„Die Herausforderungen für die maritime Wirtschaft sind groß.“ – Mit diesen Worten hat die Bundesregierung am Mittwoch einen umfangreichen Bericht über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der Branche vorgestellt. Zum mittlerweile siebten Mal wird eine solche „Unterrichtung des Bundestages“ präsentiert – als Vorbereitung der 12. Nationalen Maritimen Konferenz (NMK), die im Mai – pandemiebedingt in digitaler Form – in Rostock stattfinden soll.
Liegt es an der kommenden Bundestagswahl? Der Bericht gibt auf knapp 80 Seiten nicht nur einen Überblick über die aktuelle Lage der Branche, beschreibt Schiffbau samt Zulieferindustrie und Meerestechnik, Handelsschifffahrt und Häfen, Offshore-Windenergie, maritimen Klima- und Umweltschutz sowie die Polar- und Meeresforschung. Er listet auch umfangreich auf, wann und wo Schiffbauer, Häfen, Schifffahrt oder Meerestechnik staatliche Förderung erhalten haben – oder in naher Zukunft erwarten dürfen. Es geht, summarisch betrachtet, um etliche Steuermilliarden, mit denen die Bundesregierung die „internationale Wettbewerbsfähigkeit“ der maritimen Wirtschaft stärken und „nachhaltig“ entwickeln helfen will.
Auch wenn, wie erwähnt, der Bericht formal an den Bundestag adressiert ist – inhaltlich richtet er sich, bilanzierend und perspektivisch zugleich, an die Teilnehmerrunde der NMK. Diese im Jahre 2000 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) initiierten Treffen finden im Prinzip alle zwei Jahre statt. Und sie waren wiederholt geprägt von heftigen Auseinandersetzungen zwischen maritimer Wirtschaft und der Politik, Streitigkeiten etwa um ökonomische, steuerrechtliche oder administrative Rahmenbedingungen. Eine NMK in Pandemiezeiten vier Monate vor einer Wahl: Da muss sich eine Regierung schon ein bisschen Mühe geben, um eventuell aufkommendem Unmut entgegen zu wirken.
Schifffahrt, Schiffbau, Häfen – für eine „führende Handelsnation“ seien dies „wichtige Grundlagen“, um im Welthandel „auf Augenhöhe“ mit Ländern wie China, Südkorea oder den USA konkurrieren zu können, lobt der amtliche Bericht die Branche. Insbesondere China wird als wettbewerbliche Bedrohung skizziert – die Tatsache, dass in der Vergangenheit deutsche und europäische Unternehmen Knowhow exportiert haben, um dort und in Asien billige Arbeitsmärkte zu schaffen, bleibt unerwähnt: Die Geister, die man rief…
Kurz nur skizziert der Bericht die Dimension maritimer Wertschöpfung und Beschäftigung, in Kürze soll eine Studie vorgestellt werden und dann die „fundierte Grundlage“ bilden für eine Fortschreibung der „Maritimen Agenda 2025“ in der kommenden Legislaturperiode. Das hindert die Regierung aber nicht, schon jetzt neben der Auflistung bisheriger auch diverse künftige Förderungen in Aussicht zu stellen. Wahlkampf eben.
Selbstverständlich kann die Zustandsbeschreibung einer komplexen Branche nicht umhin, auf die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie einzugehen: Sie habe „die maritime Wirtschaft in einer Phase des Wachstums und der Stabilität mit Wucht getroffen“, heißt es, und deren Bedeutung für Versorgung und Handel verdeutlicht. Nach Überwindung der Pandemie könne die Branche „nur dann global technologieführend und krisenresilient bleiben“, wenn sie sich um digitale und ökologische Transformation bemühe „und darin bestärkt wird“.
Von Subventionierung der Entwicklung und Markteinführung zukünftiger Treibstoffe wie „grünem“ Wasserstoff oder LNG ist die Rede oder für verstärkten „Landstrom“-Einsatz in den Häfen. Forschungsförderung im dreistelligen Millionenbereich wird versprochen, unter anderem für Aspekte der Digitalisierung und Autonomisierung von Schiffsverkehren und Transportabläufen oder für die Offshore-Windindustrie. Die Sicherung seemännischen Knowhows wird betont, obwohl die bisherige Schifffahrtspolitik den Rückgang der Zahl deutscher Seeleute nicht nur nicht gestoppt, sondern ihn vielmehr durch Maßnahmen wie Aufweichung der Schiffsbesetzungsverordnung weiter forciert hat.
Ob Schifffahrt, Häfen oder Schiffbau – es geht immer nur um Modernisierung zur Sicherung von „Wettbewerbsfähigkeit“: Fördergelder für Reeder (wie beschrieben), für „innovative“ Schiffbau-oder Hafen-Technologien oder für den pandemie-getroffenen Kreuzfahrt-Sektor (dessen Marktführer seinen Firmensitz nach Luxemburg „outgesourct“ hat) – eine verbindliche Kopplung von Subventionen etwa an Beschäftigungsgarantien sieht der Bericht nicht vor. Das soll wohl trotz Wahlkampfs kein Thema werden bei der kommenden NMK.