Der nächste Brückenkopf: Chinesen an der Jade

Die Volks­re­pu­blik Chi­na setzt ihre Poli­tik, sich in Euro­pas Wirt­schaft ein­zu­kau­fen fort und eta­bliert sich nun auch an der Jade: Ein Ver­trag mit einem chi­ne­si­schen Inves­tor soll dem kon­ti­nu­ier­lich unaus­ge­las­te­ten Jade­We­ser­Port (JWP) ein Stück jenes Auf­schwungs brin­gen, der schon wie­der­holt ver­spro­chen und nie rea­li­siert wurde. 

Nach einer Pres­se­mit­tei­lung des nie­der­säch­si­schen Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums von heu­te hat der Staats­kon­zern Chi­na Logi­stics einen Erb­bau­rechts­ver­trag unter­zeich­net, der es ihm erlaubt, 99 Jah­re lang über 20 Hekt­ar Flä­che des JWP-Güterverkehrszentrums zu ver­fü­gen. Chi­na Logi­stics – „eines der größ­ten chi­ne­si­schen Logis­tik­un­ter­neh­men“ – will den Anga­ben zufol­ge dort rund 100 Mil­lio­nen Euro inves­tie­ren und bis zum kom­men­den Jahr „das Logis­tik­zen­trum ‚Chi­na Logi­stics Wil­helms­ha­ven Hub‘ mit 40.000 Qua­drat­me­tern Hal­len­flä­che und 110.000 Qua­drat­me­tern unge­deck­ter Lager­flä­che für den Umschlag chi­ne­si­scher Waren“ errich­ten; spä­ter soll in einem zwei­ten Bau­ab­schnitt eine 20.000-Quadratmeter-Halle hin­zu­kom­men. Über den neu­en Hub sol­len schwer­punkt­mä­ßig Tei­le und Zube­hör für Kraft­fahr­zeug­pro­duk­ti­on sowie Stein­wa­ren, Lebens­mit­tel und Kon­sum­gü­ter impor­tiert, zwi­schen­ge­la­gert und ver­teilt wer­den. 350 neue Arbeits­plät­ze soll das mit sich brin­gen und – laut Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um – dem JWP „lang­fris­tig“ einen Mehr­um­schlag von jähr­lich rund 100.000 TEU bescheren.

Stopp! Spä­tes­tens bei die­ser Zahl gilt es ein­zu­ha­ken: Bekannt­lich ist der JWP aus­ge­legt auf eine Kapa­zi­tät von 2,7 Mil­lio­nen TEU – eine fer­ne Ziel­mar­ke, die er seit Inbe­trieb­nah­me 2012 zu nicht ein­mal einem Vier­tel erreicht hat. Für das ver­gan­ge­ne Jahr muss­te mit 639.084 TEU sogar ein Umschlags­mi­nus von drei Pro­zent gegen­über dem Vor­jahr bilan­ziert wer­den. Selbst ein Plus von 100.000 TEU bräch­te den Hafen also nicht annä­hernd an sei­ne Plan­gren­zen – zumal „lang­fris­tig“ bei einem 99-Jahre-Pakt ein dehn­ba­rer Begriff ist.

Nichts hat bis­lang an dem anhal­ten­den Miss­erfolg des für rund eine Mil­li­ar­de Euro Steu­er­geld in die Jade geramm­ten Hafens etwas ändern kön­nen: Kein Ver­trag mit markt­be­herr­schen­den Reederei-Allianzen, Deutsch­lands ein­zi­gen Tief­was­ser­ha­fen in die Fahr­plä­ne der welt­größ­ten Con­tai­ner­schif­fe auf­zu­neh­men; auch nicht die Eini­gung mit dem Tief­kühl­lo­gis­ti­ker Nord­frost, nach lan­gem Streit sei­nen Ter­mi­nal am JWP nicht nur fer­tig zu bau­en, son­dern eini­ge Jah­re spä­ter sogar zu erwei­tern. Und auch als im Früh­jahr vori­gen Jah­res nach nur neun Mona­ten Bau­zeit ein neu­es VW-Logistikzentrum – vier Hal­len­kom­ple­xe mit rund 40.000 Qua­drat­me­tern Flä­che auf einem Zehn-Hektar-Areal für einen zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag – ein­ge­weiht wur­de und für 500 neue Arbeits­plät­ze sor­gen soll­te, änder­te das wenig an der unbe­frie­di­gen­den Gesamt­si­tua­ti­on. Im Gegen­teil: Im Herbst 2019 kün­dig­te Hafen­be­trei­ber Euro­ga­te an, zum einen etli­che befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge nicht ver­län­gern und zum ande­ren die geplan­te Ein­stel­lung 200 wei­te­rer Mit­ar­bei­ter zurück­neh­men zu wol­len. Trotz­dem betrei­ben Nie­der­sach­sen und Bre­men als Eig­ner des Hafens die Pla­nung einer kapa­zi­täts­er­wei­tern­den zwei­ten Aus­bau­stu­fe, natür­lich auch Steuerzahler-Kosten.

Nie­der­sach­sens Wirt­schafts­mi­nis­ter Bernd Alt­hus­mann (CDU) ver­kün­det amt­li­chen Jubel und nennt die Unter­zeich­nung des Erb­bau­rechts­ver­tra­ges mit den Chi­ne­sen einen „groß­ar­ti­gen Erfolg für Wil­helms­ha­ven“, der die „inter­na­tio­na­le Bedeu­tung des Jade­We­ser­Ports und des mari­ti­men Stand­orts Nie­der­sach­sen“ unter­strei­che. Und selbst­ver­ständ­lich erwar­tet er „eine Signal­wir­kung für wei­te­re Ansied­lun­gen“ sowie „posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen auch auf die Lini­en­diens­te“ der gro­ßen Reedereien.

Lau­tes Pfei­fen auf lee­rer Kaje? Schon 2011, also noch vor der mehr­fach ver­zö­ger­ten Eröff­nung des JWP, jubi­lier­te die „Wil­helms­ha­ve­ner Zei­tung“, dass „einer der ange­se­hens­ten Logis­tik­ex­per­ten Chi­nas, Prof. Wang Del­fong“ als Ehren­gast einer Eurogate-Veranstaltung in Bei­jing den künf­ti­gen Jade­We­ser­Port über alle Maßen gelobt habe. Jetzt offen­bar­te JWP-Marketingchef Andre­as Bull­win­kel, man habe „rund fünf­ein­halb Jah­re mit den chi­ne­si­schen Part­nern über die Ansied­lung ver­han­delt.“ Das führt zu der Fra­ge, was der Erb­bau­rechts­ver­trag für den Fall des Schei­terns vor­sieht? Denn im Prin­zip hat ja der Erb­bau­be­rech­tig­te, also Chi­na Logi­stics, Anspruch, vom Grund­stücks­ei­gen­tü­mer, also JWP, für Gebäu­de und Supra­struk­tur ent­schä­digt zu werden.

Eine ande­re Befürch­tung äußer­te am Wochen­en­de ein Mit­glied der Wil­helms­ha­ve­ner Initia­ti­ven, die sich sei­ner­zeit ver­geb­lich gegen den Bau des neu­en Hafens gestemmt hat­ten: „Mal gucken, wann die Chi­ne­sen das Mil­li­ar­den­grab JWP kom­plett über­neh­men und dann ihre Mit­ar­bei­ter mit­brin­gen – Pirä­us lässt grüßen.“

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WATERKANT-Redaktion