Maritime Branche unter Druck?

Die Covid-19-Pandemie habe die mari­ti­me Bran­che „mit vol­ler Wucht“ getrof­fen, bilan­ziert die jähr­li­che so genann­te Ree­der­stu­die der Unter­neh­mens­be­ra­ter von Pri­ce­wa­ter­house Coo­pers (PwC) in ihrer aktu­el­len Aus­ga­be – rela­ti­viert aber zugleich, die Fol­gen sei­en bis­lang weni­ger hef­tig ein­ge­tre­ten als pro­gnos­ti­ziert. 

Das klingt nur auf den ers­ten Blick merk­wür­dig: Die Umfra­ge unter 95 „Top­ent­schei­dern“ deut­scher Hoch­see­ree­de­rei­en ist im Som­mer die­ses Jah­res durch­ge­führt und Ende ver­gan­ge­ner Woche ver­öf­fent­licht wor­den. Und in der Zwi­schen­zeit hat sich die Lage offen­sicht­lich ver­bes­sert. Wobei es wenig über­rascht, dass den­noch gejam­mert wird, denn die Bran­che stellt sich ger­ne und schon seit Län­ge­rem als unter Druck ste­hend dar – bekannt­lich mit dem Erfolg, seit Jahr­zehn­ten hoch­sub­ven­tio­niert agie­ren zu kön­nen. Nur die Kla­ge­grün­de wech­seln: Mal ist es Pro­tek­tio­nis­mus, mal der Kli­ma­wan­del, mal die Tarif­ver­trä­ge… – aktu­ell hat das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um soeben ange­kün­digt, das Maß­nah­men­pa­ket „zur Stär­kung der deut­schen Flag­ge“ in Höhe drei­stel­li­ger Mil­lio­nen­för­de­rung um sechs Jah­re ver­län­gern zu wol­len. Wobei Deutsch­lands Han­dels­flot­te der­zeit nur zu einem Sieb­tel unter deut­scher Flag­ge fährt, sechs Sieb­tel sind „aus­ge­flaggt“. Wenn aber PwC die „Top­ent­schei­der“ der Ree­de­rei­en befragt, dann immer auch die­je­ni­gen, die ihre Schif­fe unter einer der umstrit­te­nen Bil­lig­flag­gen fah­ren lassen.

83 Pro­zent der Befrag­ten glaub­ten im Som­mer, dass es noch in die­sem Jahr zu zahl­rei­chen Insol­ven­zen in der Bran­che kom­men wer­de. Das ist bis­lang zwar nicht ein­ge­tre­ten, aber die Pan­de­mie ist bekannt­lich noch nicht vor­bei. Folg­lich erwar­ten 80 Pro­zent auch für die kom­men­den Mona­te noch „maß­geb­li­che“ Beein­träch­ti­gun­gen ihrer Geschäfts­pro­zes­se durch Coro­na, obwohl jeweils rund die Hälf­te von stei­gen­den Charter- und Fracht­ra­ten aus­geht. Knapp zwei Drit­tel gehen davon aus, dass es zu Zusam­men­schlüs­sen kom­men wer­de – und vier von zehn Ent­schei­dern glau­ben, dass nur (wei­te­re) staat­li­che Hil­fen es den Ree­dern erlau­ben wer­den, nach der Pan­de­mie­kri­se weiterzumachen.

Etwas skur­ril liest sich, was die Stu­die über coro­nabe­ding­te Pro­ble­me beim Crew­wech­sel berich­tet. 77 Pro­zent der befrag­ten Ree­der haben laut PwC ent­spre­chen­de Schwie­rig­kei­ten fest­ge­stellt, 61 Pro­zent ver­wei­sen auf „finan­zi­el­le und per­so­nel­le Belas­tun­gen“ bei Virus­tests, Qua­ran­tä­ne und Ver­sor­gung ran­gie­ren im nied­ri­ge­ren Bereich. Aber die­se Anga­ben bezie­hen sich teils auf das ers­te Quar­tal, teils aufs ers­te Halb­jahr – in den spä­te­ren Abschnit­ten der Stu­die, die dem wei­te­ren Aus­blick und der mög­li­chen Kon­so­li­die­rung gewid­met sind, kom­men die See­leu­te nicht mehr vor. Das macht stut­zig, denn die Inter­na­tio­na­le Transportarbeiter-Föderation ITF bilan­zier­te Ende Sep­tem­ber, welt­weit säßen noch immer knapp 400.000 See­leu­te fest, hät­ten Pro­ble­me mit Mehr­ar­beit, feh­len­der Ver­sor­gung und blo­ckier­ter Heim­rei­se. Kaum zu glau­ben, dass nicht auch Schif­fe deut­scher Ree­der davon betrof­fen sind, Deutsch­land ist schließ­lich fünft­größ­te Schifffahrtsnation.

Immer wie­der ver­gleicht die PwC-Studie die aku­te Situa­ti­on der Schiff­fahrt unter Pandemie-Bedingungen mit der Lage der Bran­che im Jahr 2009, unmit­tel­bar nach der Welt­wirt­schafts­kri­se. Ob dies ein­ge­denk der sehr unter­schied­li­chen Ursa­chen und Ver­läu­fe immer gerecht­fer­tigt ist, sei dahin­ge­stellt. Fest steht, dass aktu­ell weni­ger Kapa­zi­tät abzu­bau­en ist als vor elf Jah­ren, weil in der Zwi­schen­zeit die Han­dels­ton­na­ge bereits stark dezi­miert wor­den ist. Und es ist 2020 wohl nur der Kurz­ar­beits­re­ge­lung zuzu­schrei­ben, dass nicht mehr Per­so­nal „abge­baut“ wird als damals. Aller­dings wird dies auch der zwi­schen­zeit­li­chen Digi­ta­li­sie­rung in der mari­ti­men Wirt­schaft zuge­schrie­ben, 91 Pro­zent der Befrag­ten gehen davon aus, dass die­se Ent­wick­lung sich in abseh­ba­rer Zeit noch beschleu­ni­gen wird. Zugleich erwar­ten – Stich­wort Deglo­ba­li­sie­rung – mehr als drei Vier­tel zuneh­men­de Kurzstrecken- und Regio­nal­ver­keh­re. Knapp die Hälf­te, vor­wie­gend Ent­schei­der klei­ne­rer Ree­de­rei­en, erhof­fen davon eige­ne Stärkung.

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WATERKANT-Redaktion