Überraschend kam die Nachricht nicht, die jetzt rund 350 Beschäftigte der Bremerhavener Lloyd Werft ereilte: Der Genting-Konzern, der das schon mehrfach krisengeschüttelte Unternehmen 2015 erworben hatte, wolle die Werft Ende dieses Jahres schließen – sofern sich bis dahin nicht ein Käufer gefunden habe. Die gute Nachricht: Es gibt allem Anschein nach einen Kauf-Interessenten.
Knapp 160 Jahre alt ist die Werft, die einst der Norddeutsche Lloyd, die große Übersee-Reederei, als Reparaturbetrieb gegründet hatte. Auch nach deren Fusion mit dem hamburgischen Konkurrenten zu Hapag-Lloyd blieb das zunächst so. Später erlebte die von der Reederei aufgegebene Werft eine turbulente Geschichte, mal war sie selbstständig, mal Teil größerer Verbünde, etwa des Bremer Vulkan-Konzerns.
Genting, ein malaysischer Konzern mit Sitz in Hongkong, hatte die Firma gekauft, um an der Weser Kreuzfahrtschiffe für den asiatischen Markt zu bauen. „Der Lloyd“, wie es in der Region heißt, wurde zerlegt in eine Gesellschaft für Grundbesitz und Anlagen sowie eine fürs Personal. Kurz darauf erwarben die Asiaten aber auch die drei Nordic-Yards-Werften in Wismar, Warnemünde und Stralsund; sie schufen daraus den MV-Werften-Verbund, um dort nun die riesigen Vergnügungsdampfer zu produzieren. Nach einem Abbau von gut einem Viertel der Stellen blieb dem so abgehängten Lloyd nur die Perspektive, mit Umbauten und Reparaturen sowie Yachtbau zu überleben.
Zwar startete Genting an der Ostsee zunächst stark durch – wenngleich mit mehrfacher Stützung durch Bürgschaften, Landeshilfen und KfW-Kredite. Mit dem Beginn der Pandemie aber geriet der Konzern in den Strudel des Kreuzfahrt-Lockdowns und wegen einseitiger Fixierung auf diesen Markt alsbald in finanzielle Nöte. Für die Lloyd Werft gab es zunächst nur den Lichtblick, ab 2017 eine Luxusyacht – Projektname „Solaris“ – bauen zu dürfen, die angeblich für den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch bestimmt sein soll; erst vor wenigen Tagen sind erste Bilder von diesem Schiff publik geworden.
Die Sache mit der „Polarstern II“
Weitere Aufträge gibt es derzeit nicht – und das hatte zunächst einen durchaus triftigen Grund: Seit 2016 hatte sich der Lloyd um den Bau des neuen bundesdeutschen Forschungseisbrechers „Polarstern II“ beworben und bis 2020 mehrere Millionen Euro in dieses Angebot investiert. Das Projekt hätte die Werft mindestens stark beansprucht, wenn nicht ausgelastet, also gab es für Genting zunächst keinen Anlass für weitere Akquisition über das „Solaris“-Projekt hinaus. Anfang 2020 aber stoppte Berlin die Ausschreibung – aus nicht näher erläuterten „rechtlichen“ Gründen –, der Mutterkonzern Genting steckte bereits in der Corona-Krise, der Lloyd fiel in ein Auftragsloch. Die linke Bundestagsabgeordnete Doris Achelwilm sprach damals von einem „Planungsfiasko“ und forderte eine zügige Auftragsvergabe des „Polarstern-II“-Neubaus ohne eine EU-weite Ausschreibung. Achelwilms Forderung war – und ist auch heute noch – durchaus vernünftig: Ein Auftrag wie dieser gehört zwingend nach Bremerhaven, wo das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) seinen Sitz hat. Dieses Institut betreibt die alte wie die neue „Polarstern“ als Expeditionsschiff für die Arktis- und Antarktisforschung, also gibt es gute Gründe, ein solches Schiff vor Ort in engster (und kostensparender) Abstimmung zwischen Werft und Institut bauen zu lassen – und am besten auch noch gleich die Wartung langfristig an die lokale Werft zu vergeben.
Nach jüngstem Stand soll nun in diesem Frühjahr ein neues Bieterverfahren gestartet werden – um so dringender muss jetzt über die Zukunft des Lloyd entschieden werden, damit die Werft sich erneut um diesen Auftrag bewerben kann. Die Chancen zumindest fürs Überleben stehen nicht schlecht: Die lokale Rönner-Gruppe hat Interesse an der Lloyd-Übernahme bekundet – das Familienunternehmen, seit langem im Stahl- und im Schiffbau engagiert, fusionierte 2017 mehrere Dockbetriebe in einem Verbund mit Partner Dieter Petram, der aber 2019 ausschied. Geschäftsführer Thorsten Rönner hat laut „Radio Bremen“ nun eine „tragfähige und vor allem finanzierbare Lösung“ angemahnt – und das richtet sich nicht nur an Genting bezüglich der Kaufpreisforderung, sondern auch an die Politik: Es geht dabei um staatliche Gelder, die Genting zur Rettung des MV-Werften-Verbunds erhalten hat. Der Bremerhavener Magistrat forderte, davon müsse der Lloyd etwas abbekommen. Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (LINKE) sieht den Bund in der Pflicht, nicht nur Großkonzerne wie Genting abzusichern.