Vertreter von 13 Staaten haben bei einem virtuellen maritimen Gipfel die Lage der Seeschifffahrt in Zeiten der Corona-Pandemie erörtert – und versichert, die dringenden Probleme der rund 200.000 in Häfen und auf Schiffen festsitzenden Seeleute anpacken zu wollen. Das sieht der maritime Online-Report „Splash 24/7“ aus Singapur anders – er ätzte, das Treffen sei ein „Mannschaftswechsel-Blah-Blah“ gewesen.
Auf Initiative Großbritanniens hatten sich Regierungsvertreter Dänemarks, Frankreichs, Deutschlands, Griechenlands, Indonesiens, der Niederlande, Norwegens, der Philippinen, Saudi-Arabiens, Singapurs, der Vereinigten Arabischen Emirate und der USA mit der Situation von Schiffsbesatzungen in Pandemie-Zeiten befasst: Weltweit sitzen derzeit Seeleute in Häfen und auf Schiffen ohne Ablösung fest, wochen- und monatelang – teils kommen sie wegen der Sicherheitsbestimmungen zur Corona-Eingrenzung nicht von Bord, teils finden sie aus eben diesem Grunde keinen Flieger, der sie zu ihren Familien nach Hause bringt, oder ihre Ablösung kann nicht anreisen. Da die Reeder aber teurere, aufwendigere Modi des Crewwechsels nicht bezahlen wollen, müssen zigtausende Seeleute ohne Erholung monatelang weiterfahren – weit länger, als ihre Verträge es vorsehen. Seit Monaten fordern ITF, Seemannsmissionen und NGO die verantwortlichen Staaten und Schiffseigner zum Handeln auf.
Die Sorge der 13 Staaten hat aber primär nichts mit den Menschen an Bord zu tun, sondern gilt dem Funktionieren der globalen Lieferketten. Zwar räumen die 13 den Seeleuten endlich die schon lange angemahnte „Schlüsselfunktion“ ein. Sie anerkennen sogar ein „Versäumnis der Regierungen bei der Problemlösung“ sowie die „Unfähigkeit der Schiffsbetreiber, weltweit Besatzungswechsel durchzuführen“. Sie unterstreichen die Bestimmungen des Seearbeitsübereinkommens (Maritime Labour Convention, MLC) und betonen sowohl die humanitären Probleme als auch die Risiken, dass Übermüdung und psychische Probleme zu schweren Unfällen auf See und in den Häfen führen könnten. Womit der Kreis sich schließt: Hauptsache ist, dass der Verkehr „flutscht“.
Das Schlussdokument bleibt insgesamt rechtlich unverbindlich: Da wird die gegenseitige Anerkennung von Dokumenten und Visa angemahnt, obwohl das im Grundsatz in internationalen Abkommen geregelt ist. Ungehinderter Besatzungswechsel auch unter Quarantänebedingungen und anderen Gesundheitsvorschriften wird zwar als unerlässlich bezeichnet, es werden alle Mitglieder der UN-Schifffahrtsorganisation IMO aufgefordert, Seeleuten sicheren Personalwechsel und reibungslose Heimatrückkehr zu gewährleisten – konkrete Maßnahmen fehlen jedoch. Kein Wunder, denn die 13 Staaten repräsentieren nur einen Bruchteil der globalen Schifffahrt und für deren internationale Belange zuständig ist ohnehin – die IMO. „Tiefste Anerkennung“ wird den Seeleuten immerhin ausgesprochen, gefolgt vom Versprechen entschlossenen Handelns. Guy Platten vom Weltreederverband International Chamber of Shipping (ICS) spielte diese Karte allerdings sogleich an die Regierungen zurück und konterkarierte damit das Ergebnis: Die Arbeitgeber hätten „alles in ihrer Macht Stehende getan“, Haupthindernis sei, dass viele Grenzschutz- und Gesundheitsbehörden noch immer kein Verständnis für die Bedeutung der Seeleute im globalen Handel hätten.
Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF), globaler Zusammenschluss der nationalen Verkehrs- und Logistik-Gewerkschaften, die an der Konferenz teilnehmen durfte, begrüßte das Ergebnis zwar mit höflichen Worten – ließ aber auch erkennen, dass sie die Erklärung in der Sache für unzureichend hält: ITF-Generalsekretär Stephen Cotton bedankte sich für das Engagement der 13 – und mahnte sie, endlich von der Wertschätzung der Seeleute zu konkreten Maßnahmen überzugehen: „Worte werden unsere Leute nicht von diesen Schiffen holen.“
Der Kommentator von „Splash 24/7“ wird da deutlicher: „Kein Plan, keine Strategie, kein Zeitplan oder Meilensteine, nur eine Erklärung ohne Verantwortlichkeit oder Verantwortung. Es ist vier Monate zu spät und inhaltlich weniger als nutzlos.“ Erforderlich sei „eine gemeinsame Verantwortung für die moralische und finanzielle Lösung dieser Krise“.
Dieser Text ist in ähnlicher Form auch am 17. Juli 2020 in der Tageszeitung „junge Welt“ erschienen.