Nachdem Anfang dieser Woche niederländische Fischer deutschen Behörden gemeldet hatten, ihr Netz habe sich rund 100 Seemeilen westlich von Sylt an einem gesunkenen Container verfangen, wird an der Küste erneut über die Risiken verlorener Fracht diskutiert. Heute schaltete sich auch die niederländische Küstenwache ein.
Vor knapp zwei Jahren hatte die „MSC Zoe“ vor der niederländischen Insel Terschelling sowie in angrenzenden deutschen Gewässern mehrere hundert Blechboxen verloren, die zum Teil weit verdrifteten und aufwändig in einem großen Seegebiet gesucht werden mussten. Ob der aktuelle Fall als „Spätfolge“ dieses Unglücks anzusehen ist oder ob der „Netzhaker“ durch Container eines anderen Schiffes verursacht worden ist (oder ob es völlig andere Ursachen gibt), bleibt offen. Denn das Mehrzweckschiff „Neuwerk“, das zur näheren Untersuchung ausgesandt wurde, hat seine Suche heute ergebnislos abgebrochen.
Immerhin hat der Vorfall die Debatte um Ladungsverluste neu belebt. Nach der Havarie der „MSC Zoe“ war unter anderem über den Kurs ultragroßer Containerschiffe insbesondere bei schwierigen Wetterlagen diskutiert worden. Empfehlungen, solchen Schiffen grundsätzlich eine küstenferne Route vorzuschreiben, sind aber bis heute im Schlick steckengeblieben – immer wieder werden entsprechende Forderungen abgeblockt mit dem Hinweis, das könne nur die IMO – die UN-Schifffahrtsorganisation – verordnen.
Bei Entsendung der „Neuwerk“ galt die Meldung der Fischer insoweit als glaubwürdig, als dem Schiff der Auftrag erteilt wurde, im fraglichen Seegebiet mit einem Hochauflösungs-Sonar den Meeresboden abzusuchen. Weder sei die Zahl der gesunkenen Container bekannt noch, welches Schiff sie möglicherweise verloren haben könnte; auch über ihren Inhalt wisse man folglich bislang nichts, hieß es laut Presseberichten beim zuständigen Wasser- und schifffahrtsamt (WSA) Cuxhaven.
Die niederländische Küstenwache nahm den mutmaßlichen Vorfall heute zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass sie auch weiterhin bei schlechtem Wetter Containerschiffen Kursempfehlungen geben werde. Je nach Schiffsgröße wird den Kapitänen geraten, bei Wellenhöhen von mehr als 3,3 Metern (100-200 Meter Rumpflänge) beziehungsweise 4,5 Metern (200->300 Meter) die küstenfernere Nordroute zu wählen. Man riskiere sonst ein starkes Rollen des Schiffes, dies könne dazu beitragen, dass Container über Bord gehen. Der Anruf der betreffenden Schiffe erfolgt, wenn sie den Breitengrad von Texel erreicht, das sei die geeignete Position, um sich zwischen Süd- oder Nordroute zu entscheiden. Aber auch die „Kustwacht Nederland“ betont, dies sei nur eine Empfehlung, denn man habe kein Mandat, Verkehrsanweisungen zu erteilen; der Kapitän sei nicht verpflichtet, diesen Rat zu befolgen.
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN), ein Zusammenschluss vor allem von Gebietskörperschaften, mahnte ein Umdenken an statt „nur immer mehr oder weniger ‚vernünftige‘ Wirtschaftsziele zum alleinigen Maß aller Dinge“ zu machen“ – und forderte mehr Entschlossenheit, Großcontainerschiffe aus Sicherheitsgründen aus dem küstennahen Verkehrstrennungsgebiet Terschelling-Deutsche Bucht zu verbannen. Zudem gebe es dringend weiteren Notschlepper-Bedarf – zwar habe sich das bisherige Konzept „im Wesentlichen bewährt“, es weise aber „gravierende Sicherheitslücken“ auf: Unter anderem fehlten weitere Notschlepper vor Sylt, bei Offshore-Windparks sowie auf der Unterelbe. Eine einzige folgenschwere Havarie reiche aus, das Weltnaturerbe Wattenmeer als Lebensraum für Menschen und Tiere zu zerstören.