Nationale Meereskonferenz“ unter Druck

Kabel­tras­sen gefähr­den das Welt­na­tur­er­be Wat­ten­meer“ – Neun Natur­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen und Bür­ger­initia­ti­ven haben sich mit einem gemein­sa­men Appell an die am kom­men­den Diens­tag in Ber­lin begin­nen­de ers­te Natio­na­le Mee­res­kon­fe­renz gewandt. Zwar sei Offshore-Windenergie ein „wich­ti­ger Bei­trag zur Ener­gie­wen­de“, aber mit den aktu­ell fest­ge­leg­ten Aus­bau­zie­len „nicht natur­ver­träg­lich umsetzbar“. 

Einer­seits ist die Erklä­rung nach­voll­zieh­bar, denn das Bepflas­tern der Nord­see mit gigan­ti­schen Roto­ren­fel­dern sowie die fol­gen­rei­chen Anstren­gun­gen, den auf See pro­du­zier­ten Strom weit ins Bin­nen­land zu trans­por­tie­ren, sind bekannt­lich nicht unum­strit­ten. Umwelt­ver­bän­de wie NABU, BUND und WWF kri­ti­sie­ren nun gemein­sam mit regio­na­len Akteu­ren wie etwa dem Mell­um­rat (Varel-Dangast) oder Initia­ti­ven aus Cux­ha­ven und Emden, der Aus­bau der Offshore-Kapazitäten erfol­ge „der­zeit ohne Prü­fung natur­ver­träg­li­cher Alter­na­ti­ven und teil­wei­se ohne Raum­ord­nungs­ver­fah­ren“. Damit droh­ten mas­si­ve Ein­grif­fe in ein Gebiet, das nach natio­na­len und inter­na­tio­na­len Ver­trä­gen – als Natio­nal­park, Natura-2000-Gebiet, UNESCO-Weltnaturerbe oder RAMSAR-Gebiet – unter viel­fäl­ti­gem Schutz stehe.

Update 5. Mai 2025: Auch die heu­ti­ge Pres­se­mit­tei­lung der Gesell­schaft zur Ret­tung der Del­phi­ne (GRD) soll in die­sem Kon­text nicht uner­wähnt bleiben. 

Ande­rer­seits ist der Auf­ruf inso­fern bemer­kens­wert, als er sich an einen Kon­gress rich­tet, an dem meh­re­re der unter­zeich­nen­den Ver­bän­de aktiv betei­ligt (und wei­te­re mut­maß­lich teil­neh­mend) sind: Die Natio­na­le Mee­res­kon­fe­renz des Bun­des­um­welt­mi­nis­te­ri­ums soll Poli­tik und Par­tei­en, Behör­den und For­schung, Lob­by­is­ten und Zivil­ge­sell­schaft zusam­men brin­gen, um unter dem Mot­to „Leben­di­ge Mee­re“ zwei Tage lang über Mee­res­schutz und „natur­ver­träg­li­che blaue Wirt­schaft“, Kli­ma­schutz, Schutz­ge­bie­te und „sau­be­re Mee­re“ zu diskutieren.

Mee­res­schutz auf Abstellgleis?

Intak­te Mee­re“, hieß es im Novem­ber 2021 im Koali­ti­ons­ver­trag von SPD, Grü­nen und FDP, „sind maß­geb­lich für Kli­ma­schutz und Bio­di­ver­si­tät“. Ange­kün­digt wur­den daher „eine Mee­res­of­fen­si­ve zum Schutz der Mee­res­na­tur, … eine kohä­ren­te und ver­bind­li­che Mee­res­stra­te­gie, … eine Mee­res­ko­or­di­na­ti­on unter Lei­tung eines Mee­res­be­auf­trag­ten … und … eine Natio­na­le Mee­res­kon­fe­renz“. Nun, die „Ampel“-Koalition ist bekannt­lich Geschich­te. Einen Koor­di­na­tor hat­te man 2022 mit Sebas­ti­an Unger immer­hin eta­bliert, nur könn­te sein Auf­tritt auf dem heu­ti­gen Kon­gress sein letz­ter in die­sem Amte sein. Über „Mee­res­of­fen­si­ve“ und „Mee­res­stra­te­gie“ ist zwar debat­tiert wor­den, hat es bis Som­mer 2024 auch Work­shops gege­ben – aber aus der dama­li­gen Pla­nung, Anfang die­ses Jah­res das Kabi­nett dar­über ent­schei­den zu las­sen und die­se Ergeb­nis­se heu­te vor­zu­stel­len, ist dann wohl wegen „Ampel-Aus“ nichts gewor­den. Also sucht man im aktu­el­len Pro­gramm­fly­er der Kon­fe­renz ver­geb­lich nach Ankün­di­gun­gen den Mee­res­um­welt­schutz för­dern­der Beschlüsse.

Es bleibt poli­tisch unklar, war­um die­ser Kon­gress über­haupt tagt. Sicher lässt das brei­te Spek­trum fach­lich kom­pe­ten­ter und enga­gier­ter Teil­neh­men­der auf­schluss­rei­che Refe­ra­te und Debat­ten erwar­ten. Aber ange­sichts des zeit­gleich mit dem Kon­fe­renz­be­ginn an ande­rer Stel­le in Ber­lin statt­fin­den­den Regie­rungs­wech­sels wird nichts davon ver­bind­lich sein kön­nen. Inso­fern wird nicht nur der ein­gangs erwähn­te Appell der neun Ver­bän­de lei­der ver­puf­fen – auch dürf­ten Impul­se wie das ange­kün­dig­te Video­gruß­wort des fran­zö­si­schen Prä­si­den­ten Macron eher das Zeug haben, den Anspruch „Mee­res­schutz“ zu ato­mi­sie­ren statt ihn vor­an zu bringen.

Es gibt bekannt­lich seit einem Vier­tel­jahr­hun­dert das Instru­ment der „Natio­na­len Mari­ti­men Kon­fe­renz“ (NMK) des jewei­li­gen Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums (BMWK), tra­di­tio­nell eher auf Nut­zung mari­ti­mer Res­sour­cen als auf Mee­res­schutz fokus­siert. Viel­leicht war ja 2021 die heu­ti­ge „Mee­res­kon­fe­renz“ als Gegen­pol gedacht – die 14. NMK hät­te eigent­lich kom­men­de Woche in Emden statt­fin­den sol­len. Aber die ist Ende 2024 vom BMWK nach Schei­tern der Ampel auf unbe­stimmt ver­scho­ben worden.

 

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WATERKANT-Redaktion