Wattenmeer-Experten nicht nur der Nationalparkverwaltungen zeigten sich besorgt, als im Rahmen des 29. Meeresumweltsymposiums des BSH Anfang dieser Woche ein Schreiben von vier Umweltverbänden an die UNESCO erwähnt wurde: Der Weltnaturerbe-Status des Wattenmeers möge überprüft werden.
Vier im schleswig-holsteinischen Wattenmeer tätige Umweltverbände sind Ende Mai aktiv geworden: Die Schutzstation Wattenmeer (Husum), der NABU-Landesverband (Neumünster), der Verein Jordsand (Ahrensburg) und das Bündnis Naturschutz in Dithmarschen (Hemmingstedt) haben sich gemeinsam mit einem ausführlichen Schreiben an das Welterbe-Komitee der UNESCO in Paris gewandt – und darin ihre Besorgnis formuliert, die neunte Elbvertiefung könne auch die „außergewöhnlichen, universellen Werte“ des Weltnaturerbes Wattenmeer gefährden.
Die Sorge gilt vor allem der Errichtung einer so genannten Unterwasserablagerungsstätte (UWA) in der Medemrinne im Elbmündungstrichter zwischen Cuxhaven und Marne. Diese Rinne, ein bis zu zehn Meter tiefer Wattstrom, bildet die südliche Grenze des Nationalparks und UNESCO-Weltnaturerbegebiets Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Im Zuge der lange und heftig umstrittenen, nun aber höchstrichterlich genehmigten und prompt begonnenen neunten Elbvertiefung wird diese Medemrinne derzeit mittels eines aufgeschütteten starren Unterwasserdamms verschlossen, damit dahinter im weiteren Verlauf der Flussvertiefung die ausgebaggerten Schlickmassen eingelagert werden können. Nach Angabe der Verbände zeigen die Planungsunterlagen zwar, „dass das Bauwerk die Tidenströmungen im UNESCO-Weltnaturerbe verändern“ werde, dennoch habe es „keine Umweltverträglichkeitsprüfung zur Auswirkung auf die Schutzgüter des Weltnaturerbes Wattenmeer gegeben“. Auch hätten die Planfeststellungsbehörden das UNESCO-Weltnaturerbe-Komitee nicht vorab über den geplanten Eingriff informiert – obwohl Deutschland mit Annahme des Prädikats „Weltnaturerbe“ gegenüber der UNESCO die Verpflichtung eingegangen sei, das Wattenmeer „nach bestem Wissen und Gewissen gegenüber anthropogenen Schädigungen zu schützen“.
Die Verbände befürchten explizit, dass „die Watten im südlichen schleswig-holsteinischen Wattenmeer in ihrer bedeutenden Funktion als Nahrungsgebiete für Brut- und Zugvögel direkt, folgenschwer und langfristig geschädigt werden“. Dadurch sei die Artenvielfalt des Wattenmeers – „eine der größten weltweit“ – bedroht. Das UNESCO-Komitee wird explizit gebeten, den zukünftigen Weltnaturerbe-Status des schleswig-holsteinischen Wattenmeers zu überprüfen.
Am Rande des erwähnten BSH-Symposiums war deutlich zu vernehmen, dass in Kreisen der Nationalparkverwaltungen dieser Vorstoß der vier Verbände sehr ernst genommen wird – eine offizielle Stellungnahme gibt es aber bislang nicht. Allen ist bewusst, dass der 2008 vom UNESCO-Komitee aberkannte Weltnaturerbetitel für das Dresdner Elbtal als direkte Folge einer rücksichtslosen Infrastrukturpolitik zu sehen war. Eigentlich hätten die Verantwortlichen in den Nationalparkverwaltungen es sehr viel lieber gesehen, in diesem Jahr mit viel öffentlichem Aufsehen das zehnjährige Jubiläum der Verleihung des Weltnaturerbetitels für das Wattenmeer zu feiern.