Zum Jahresende gibt es an der Nordseeküste wieder einmal heftigen Streit um den Wilhelmshavener Tiefwasserhafen „JadeWeserPort“ (JWP). Das Gemeinschaftsprojekt der Bundesländer Niedersachsen und Bremen droht ins Wanken zu geraten, weil in Bremen angesichts fortlaufenden Zuschussbedarfs „grundsätzlich eine Beendigung der bremischen Beteiligung“ erwogen wird – diese zurückhaltende Formulierung in einer Beschlussvorlage der Landesregierung (Senat) hat für erhebliche Unruhe gesorgt.
Nun ist die Geschichte des JWP ohnehin eine Aneinanderreihung von Pleiten, Pech und Pannen; von „Geisterhafen“ und „Prestige-Projekt“ war bereits mehrfach die Rede. In den 1990ern war die Idee entstanden, an das knapp 18 Meter tiefe Fahrwasser der Jade eine neue Kaje zu bauen. Sie sollte angesichts des anhaltenden Wachstums der Containerschiffe mit ihren immer größeren Tiefgängen die bestehenden Interkontinentalhäfen in Bremerhaven und Hamburg ergänzen. Das scheiterte so zunächst an den Elb-Hanseaten, die lieber ihre jüngste Elbvertiefung durchpauken als sich mit der Weser-Konkurrenz partnerschaftlich einigen wollten: Einem Tiefwasserhafen an der Elbmündung in Cuxhaven hätte man ja noch zugestimmt – nicht aber an der Jade.
Also blieb es bei einem Zwei-Länder-Projekt: 50,1 Prozent Niedersachsen, 49,9 Prozent Bremen. Seither begleiteten Negativschlagzeilen das Vorhaben – gekennzeichnet von einem mehrjährigen Chaos aus Planungsmängeln, Ausschreibungsgezerre und Ausführungsfehlern. Erst im September 2012 konnte schließlich der neue Terminal in Betrieb genommen werden. Ausgelegt ist er für einen Umschlag von 2,7 Millionen Standardcontainern (TEU) pro Jahr – rund 700.000 TEU sollten im ersten Jahr, 2013, erreicht werden, tatsächlich waren es laut amtlicher Statistik 76.265 TEU. Zwar ging es in den Folgejahren ganz leicht aufwärts, die 700.000er-Marke wurde bislang in keinem Jahr auch nur annähernd erreicht.
Das hat übrigens die politisch Verantwortlichen in Niedersachsen nie daran gehindert, schon seit Jahren immer wieder über eine Terminal-Erweiterung zu phantasieren und für deren Planung auch Steuergeld auszugeben. Einschließlich eines erst 2019 beendeten Rechtsstreits um den Hafenbau wurden bislang mehr als eine Milliarde Euro im Jadeschlick versenkt. Auch Beanstandungen des Landesrechnungshofs über Teilsummen wie langfristig überhöhte Mietzahlungen blieben folgenlos. Kein Wunder also, wenn die genannte bremische Senatsvorlage jetzt – wenngleich ohne jede Selbstkritik – feststellt, die wirtschaftliche Entwicklung sei „hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück“ geblieben.
Anlass des aktuellen Streits indes sind die Kosten für die Unterhaltungsbaggerungen im Jade-Fahrwasser: „Entgegen der ursprünglichen Annahmen“, so die Vorlage, sei „ein erheblicher Baggeraufwand“ erforderlich – während dies in den vergangenen Jahren rund zwei Millionen Euro jährlich gekostet habe, würden allein für das laufende und die kommenden vier Jahre 22 Millionen Euro erforderlich. „Wir hätten lieber nicht recht gehabt“, titelte daraufhin das alternative Onlineforum „Bürgerportal Wilhelmshaven“, denn dort hatten Bürgerinitiativen gegen den Hafenbau schon vor mehr als zehn Jahren die Planerangaben über erforderliche Baggergutmengen kritisiert.
Nun muss Bremen entsprechend seinem Gesellschaftsanteil allein für 2020 knapp zwei Millionen Euro nachschießen, weil angesichts der Umschlagsentwicklung dem Hafen die Liquiditätsreserven ausgehen. Das Geld kann aber nur aus dem Budget bestritten werden, das für die bremischen Häfen vorgesehen ist – was zu den eingangs zitierten Ausstiegs-Überlegungen führte und Bremens Hafenwirtschaft vehement protestieren ließ: Der JWP sei ein „Millionengrab“. Niedersachsen reagierte nervös und mahnte die Einhaltung bestehender Verträge an. In Bremen wird das Ausstiegs-Szenario zwar derzeit nicht akut verfolgt – man werde aber, zitiert der WESER-KURIER Hafen-Staatsrat Tim Cordßen, „als Gesellschafter die weitere Entwicklung sehr genau prüfen und hinterfragen müssen, ob das Engagement … am JWP nach wie vor die richtige Strategie“ sei.
Eine ähnliche Version dieses Textes ist heute auch in der Tageszeitung „junge Welt“ erschienen.