Und wieder ruft die globale Schiffbauindustrie gemeinsam nach politischer Unterstützung: Massive Überkapazitäten verzerrten den Wettbewerb und führten zu drastisch sinkender Rentabilität, hieß es Ende Oktober zum Abschluss eines internationalen Gipfels führender Schiffbauer. Dabei hat die Branche mindestens teilweise selbst schuld.
Formuliert wurde dieser Appell von rund 100 Managern im italienischen Viareggio, dort hatte in diesem Jahr der so genannte JECKU-Gipfel getagt – die Abkürzung steht für die Teilnehmerrunde aus Japan, Europa, China, (Süd-)Korea und den USA. Seit mehr als zehn Jahren trifft man sich jährlich an wechselnden Orten, jedes Mal gibt es eine Schlussresolution – und jedes Jahr findet sich dort ein ähnlich klingender Appell: Stetig mahnt JECKU sowohl nationale Regierungen als auch globale Institutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO) oder die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Schiffbau benötige bessere „Rahmenbedingungen“. Schiffe seien „großartige Produkte“, die mit „Leidenschaft“ geschaffen würden, schwärmte dieses Mal der Gipfel in Viareggio. Aber zugleich leide globaler Schiffbau unter miserablen Bedingungen. Sinkende Nachfrage bei steigenden Produktionskosten drücke die Preise nach unten, immer wieder würden Werften Verträge „zu nicht nachhaltigen Preisen“ akzeptieren.
Diese Klage – ebenso wie vorangegangene – hat sowohl interne als auch externe Ursachen. Verantwortlich ist die Branche selbst, weil sie, den so genannten Gesetzen des Marktes folgend, in den Boomzeiten der globalen Handelsschifffahrt wegen ständig steigender Nachfrage um den Jahrtausendwechsel weltweit massiv Werftkapazitäten aufgebaut hatte. Dann kam die Krise von 2008, der Einbruch auf den Werften erfolgte um einige Jahre verzögert, zunächst mussten ja die prallen Auftragsbücher abgearbeitet werden.
Vor 2000 hatte die globale Neubauablieferung pro Jahr, langsam steigend, noch unter der 20-Millionen-Grenze gelegen – bemessen in „compensated gross tons“ (CGT), einer von der OECD vorgegebenen Einheit, die Schiffsproduktion weltweit vergleichbar macht: Neben der Größe werden auch Arbeitsaufwand und damit Wertschöpfung je nach Schiffstyp berücksichtigt. Nach dem Jahrtausendwechsel verdoppelte sich der Wert bis 2008 auf 41,9 Millionen CGT und erreichte seinen Höhepunkt 2010 mit 51,6 Millionen CGT. Erst dann setzte die Wirkung der Krise ein, die globale Neubauproduktion fiel bis Ende 2018 auf 32,1 Millionen CGT.
Das aber bedeutet bekanntlich nicht, dass die Welthandelsflotte schrumpft. „Die Schifffahrt leidet unter zu vielen Schiffen, die Fracht- und Charterraten drücken“, klagt die Viareggio-Erklärung. Zurecht: Der mehrfach berichtete Verdrängungswettbewerb der Reedereien mit Überkapazitäten durch immer weitere Neubauaufträge geht ja ungebrochen weiter.
Das führt zu den externen Ursachen der Schiffbauer-Probleme: So lange Reedereien immer neue und immer größere Schiffe nachfragen, müssen Schiffbauer sich genau überlegen, wie viel Kapazität sie sich leisten können und müssen, um ein Stück vom Nachfragekuchen zu ergattern. Zahlen der OECD aus dem Jahre 2015 zeigen deutlich, dass in allen Marktsegmenten der Welthandelsflotte – Massengutfrachter, Tanker, Containerschiffe – mit stetig weiterem Wachstum mindestens bis 2035 gerechnet wird. Also darf Kapazitätsabbau nicht allzu drastisch ausfallen. Zudem bedingt die in jüngster Zeit auch bei Reedereien langsam durchsickernde Erkenntnis drohenden Klimawandels künftig zusätzlichen Werftbedarf: Es müsse klar sein, so die JECKU, dass „nachhaltige Schifffahrt … enorme Investitionen“ erfordere samt „massiver Aufstockung der Ressourcen“ – das ist das Gegenteil von Kapazitätsabbau.
Seit Jahrzehnten wird global um Marktverzerrungen durch staatliche Subventionen gestritten. Immer wieder haben etwa die Europäer gegen Südkorea oder Taiwan bei der WTO geklagt, die aber auf Grund ihrer eigenen Regeln oft machtlos ist. Aktuell streiten Japan und Südkorea, während China die Fusion der beiden größten nationalen Werften und Südkorea die Übernahme von Daewoo durch Hyundai vorantreibt. Immer verbunden mit hohen Subventionen, wie sie auch in Europa lange üblich waren und teilweise (als „Forschungsmittel“ etikettiert) noch sind. Die langjährige Marktteilung – Massenproduktion großer und größter Frachter in Asien, Spezial- und Kreuzfahrtschiffbau in Europa – gerät ins Wanken: Die Überkapazitäten in Fernost führen dazu, dass China beispielsweise in diesen Bereich einzudringen versucht. Das dürfte Folgen für hiesige Werften haben und erklärt deren Ruf nach globalen Abkommen für fairen Wettbewerb. Wie das ins aktuelle Zanken um Handelskriege passt, weiß offenbar auch JECKU nicht.
(Das Original der Resolution kann hier heruntergeladen werden.)