Tiefe Kratzer fürs LNG-Image

Über die Ver­wen­dung von Flüs­sig­erd­gas (LNG) in der glo­ba­len Han­dels­schiff­fahrt hat WATERKANT schon oft berich­tet. Jetzt fügt eine aktu­el­le Stu­die aus den USA dem gehyp­ten Öko-Image von LNG tie­fe Krat­zer zu: Die Ver­wen­dung als angeb­lich umwelt­freund­li­cher Schiffs­kraft­stoff füh­re zu 70–82 Pro­zent höhe­ren Emis­sio­nen von Treib­haus­gas als Marinediesel. 

Der Natur­schutz­bund Deutsch­land (NABU) publi­zier­te eine Unter­su­chung des Inter­na­tio­nal Coun­cil on Clean Trans­por­ta­ti­on (ICCT), nach der »die Ver­wen­dung von LNG die Kli­ma­wir­kung der Schiff­fahrt im Ver­gleich zu Mari­ne­die­sel tat­säch­lich ver­schlech­tern kann«. Wohl­ge­merkt: Mit »Marine­diesel« ist ein dem übli­chen Heiz­öl ähn­li­cher Stoff gemeint, der Schwe­fel­an­tei­le zwi­schen 1,5 und weni­ger als 0,1 Pro­zent auf­weist – im Unter­schied zum Schwer­öl mit mehr als 3,5 Pro­zent Schwe­fel­ge­halt. Die gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­ti­on ICCT mit Haupt­sitz in Washing­ton (D. C.) sowie Depen­dan­cen in San Fran­cis­co und Ber­lin erlang­te vor eini­gen Jah­ren welt­wei­te Berühmt­heit durch die Auf­de­ckung des VW-Abgasskandals.

Das ver­nich­ten­de Urteil des ICCT basiert laut NABU auf einer Lang­zeit­un­ter­su­chung von Treib­haus­gas­emis­sio­nen aus Schiffs­kraft­stof­fen über einen Zeit­raum von 20 Jah­ren und schließt dabei die unbe­ab­sich­tig­te Frei­set­zung von extrem kli­ma­schäd­li­chem Methan aus Schiffs­mo­to­ren, den so genann­ten Methan­schlupf, mit ein. Nach Ansicht von Kli­ma­for­schern gilt Methan wegen sei­nes etwa 30mal höhe­ren Treib­haus­po­ten­ti­als als CO2 als beson­ders schäd­lich – und LNG besteht haupt­säch­lich aus Methan. NABU-Schifffahrtsexperte Sön­ke Die­se­ner bezeich­ne­te den der­zeit in der See­fahrt gras­sie­ren­den LNG-­Hype als einen »schäd­li­chen Irr­weg«, der nach den ICCT-Ergebnissen auch als »Brü­cken­tech­no­lo­gie« nicht tau­ge. Nach Anga­ben der Umwelt­or­ga­ni­sa­ti­on zeig­ten ver­schie­de­ne Sze­na­ri­en, dass die Treib­haus­gas­emis­sio­nen des inter­na­tio­na­len See­ver­kehrs bis 2050 »von der­zeit drei Pro­zent auf 17 Pro­zent der glo­ba­len Treib­haus­gas­emis­sio­nen« stei­gen könn­ten. Die­ser Anteil wür­de aber noch höher aus­fal­len, wenn ver­stärkt LNG als Schiffs­treib­stoff ver­wen­det wür­de. Und eben das ist zu befürch­ten, weil etwa so genann­te Dual-Fuel-Viertakter zu den belieb­tes­ten Schiffs­mo­to­ren zähl­ten – Maschi­nen, in denen der Ver­bren­nungs­luft eines Die­sel­mo­tors LNG bei­gemischt und so die Men­ge ein­ge­setz­ten Die­sel­kraft­stoffs redu­ziert wer­den kann.

Die ICCT-Studie müs­se ein Warn­si­gnal für die IMO sein, kom­men­tier­te NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Mil­ler die neu­en Erkennt­nis­se. Die UN-Organisation müs­se drin­gend han­deln und »alle Treib­haus­gas­emis­sio­nen« in ihre 2018 ver­ein­bar­te Stra­te­gie zur Emis­si­ons­re­du­zie­rung ein­be­zie­hen. Und Die­se­ner for­dert, heu­te getä­tig­te Inves­ti­tio­nen der Schiff­fahrts­bran­che müss­ten »kon­se­quent in kli­ma­freund­li­che Antriebs­tech­no­lo­gien flie­ßen«. Ins­be­son­de­re »höhe­rer Effi­zi­enz, Wind­un­ter­stüt­zung, Bat­te­rien, Brenn­stoff­zel­len und syn­the­ti­schen Kraft­stof­fen aus erneu­er­ba­rem Strom« gehö­re die Zukunft.

Der inter­na­tio­na­le Lob­by­ver­band »Sea-LNG«, der Flüs­sig­gas als Schiffs­kraft­stoff unter ande­rem mit dem Slo­gan »Unse­re Null­emis­si­ons­zu­kunft beginnt jetzt« bewirbt, reagier­te ein­ge­schnappt auf die Prä­sen­ta­ti­on der ICCT-Studie: »Wir wur­den vor der Ver­öf­fent­li­chung nicht kon­tak­tiert«, maul­ten die Lob­by­is­ten in einer Pres­se­mit­tei­lung von Anfang Febru­ar, man wer­de eini­ge Zeit brau­chen, um den Bericht ein­ge­hend zu über­prü­fen. Was den Ver­band aber nicht dar­an hin­dert fest­zu­stel­len, dass der Ein­satz von LNG »die Treib­haus­gas­emis­sio­nen aus dem See­ver­kehr redu­zie­ren« und »eine soli­de Grund­la­ge für eine emis­si­ons­freie Schiff­fahrts­in­dus­trie schaf­fen« werde…

Die­ser Arti­kel ist in ähn­li­cher Form am 18. Febru­ar 2020 in der Tages­zei­tung „jun­ge Welt“ erschienen.

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WATERKANT-Redaktion