Rund 50 Millionen Euro Kostensenkung, Personalabbau und „betriebsbedingte Kündigungen“ nicht ausgeschlossen – so hatte Hamburgs teilstaatlicher Hafenbetreiber HHLA erst Mitte November umfangreiche Rationalisierungen angekündigt, die Gewerkschaft ver.di versprach „Widerstand“. Jetzt eskaliert ein lange währender Tarifkonflikt.
Bereits zweimal kam es in den vergangenen Tagen zu Streiks auf mehreren Terminals, zugleich provoziert die Konzernleitung die gesamte Belegschaft: Ein Info der Vertrauensleute meldet, die HHLA-Führung habe leitenden Angestellten – laut NDR rund 40 – je 1500 Euro „Corona-Bonus“ für 2020 gewährt, während die übrigen Tarif-Angestellten nur 240 Euro erhielten; nach Ansicht der Vertrauensleute ein „enormer Verstoß gegen Anstand und Moral“.
Gestreikt haben die Beschäftigten zweier HHLA-Tochtergesellschaften: Schon vor längerer Zeit hat der Konzern den technischen Service an seinen Terminals Altenwerder und Burchardkai ausgelagert in zwei rechtlich selbstständige GmbH. Seit Ende 2019 kämpfen die Beschäftigten der „Service Center Altenwerder GmbH“ (SCA) und der „Service Center Burchardkai GmbH“ (SCB) für einen Manteltarifvertrag, der ihre Arbeitsbedingungen an die Tarife der Konzernmutter HHLA angleichen soll. Laut Pressemitteilung von ver.di geht es um Anpassungen bei den Arbeitszeiten, um die Verringerung zusätzlicher Pflichtschichten sowie um Entlastung älterer Arbeitnehmer bei der Schichtarbeit. Vor allem sollen künftig Wochenenden von der Regelarbeitszeit ausgenommen werden, die Wochenendarbeit wäre dann nicht mehr verpflichtend – es gehe um planbare Freizeit, um mehr Zeit für die Familie, so ver.di.
Betroffen sind rund 360 Beschäftigte, die an den beiden Terminals für Wartung und Reparatur der riesigen Containerbrücken und weiterer Großgeräte zuständig sind. Nach Ablauf der Friedenspflicht im Dezember hat Ende Januar ein erster, eintägiger Streik stattgefunden. In anschließenden neuen Verhandlungen habe sich die HHLA aber nur „millimeterweise“ bewegt, also rief ver.di Anfang dieser Woche zu einer weiteren Arbeitsniederlegung auf, dieses Mal für knapp drei Tage. Dabei kam es laut ver.di wegen Sicherheitsbedenken auch „zu erheblichen Einbrüchen“ im nicht bestreikten Umschlag, was den Druck erhöht haben dürfte.
Die Konzernleitung spricht in einer Pressemitteilung prompt von unverhältnismäßigen und unverantwortlichen Forderungen der Gewerkschaft und sieht „die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sowie des Hamburger Hafens insgesamt“ gefährdet. Zugleich verwahrt sich die HHLA gegen den Vorwurf, man habe versucht, Beschäftigte der bestreikten Betriebe unter Druck zu setzen, unterstellt ver.di aber ihrerseits ein „teilweise aggressives Auftreten“ einzelner Funktionäre. Beachtenswert ist, dass die Mitteilung namentlich auch Arbeitsdirektor Torben Seebold zitiert – bis zu seiner Aufnahme in den HHLA-Vorstand im April 2019 Leiter der ver.di-Bundesfachgruppe Maritime Wirtschaft.
Es ist nicht überliefert, was die heutige Hamburger ver.di-Führung bei dieser Personalie empfindet, aber immerhin formuliert sie klare Worte zum aktuellen Konflikt: Die tariflichen Forderungen beliefen sich auf eine Maximalbelastung von weniger als 2000 Euro pro Tag für die HHLA, rechnet Natale Fontana, Landesfachbereichsleiter Verkehr, vor. Selbst unter Corona-Bedingungen habe der Konzern 2020 ein positives Ergebnis von 107 Millionen Euro erwirtschaftet, die HHLA-Führung kaufe einen weiteren Terminal in Italien sowie eine auf Hafen-Automatisierung spezialisierte Firma und verteile (siehe oben) 1500-Euro-Boni an ihre Führungsebene: „Die Behauptung, dass die Forderungen für die HHLA zu teuer seien, entbehren jeder Grundlage.“
Norbert Hackbusch von der Linken-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft kritisiert: „In einer solch konfliktreichen Lage taucht der Hamburger Senat mit seiner Wirtschaftsbehörde völlig unter – obwohl die HHLA mehrheitlich in städtischer Hand ist. Da ist es nur klug und richtig, dass die Beschäftigten das Heft in die Hand nehmen und aktiv für ihre Rechte kämpfen.“
Dieser Text erscheint in ähnlicher Form auch in der Tageszeitung „junge Welt“.