Niedersachsens Seehäfen haben im Jahre 2019 rund 53,5 Millionen Tonnen Seegüter umgeschlagen. Auf ihrer Jahrespressekonferenz in Oldenburg feierten sie sich für einen Zuwachs von rund sieben Prozent gegenüber 2018 (rund 50 Millionen Tonnen): Das überträfe »das herausragende Ergebnis des Jahres 2017« (53,4 Millionen Tonnen) und sei »das beste Ergebnis seit der globalen Finanzkrise im Jahre 2008«. – Dumm nur, dass diese Zahlen nur die halbe Wahrheit widerspiegeln.
Der mehr als zehn Jahre zurückreichende Vergleich, den Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU), die Hafenmarketinggesellschaft »Seaports Niedersachsen« sowie die staatliche Hafenverwaltung »Niedersachsen Ports« den Medien präsentierten, ist in gewisser Weise skurril: Zwar konnten die neun landeseigenen Seehäfen – Brake, Cuxhaven, Emden, Leer, Nordenham, Oldenburg, Papenburg, Stade und Wilhelmshaven – Anfang 2009 für das krisenauslösende Vorjahr noch 62,326 Millionen Tonnen Umschlag bilanzieren; dieser Wert sackte dann in 2009 auf 52,240 Millionen Tonnen ab. Schaut man aber genauer hin, stellt man zum einen fest, dass schon der 2008er Wert einen Einbruch markiert hatte – zuvor waren bereits Ergebnisse von bis zu 66,6 Millionen Tonnen erreicht worden. Zum anderen muss hier unbedingt erwähnt werden, dass in den vergangenen 15 Jahren in etlichen der Landeshäfen erhebliche Investitionen getätigt und ihre Kapazitäten so beträchtlich ausgebaut und modernisiert worden sind. Wenn aber Steuermilliarden in Flussufer und Küsten versenkt werden, ohne dass dies die Ergebnisse erheblich aufbessert, scheinen Lobeshymnen kaum angemessen.
Gerade eben hat die 2005 gegründete N-Ports ihr Jubiläum gefeiert: Man habe in den 15 Jahren »nahezu eine Milliarde Euro in den Ausbau und die Unterhaltung der Häfen investiert«. In Brake wurde die Anlage nach Norden erweitert, in Cuxhaven an der Elbmündung entstand eine Offshorebasis, Schleusen und Umschlagsanlagen wurden modernisiert, unter anderem in Emden und Wilhelmshaven; wobei hier nicht unerwähnt bleiben darf, dass die Milliarde für den Tiefwasser-Containerhafen Jade-Weser-Port von Niedersachsen nur zu einem kleineren Teil finanziert worden ist. Aktuell freut sich N-Ports darüber, dass die Landesregierung auf ihre noch vor Monaten erwogene Kürzung der Zuschüsse verzichtet; 2020 könnten so rund 40 Millionen Euro in die Landeshäfen investiert werden. Und Althusmann betonte bereits jetzt, es sei geplant, diese Höhe auch 2021 beizubehalten.
Und wofür? Es ist unstrittig, dass ein Wert von sieben Prozent Wachstum gegenüber dem Vorjahr sich politisch gut verkaufen lässt, etwa zur Rechtfertigung besagter Investitionen. Untersucht man das aber genauer, zeigt sich schnell, dass auch in den Teilergebnissen einzelner Häfen oder Güterarten viel schöngeredet wird. Zwei Beispiele: Wenn für Cuxhavens Umschlag von »festem Massengut«, was unter anderem Baustoffe meint, für 2019 ein Umschlagsergebnis von 1,02 Millionen Tonnen verkündet wird – ein stolzes Plus von 167 Prozent gegenüber dem Vorjahr –, dann lohnt ein Blick weiter zurück: Während für diese Güterart nämlich 2018 ein Umschlag »fast auf Vorjahresniveau« festgestellt worden war, hatte es in jenem Jahr 2017 gegenüber 2016 ein dickes Minus gegeben. Gründe für derartiges Auf und Ab, das zeigen die Jahresberichte selbst auf, sind unter anderem »unterschiedliche Bautätigkeiten (…) in den jeweiligen Jahren«; zu nennen wäre etwa die Errichtung des Siemens-Gamesa-Werks für Offshorewindkraft oder das »Geschenk« der öffentlichen Hand an den Investor, die Eigeninvestition »Offshorebasis«.
Auch ein Wachstum von 21 Prozent für »flüssiges Massengut« in Wilhelmshaven klingt nach Erfolg, meint aber nur, dass nach dem Vorjahreseinbruch beim Rohölumschlag – vor allem wegen des Niedrigwassers auf dem Rhein als Zufahrt zu den Hinterland-Raffinerien – 2019 eine Art Normalisierung eingetreten ist. Dumm nur, dass die sogenannte Energiewende unter anderem mit einem Ausstieg aus der Kohleverstromung einhergeht und demzufolge zu »stark reduzierten Mengen« beim Kohleumschlag führt.
Der Jade-Weser-Port übrigens ist auch in seinem mittlerweile siebten Jahr nicht recht voran gekommen: Der auf eine Kapazität von 2,7 Millionen TEU (Maß für einen Standardcontainer) ausgelegte Hafen verbuchte 2019 mit 639.084 TEU ein Minus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr – was Betreiber und die Eignerländer Bremen und Niedersachsen nicht hindert, die Planung der nächsten Ausbaustufe fortzusetzen.
Dieser Artikel ist in ähnlicher Form am 14. Februar 2020 in der Tageszeitung „junge Welt“ erschienen