9,1 Prozent weniger Umschlag als im Vorjahr – so lautet die Bilanz der neun niedersächsischen Seehäfen für 2020: rund 48,66 Millionen Tonnen, 2019 waren es 53,53 Millionen Tonnen. Und natürlich ist Corona schuld – jedenfalls ist das die Meinung von Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU).
Vorgestellt wurde die Bilanz, wie seit Jahren üblich, am gestrigen Dienstag auf einer gemeinsam mit der Marketingesellschaft „Seaports of Niedersachsen“ und der Häfenverwaltung „Niedersachsen Ports“ veranstalteten Jahrespressekonferenz, die natürlich digital abgehalten wurde. „Der weltweite Einbruch des Außenhandels“, so Althusmann, habe den Landeshäfen „stark zugesetzt und uns gezeigt, wie anfällig die eng miteinander verbundenen weltweiten Lieferketten sind“. Zwar könne man inzwischen „vorsichtig optimistisch in die Zukunft blicken“, so der Minister weiter.
Überblick Einzelhäfen
Diese Auswahl (alphabetisch und beschränkt auf die umschlagsstärkeren Häfen*) stützt sich auf die Angaben von Seaports of Niedersachsen zur heutigen Jahres-Pressekonferenz:
-
Brake verzeichnete in 2020 ein Minus von rund 17 Prozent – 5,45 Millionen Tonnen im Vergleich zu 6,60 Millionen Tonnen in 2019. Der Rückgang ist den amtlichen Angaben zufolge – und trotz eines geringfügigen Wachstums im Stückgutumschlag (durch stärkeren Holzexport) – vor allem auf „fehlende Getreideimporte sowie Verlagerungen von Transporten aus Südosteuropa vom Seeschiff auf den Zug“ zurückzuführen: Wurden 2019 noch 4,04 Millionen Tonnen „Schüttgüter“ umgeschlagen, waren es 2020 nur noch 2,88 Millionen Tonnen.
-
Cuxhaven verzeichnete in 2020 ein Minus von rund 62 Prozent – 2,17 Millionen Tonnen im Vergleich zu 3,51 Millionen Tonnen in 2019. Hier wird der Rückgang vor allem dem „Umschlag fester Massengüter“ zugeschrieben, der 2019 wegen „umschlagsstarken Materialtransports in Folge der Elbvertiefung“ wohl überdurchschnittlich hoch gewesen sein soll. Auch der Fahrzeug-Umschlag hat demnach zu dem Ergebnis beigetragen, ist aber zum Ende des Jahres wieder angestiegen.
-
Emden verzeichnete in 2020 ein Minus von rund neun Prozent – 4 Millionen Tonnen im Vergleich zu 4,42 Millionen Tonnen in 2019. Während der Neufahrzeugumschlag um rund 24 Prozent einbrach, soll sich „der Import von Baustoffen per Seeschiff für Baustellen im regionalen Umfeld“ positiv auf den Umschlag fester Massengüter ausgewirkt haben, allerdings werden hierzu keine Zahlen genannt. Ebenfalls unbeziffert lässt Seaports Einbußen beim Umschlag von Zellstoff und Windenergieanlagen sowie Zuwächse in den Sektoren „pflanzliche Öle und Fette sowie chemische Grundstoffe“.
-
Nordenham verzeichnete in 2020 ein Minus von knapp 17 Prozent – 2,00 Millionen Tonnen im Vergleich zu 2,42 Millionen Tonnen in 2019. Um rund 22 Prozent brach dabei der Kohleumschlag ein („bedingt durch die eingeleitete Energiewende“), auch der Umschlag Mineralölumschlag nahm ab, hingegen habe der Umschlag von Fichtenholz für den chinesischen Markt zugelegt.
-
Stade verzeichnete in 2020 ein Minus von nur 4,8 Prozent – 6,2 Millionen Tonnen im Vergleich zu 6,5 Millionen Tonnen in 2019. Was zu diesem Rückgang beigetragen hat, behält Seaports für sich, hingegen werden die „sehr positiven Entwicklungen“ im Stückgutumschlag hervorgehoben (63.258 Tonnen im Vergleich zu 27.028 Tonnen in 2019), allerdings ebenfalls nicht detaillierter aufgeschlüsselt.
-
Wilhelmshaven verzeichnete in 2020 ebenfalls nur ein Minus von 4 Prozent – 28,08 Millionen Tonnen im Vergleich zu 29,29 Millionen Tonnen in 2019. Diese Bilanz setzt sich zusammen aus vier Prozent Zuwachs bei flüssigen Massengütern (rund 21 Millionen Tonnen in 2020 im Vergleich zu 20,15 Millionen Tonnen in 2019) und einem drastischen Einbruch um knapp 36 Prozent bei festen Massengütern (rund 1,89 Millionen Tonnen in 2020 im Vergleich zu rund 2,94 Millionen Tonnen in 2019), was auch hier auf den „beginnenden Kohleausstieg“ zurückgeführt wird. In diesen Zahlen nicht enthalten ist der Containerterminal, siehe dazu Hauptartikel.
-
Die Häfen von Leer, Oldenburg und Papenburg mit Jahresergebnissen unterhalb der Schwelle von einer Million Tonnen sind hier nicht erwähnt.
-
Trotzdem blieb er in seinen veröffentlichten Ausführungen die Antwort schuldig, warum denn Niedersachsens Häfen so krass eingebüßt haben, während andere Häfen zwar „Corona-Dellen“ in den ersten Quartalen 2020, ab Jahresmitte beziehungsweise gegen Jahresende aber teilweise deutliche Zuwächse berichtet haben. Allerdings hindern diese Einbrüche die Landesregierung nicht, kräftig weiter Steuergelder in die Häfen zu investieren: 40 Millionen Euro sind laut Althusmann allein „für Betriebskostenzuschüsse und Investitionen an die landeseigene Hafeninfrastrukturgesellschaft NPorts“ vorgesehen, damit die Seehäfen „weiter wettbewerbs- und zukunftssicher aufgestellt bleiben“.
Statt hier detailliert auf Althusmanns summarische Bilanz aller neun Seehäfen (hier nachlesbar) einzugehen, scheint ein Blick auf ausgewählte Einzelhäfen sinnvoller, denn die Ausrichtungen und Dimensionen der Standorte sind doch sehr unterschiedlich: Die Angaben im Kasten rechts stützen sich auf eine detaillierte Übersicht von Seaports Niedersachsen (auch wenn es als „mutig“ bezeichnet werden darf, dort das amtliche Minus von 9,1 Prozent als „stabilen Seegüterumschlag“ zu bezeichnen). An dieser Stelle herausgehoben werden sollen vor allem zwei Details – zum einen der Hafen Brake an der Unterweser und zum anderen der Wilhelmshavener JadeWeserPort (JWP), Deutschlands bislang einziger Tiefwasserhafen.
Unterweservertiefung unnötig
Zu Brake ist vor allem festzuhalten, dass nun selbst regierungsseitig unter Bezugnahme auf große Massengutschiffe von Transportverlagerung „aus Südosteuropa vom Seeschiff auf den Zug“ die Rede ist – möglicherweise kann das entscheidend dazu beitragen, die unsägliche Weservertiefung zumindest für den Abschnitt Bremerhaven-Brake zu stoppen beziehungsweise zu verhindern: Wie mehrfach berichtet, ist dieser Abschnitt seinerzeit ja nur ins Gespräch gekommen, weil Bremen für seine geplante Außenweservertiefung die Zustimmung Niedersachsens brauchte – und daraufhin zum Nutzen „seines“ Braker Hafenbetreibers Jan Müller die Ausbaggerung auch der Unterweser einforderte.
Wenn sich aber – neben allen sonstigen Bedenken gegen dieses Vorhaben – auf besagte Weise die Bedarfs-Frage neu stellt, weil inzwischen durch mehr Bahnverkehr weniger tief abgeladene Schiffe erforderlich sind, könnte das die Planung maßgeblich beeinflussen. Von WATERKANT regelmäßig erstellte Statistiken weisen über viele Jahre aus, dass durchschnittlich nur drei Prozent der monatlich den Braker Hafen anlaufenden Schiffe überhaupt Tiefgänge von mehr als zehn Metern haben – selbst wenn diese Zahl durch Vertiefung verdoppelt werden könnte, würde das noch immer nicht den Aufwand von zig Millionen Steuergeldern rechtfertigen.
Hafen-Schimäre
Der JadeWeserPort pflegt – trotz aller regierungsseitigen Schönfärberei – konsequent seinen längst auch international verbreiteten Ruf als Hafen-Schimäre: Gebaut für eine Umschlagskapazität von bis zu 2,7 Millionen TEU, sollte er in seinem ersten vollen Betriebsjahr (2013) wegen angeblich üblicher Startschwierigkeiten „nur“ die 700.000-TEU-Marke erreichen – tatsächlich schaffte mit 76.265 TEU knapp elf Prozent davon. Im aktuellen Berichtsjahr 2020 erzielte der Tiefwasserhafen einen Umschlag von 423.243 TEU und damit 33,8 Prozent weniger als 2019, damals waren es 639.084 TEU. Längst ist, wie berichtet, zwischen den Eigner-Ländern Bremen und Niedersachsen ein Streit entbrannt, ob die kontinuierlich erforderlichen Subventionen für den Pleite-Hafen noch angemessen sind. Aber auch hier ist ja laut amtlicher Äußerung die Pandemie schuld, denn die habe dazu geführt, „dass sämtliche Reeder aufgrund der Volumenrückgänge Anpassungen in ihren Netzwerken vorgenommen und Schiffskapazitäten aus dem Markt genommen haben“, so Seaports. Aber laut WESER-KURIER hat Minister Althusmann ein Trostpflaster parat: „Im Gegensatz zu anderen Häfen sei der Jade-Weser-Port aber nicht überlastet gewesen.“ – Na, wenn’s denn so ist…