. Aus die­ser Not­la­ge gebo­ren wur­de jetzt ein neu­ar­ti­ger Aus­weg ent­wi­ckelt: eine Seelotsen-Ausbildung als eigen­stän­di­ger, vier Semes­ter dau­ern­der Bildungsgang.

Zunächst wur­de dafür das See­lots­ge­setz geän­dert, um so die Zugangs­vor­aus­set­zun­gen für die Aus­bil­dung zum See­lot­sen zu modi­fi­zie­ren. Das neue Kon­zept beinhal­tet vor allem die not­wen­di­ge Kom­pen­sa­ti­on der klas­si­schen Seefahrt-Erfahrungszeit durch eine bedarfs­ge­rech­te, pass­ge­naue Pra­xis­aus­bil­dung. Als Aus­gleich für die Kom­pen­sa­ti­on die­ser Fahr­zeit ist eine Inten­si­vie­rung der psy­cho­lo­gi­schen Eig­nungs­be­ur­tei­lung, die in der Ver­ord­nung über die see­ärzt­li­che Unter­su­chung der See­lot­sen gere­gelt ist, erforderlich.

Als Vor­aus­set­zung für die Bestal­lung zum Lot­sen ist ein ver­pflich­ten­der Mas­ter­ab­schluss Bedin­gung. Mit dem Abschluss des Gesetz­ge­bungs­ver­fah­rens gibt es nun drei ver­schie­de­ne Zugangs­we­ge zum Beruf des See­lot­sen. Es ist ein lan­ger und inten­si­ver Aus­bil­dungs­weg und die Umset­zung wird zei­gen, ob es aus­rei­chend Inter­es­sen­ten dafür gibt. Die für den Start der Aus­bil­dung zum See­lot­sen not­wen­di­gen finan­zi­el­len Mit­tel wer­den vom Bund (BMVI) in Form einer Anschub­fi­nan­zie­rung zur Ver­fü­gung gestellt. Schließ­lich oblie­gen dem Bund Vor­hal­tung und Gewähr­leis­tung des See­lots­we­sens und damit die ori­gi­nä­re Zustän­dig­keit. Künf­tig sol­len die lau­fen­den Kos­ten jedoch abge­deckt wer­den, indem den neu bestall­ten Lot­sen Antei­le ihrer Ein­nah­men abge­zo­gen wer­den. Umfas­sen­de Infor­ma­tio­nen kann man bei der Bun­des­lot­sen­kam­mer (BLK) erfra­gen und erhalten.

Das neue Mas­ter­stu­di­um der Fach­rich­tung See­lot­sen­we­sen (Mas­ter of Mari­ti­me Pilo­ta­ge) wird am Stand­ort Rostock-Warnemünde der Hoch­schu­le Wis­mar ange­bo­ten, und zwar in Koope­ra­ti­on mit der Hoch­schu­le Flens­burg sowie der Bun­des­lot­sen­kam­mer. Die ers­ten Stu­die­ren­den sind am 1. Sep­tem­ber die­ses Jah­res gestartet.

Gut gedacht – gut gemacht? In spä­tes­tens zwei Jah­ren wird man mehr wissen…

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WATERKANT-Redaktion