OECD-Kritik an Schifffahrt

Man­geln­de Trans­pa­renz und man­gel­haf­te Kon­trol­le – das sind die Kern­vor­wür­fe, die die Orga­ni­sa­ti­on für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung (OECD) gegen etli­che Schiff­fahrts­na­tio­nen erhebt. Die in einer aktu­el­len Stu­die geäu­ßer­te Kri­tik zielt auf die staat­li­chen Bei­hil­fen, mit denen Regie­run­gen in der Covid-19-Pandemie den See­ver­kehr stüt­zen wollen. 

Die Unter­su­chung stammt von der OECD-Unterorganisation „Inter­na­tio­nal Trans­port Forum“, abge­kürzt ITF – nicht zu ver­wech­seln mit der glo­ba­len Trans­port­ar­bei­ter­ge­werk­schaft, die unter dem glei­chen Kür­zel agiert. Aus­gangs­punkt der teil­wei­se def­ti­gen Kri­tik ist die Fest­stel­lung, dass staat­li­che Unter­stüt­zungs­pa­ke­te, die der Schiff­fahrt hel­fen sol­len, die Corona-Krise zu bewäl­ti­gen, zwar in vie­len For­men gewährt wür­den, „aber nor­ma­ler­wei­se ohne Bedin­gun­gen – und sel­ten auf umfas­sen­de­re poli­ti­sche Zie­le aus­ge­rich­tet“. Hier sei, so die deut­li­che Emp­feh­lung, „ein Umden­ken … erforderlich“.

Die Stu­die dif­fe­ren­ziert klar zwi­schen dem Per­so­nen­see­ver­kehr, also Fähr­diens­ten und Kreuz­fahrt­schif­fen, einer­seits und dem Fracht­see­ver­kehr ande­rer­seits. Wäh­rend Grenz­schlie­ßun­gen, Rei­se­ver­bo­te und ande­re Ein­schrän­kun­gen im Per­so­nen­ver­kehr „tief­grei­fen­de Aus­wir­kun­gen“ und „gro­ße Men­gen­ver­lus­te“ gebracht hät­ten, sei im Fracht­ver­kehr ledig­lich eine „gerin­ge­re Nach­fra­ge“ zu ver­zeich­nen gewe­sen. Bereits im Okto­ber hat­te die OECD fest­ge­stellt, dass das See­fracht­vo­lu­men im Außen­han­del der EU-27 zwi­schen Mit­te 2014 und März 2020 weit­ge­hend sta­bil gewe­sen sei und „über dem Niveau vor der Kri­se von 2008“ gele­gen habe – zwi­schen April und Juni 2020 sei die­ses Volu­men aber um nur rund vier Pro­zent gesun­ken. Ins­be­son­de­re die Con­tai­ner­schiff­fahrt habe dies durch Ver­rin­ge­rung der Schiffs­ka­pa­zi­tät sowie durch stei­gen­de Prei­se für Fracht und Char­ter aus­glei­chen kön­nen (was aktu­ell von den dadurch betrof­fe­nen Spe­di­teu­ren scharf kri­ti­siert wird). Im drit­ten Quar­tal bekannt gewor­de­ne Zwi­schen­bi­lan­zen gro­ßer Ree­de­rei­en bestä­ti­gen die­se Aus­sa­ge der OECD.

Kom­pli­ziert wird es bei der Ein­zel­be­trach­tung der natio­na­len Unter­stüt­zungs­pa­ke­te für die Schiff­fahrt: Die ITF der OECD hat eine Bestands­auf­nah­me ver­sucht, dabei aber nicht mehr als eine exem­pla­ri­sche Betrach­tung für ins­ge­samt 13 Staa­ten zustan­de gebracht – zehn euro­päi­sche plus Sin­ga­pur, Süd­ko­rea und Tai­wan. Die Stu­die geht hier von den Eigen­tums­ver­hält­nis­sen bei den Han­dels­flot­ten aus, nicht von den Flag­gen, unter denen die Schif­fe betrie­ben wer­den: Staa­ten wie Pana­ma, Libe­ria oder Antigua-Barbuda, die zu den belieb­tes­ten Bil­lig­flag­gen­staa­ten auch hie­si­ger Ree­der zäh­len, feh­len in der Über­sicht. Die Unter­su­chung kri­ti­siert deut­lich, dass sowohl die Anga­ben die­ser 13 Staa­ten unvoll­stän­dig als auch Zah­len wei­te­rer Staa­ten nicht ver­füg­bar sei­en. Es gebe „der­zeit kei­ne sys­te­ma­ti­sche Daten­er­he­bung über staat­li­che Bei­hil­fen für den See­ver­kehrs­sek­tor“. Selbst die EU-Datenbank über sol­che Bei­hil­fen ent­hiel­te nicht alle bekann­ten Unter­stüt­zungs­maß­nah­men, obwohl die EU-Mitgliedsstaaten Mel­de­pflicht hätten.

Die OECD lis­tet etli­che Emp­feh­lun­gen auf, die – wür­den sie befolgt – die mari­ti­me Indus­trie eini­ger­ma­ßen umkrem­peln könn­ten. So wird bei­spiels­wei­se ange­mahnt, die Wett­be­werbs­über­wa­chung zu inten­si­vie­ren; ins­be­son­de­re die ein­ge­räum­ten Frei­hei­ten für die Con­tai­ner­ree­de­rei­en sei­en „anfäl­lig für Miss­brauch“. Gene­rell soll­ten im mari­ti­men Sek­tor Wettbewerbs- und Beihilfe-Kontrollen brei­ter auf­ge­stellt wer­den – so wer­den etwa Ser­vice­qua­li­tät oder „öko­lo­gi­sche Per­for­mance“ als wei­te­re Indi­ka­to­ren genannt. Alter­na­tiv zu der­art schär­fe­rer Kon­trol­le könn­ten Beschrän­kun­gen für direk­te Staats­be­tei­li­gung gelo­ckert wer­den – die Stu­die ver­weist unter ande­rem auf Ham­burgs Anteil an Hapag-Lloyd. Aber auch eine Min­dest­steu­er für mul­ti­na­tio­na­le Unter­neh­men wird ange­regt, „die die Anrei­ze zur Steu­er­ver­mei­dung besei­tigt“. Schließ­lich sei­en „Markt­ver­zer­run­gen“ durch staat­li­che Seeverkehrs-Beihilfen wie die von der EU-Kommission geneh­mig­ten Ton­na­ge­steu­ern zu kor­ri­gie­ren. Die­se – in Deutsch­land seit 1998 gel­ten­de – Rege­lung ersetzt die nor­ma­le Gewinn­ver­steue­rung, der alle Unter­neh­men unter­wor­fen sind, durch ein Sys­tem klei­ner Pau­schal­be­trä­ge und begüns­tigt so Ree­der und Schiffs­eig­ner. Bei Ein­füh­rung durch die Schröder-Regierung ver­pflich­te­ten sich die deut­schen Ree­der im Gegen­zug zur Rück­flag­gung aus­ge­flagg­ter Schif­fe, haben die ent­spre­chen­den Mar­gen aber nie voll­stän­dig erfüllt.

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WATERKANT-Redaktion