Gemini mischt Machtverhältnisse auf

Ende kom­men­der Woche erlebt die glo­ba­le Container-Schifffahrt ihre radi­kals­te Umstruk­tu­rie­rung seit mehr als zehn Jah­ren – und meh­re­re deut­sche Häfen sind unmit­tel­bar davon betrof­fen. Der Start des neu­es Bünd­nis­ses Gemi­ni der däni­schen Ree­de­rei Mærsk und der Ham­bur­ger Hapag-Lloyd am 1. Febru­ar dürf­te die Macht­ver­hält­nis­se der mari­ti­men Oli­go­po­le verändern. 

Wäh­rend die Kon­zen­tra­ti­on in der Bran­che wei­ter zunimmt, sor­tie­ren sich mit dem Gemini-Start die kar­tell­recht­lich umstrit­te­nen Alli­an­zen der welt­wei­ten Lini­en­schiff­fahrt neu – und dies vor allem auf der wich­ti­gen Ver­bin­dung Europa-Fernost. Die bis­he­ri­ge Num­mer Zwei der Welt­rang­lis­te, die Oce­an Alli­ance aus Frank­reichs Ree­de­rei CMA CGM, der chi­ne­si­schen Staats­ree­de­rei COSCO und Tai­wans Unter­neh­men Ever­green, bleibt als ein­zi­ges Bünd­nis in ihrer Struk­tur unver­än­dert – und über­nimmt zugleich mit 1400 Schif­fen und einer Kapa­zi­tät von 8,98 Mil­lio­nen TEU die Spitze.

Das neue Gemini-Bündnis ran­giert bis auf Wei­te­res mit etwas mehr als 1000 Schif­fen und 6,78 Mil­lio­nen TEU Kapa­zi­tät auf Platz 2, gefolgt von dem umstrit­te­nen Schifffahrts-Giganten MSC: Die welt­größ­te Ree­de­rei aus der Schweiz agiert (nach Been­di­gung des Bünd­nis­ses 2M mit Mærsk) mit der­zeit 885 Schif­fen und 6,37 Mil­lio­nen TEU Kapa­zi­tät vor­erst als Solist. Aller­dings: MSC hat der­zeit 132 Schif­fe mit mehr als zwei Mil­lio­nen TEU im Bestell­buch ste­hen, Gemi­ni nur 88 mit 1,22 Mil­lio­nen TEU – eine Umkeh­rung der Rei­hen­fol­ge ist daher absehbar.

Abge­schla­gen auf Platz 4 fin­det sich die Pre­mier Alli­ance: Das Bünd­nis aus Japans ONE, Süd­ko­re­as HMM und Tai­wans Yang Ming hieß zuvor THE Alli­ance, damals mit Hapag-Lloyd als wei­te­rem Part­ner. Nach dem Wech­sel der Ham­bur­ger zum neu­en Part­ner Mærsk blei­ben den Drei­en rund 430 Schif­fe und 3,58 Mil­lio­nen TEU Kapa­zi­tät – über künf­ti­ge neue Bin­dun­gen etwa zu MSC wird aber ange­sichts bereits ver­ein­bar­ter par­ti­el­ler Koope­ra­ti­on spe­ku­liert. Um die genann­ten Zah­len bes­ser ein­ord­nen zu kön­nen: Die Welt­con­tai­ner­flot­te zählt aktu­ell 7226 Schif­fe mit 31,65 Mil­lio­nen TEU Kapazität.

Was plant Donald Trump?

Bleibt noch zu ergän­zen, dass die Pre­mier Alli­ance momen­tan noch auf ihre kar­tell­recht­li­che Zulas­sung durch die Fede­ral Mari­ti­me Com­mis­si­on (FMC) war­tet – ohne die Zustim­mung der US-Regulierungsbehörde darf kein Schiff der neu­en Alli­anz einen US-Hafen anlau­fen. Bran­chen­ken­ner hal­ten es übri­gens für nicht aus­ge­schlos­sen, dass Prä­si­dent Donald Trump bei sei­nem Brachial-Kurs auch die FMC unter Druck set­zen und so selbst deren bis­he­ri­ge Geneh­mi­gun­gen für exter­ne Alli­an­zen in Fra­ge stel­len könn­te. Das hät­te dann eine deut­lich radi­ka­le­re Umstruk­tu­rie­rung zur Fol­ge als die jet­zi­ge, zumal eine schär­fe­re Zoll­po­li­tik Trumps sowohl bestehen­de Fahr­plä­ne als auch Fracht­ra­ten der Lini­en­ree­de­rei­en mas­siv beein­flus­sen dürfte.

Die deut­sche mari­ti­me Wirt­schaft erwar­tet von die­ser Ent­wick­lung beträcht­li­che Ver­schie­bun­gen im Con­tai­ner­um­schlag. Da die bei­den Gemini-Partner ange­kün­digt hat­ten, künf­tig vor­wie­gend Häfen mit eige­nen Terminal-Beteiligungen anlau­fen zu wol­len, rech­net man in Ham­burg mit Ein­bu­ßen: Hapag-Lloyd hält zwar noch Antei­le am HHLA-Terminal Alten­wer­der, hat aber auch von Mærsk deren Anteil am Wil­helms­ha­ve­ner Jade­We­ser­Port (JWP) über­nom­men. Den betrei­ben die Ham­bur­ger jetzt gemein­sam mit Euro­ga­te, dem Bünd­nis des pri­va­ten HHLA-Konkurrenten Euro­kai mit dem über­wie­gend staat­li­chen Bre­mer BLG-Konzern. Zwar setzt Ham­burg dem­ge­gen­über auf das Ver­spre­chen des neu­en Part­ners MSC, mehr Con­tai­ner an die Elbe zu brin­gen – aber noch ist das nur eine Zukunftsoption.

Gewin­ner könn­te neben dem JWP auch Bre­mer­ha­ven sein, wo Euro­ga­te einen Ter­mi­nal allein und je einen mit Mærsk bezie­hungs­wei­se MSC gemein­sam betreibt. Bei­de Häfen sind „hubs“ in dem von Gemi­ni kon­zi­pier­ten so genann­ten Hub-and-Spoke-System (engl. für Nabe und Spei­che): „Eige­ne“ Ter­mi­nals sind „hubs“ und fun­gie­ren als Ver­tei­ler zu klei­ne­ren Häfen, den „spo­kes“. Der seit Grün­dung schwä­cheln­de JWP hofft zudem auf Impul­se durch eine neue Direkt­ver­bin­dung mit Chi­na: Deren ers­tes Schiff wur­de in der Nacht zum Frei­tag an der Jade erwartet.

 

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WATERKANT-Redaktion