Mehr Schutz für Küstengewässer fordert der Naturschutzbund Deutschland (NABU) im Namen von mehr als 40 europäischen Umweltschutzverbänden in einem Offenen Brief an die Oslo-Paris-Kommission (OSPAR): Sie soll noch in diesem Sommer für ihre Mitgliedsstaaten ein Einleitungsverbot für Schiffsabwässer aus bordeigenen Abgaswaschanlagen, so genannten „Scrubbern“, innerhalb nationaler Hoheitsgewässer – der 12-Seemeilen-Zone – beschließen.
Es geht um ein skurriles, weil selbstgemachtes Problem: Jahrzehntelang durfte die Schifffahrt ihre Maschinen mit so genanntem Schweröl, giftig-dreckigem Raffinerieabfall, betreiben; erhebliche Luftverschmutzungen insbesondere durch Schwefel, aber auch Ruß und multiple Giftstoffe wurden hingenommen. Jahrzehntelang wurde um Verbote gerungen. Zuständig ist aber die UN-Schifffahrtsorganisation IMO, in der so genannte Billigflaggenstaaten das Sagen haben, also wurden Lösungen immer wieder verschleppt.
Vor fünf Jahren trat weltweit eine IMO-Regelung in Kraft – endlich, aber nur halbherzig: Seit 1. Januar 2020 müssen Schiffe – ökologisch unbedenkliche Antriebsarten waren und sind immer noch nur Ausnahme – entweder saubereren Treibstoff, so genannten Marinediesel, verwenden. Oder sie müssen einen der erwähnten Scrubber einbauen lassen, der die Schwefelkonzentration im Abgasstrom mit Hilfe von Wasser auswäscht. Das meiste Waschwasser jedoch landet schwefel- und schadstoffbelastet im Meer.
Es geht um Geld, um die Betriebskosten der Schifffahrt: Der nachträgliche Einbau eines Scrubbers kann leicht einen einstelligen Millionenbetrag kosten. Dafür darf dann beim Treibstoff gespart werden – Marinediesel kostet aktuell rund ein Drittel mehr als Schweröl, oft ist der Unterschied aber auch höher. Der ökologische Preis jedoch ist hoch: Das Scrubber-Abwasser enthält neben dem ausgewaschenen Schwefel auch Schwermetalle (Vanadium, Nickel, Kupfer, Eisen, Zink) sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und vergiftet so Meeresorganismen in erheblichem Maße.
Vorreiterrolle statt weiterer Untätigkeit
Dieses Problem wiederum ist seit Jahren bekannt – und wird aufgeschoben. NABU-Schifffahrtsexpertin Raija Koch mahnt im Kontext des Appells an die OSPAR nun, das Warten auf einen globalen Konsens dürfe „nicht als Ausrede für Untätigkeit dienen“. In dem Offenen Brief wird die OSPAR, zwischenstaatliche maritime Organisation der 15 Nordostatlantik-Anrainer, aufgefordert, eine Vorreiterrolle einzunehmen „und die Vorsorgeprinzipien und den Schutz der marinen Ökosysteme in den Mittelpunkt zu stellen“. 14 Organisationen haben den Brief unterzeichnet, neben dem NABU unter anderem auch die Föderation „Seas at Risk“ (SAR), die ihrerseits mehr als 30 Verbände vertritt.
Einzelstaatliche Vorreiter gibt es bereits. So hat Dänemark ein gesetzliches Einleitungsverbot für Scrubber-Abwässer in seine eigenen Küstengewässer verhängt, das ab Juli dieses Jahres in Kraft tritt; Schweden ist diesem Vorgehen gefolgt. Internationale Studien ebenso wie etwa das Umweltbundesamt plädieren seit langem für entsprechende Maßnahmen. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge fahren heute 25-33 Prozent der weltweiten Bestandsflotte noch immer mit Scrubbern und Schweröl. Wiederholt hat der NABU vor allem die globale Kreuzschifffahrt kritisiert, die „ihren Klimaschutzversprechen bisher kaum Taten folgen“ lasse. Die weltgrößte Reederei MSC aus Genf steht nicht nur wegen ihrer Kreuzfahrt-, sondern auch bezüglich ihrer Containerflotte in der Kritik, weil sie selbst Neubauten mit Scrubbern ausstatten lässt statt andere Antrieb zu bevorzugen.