„Teilweise sehr erschöpften Seeleuten, die seit Monaten auf ihre Ablösung warten, (wird) die körperlich schwere Arbeit zugemutet, Ladung zu sichern beziehungsweise zu entsichern.“ – Die Gewerkschaft ver.di mobilisiert insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie für solidarische Unterstützung in einem anscheinend nicht enden wollenden Streit.
Es geht in der seit Jahren geführten Auseinandersetzung zwischen mehreren europäischen Gewerkschaften auf der einen und etlichen Reedern und Charterern auf der anderen Seite um die Frage, wer Ladung an Bord eines Schiffes vor dem Aus- oder Einlaufen in einen Hafen sichern („laschen“) oder entsichern darf oder muss. In einer Pressemitteilung sowie in der aktuellen Ausgabe ihres maritimen Magazins WATERFRONT beschreibt die ver.di-Fachgruppe Maritime Wirtschaft das zähe Ringen um die Durchsetzung eines geltenden Tarifvertrags – verbunden mit einem deutlichen Appell auch an die Politik.
War das Laschen lange Zeit ein weithin unangefochtenes Privileg besonders ausgebildeter Hafenarbeiter, gab und gibt es in jüngerer Vergangenheit reederseitig zunehmend Bestrebungen, diese Arbeit den Seeleuten an Bord aufzuoktroyieren, um so im Hafen Zeit und Gebühren zu sparen. Der Haken an der Sache: Neben der zusätzlichen Belastung der Seeleute bedeutet das auch ein Sicherheitsrisiko für Mensch, Schiff und Meeresumwelt, weil die Vielfalt transportierter Ladung oft Spezialkenntnisse beim Laschen verlangt, die in den Häfen in der Regel vorhanden sind, bei Bordbesatzungen hingegen nicht unbedingt.
2018 hatten sich auf globaler Ebene die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) – der ver.di angehört – und der Internationale Verband maritimer Unternehmer (IMEC) auf einen Tarifvertrag geeinigt, der Laschen klar als Hafenarbeit definiert. In Kraft getreten ist dieser für die internationale Seeschifffahrt unter Billigflaggen geltende Tarif Anfang 2019, in Europa und Kanada Anfang dieses Jahres. Seither streiten die ITF und weitere europäische Gewerkschaften jedoch mit hiesigen Reedern und Charterern um die Umsetzung. Sie werfen den Arbeitgebern und hier vor allem Feeder-Reedereien, die Zu- und Ablaufverkehre zwischen großen und kleineren Häfen abwickeln, Tarifbruch vor. Nachdem im Sommer bereits ein Rotterdamer Gericht eine schnelle Umsetzungspflicht abgelehnt und laut WATERFRONT „eine umfassende gerichtliche Überprüfung der verschiedenen Sach- und Rechtsfragen“ angeordnet hatte, ist hierzulande auch ver.di vor Gericht gezogen. Ende November fand im Arbeitsgericht Hamburg eine erste Verhandlung dazu statt.
Nach wie vor werde der Wettbewerb in der maritimen Branche auf dem Rücken der Seeleute als den schwächsten Gliedern in der globalen Transportkette ausgetragen, erklärt Maya Schwiegershausen-Güth, Leiterin der ITF-Billigflaggenkampagne bei ver.di, in ihrer Pressemitteilung: „Dies ist nicht hinnehmbar.“ Der Weg vor die Gerichte sei ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung geltender Tarifverträge, notwendig sei aber auch eine politische Lösung. So könnten etwa die Hafenstädte in ihren jeweiligen Hafenordnungen „festschreiben, wie und durch wen die Lascharbeiten in deutschen Häfen durchzuführen sind“, fordert Schwiegershausen-Güth. Es gebe zwar eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Politik, Verwaltung und Gewerkschaften, die entsprechende Konzepte berate, bislang aber ohne Ergebnis. Gerade die Corona-Krise mit nach wie vor eklatanten Problemen beim Austausch von Schiffsbesatzungen mache die Lösung dieses Problems besonders dringend.