Seeleute sind Teil der Lieferkette!“

Glo­ba­ler Han­del erfolgt bekannt­lich zu rund 90 Pro­zent über die Welt­mee­re, mehr als 50.000 Han­dels­schif­fe und vor allem um rund 1,2 Mil­lio­nen See­leu­te sor­gen für den ver­läss­li­chen Ablauf. Trotz­dem fin­det die­ser Bereich im Regie­rungs­ent­wurf für ein so genann­tes Lie­fer­ket­ten­ge­setz kei­ne Erwäh­nung: Für das zivil­ge­sell­schaft­li­che Bünd­nis „Fair übers Meer!“ ist das Anlass für eine def­ti­ge Kri­tik und einen ergän­zen­den For­de­rungs­ka­ta­log. Das Bünd­nis unter­stützt aus­drück­lich die Kri­tik der „Initia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz“ und schließt sich deren For­de­run­gen an, will die­se jedoch erwei­tert sehen.

Von Burk­hard Ilschner¹

Vor etwas mehr als drei Jah­ren hat­te das Pro­jekt „Fair Oce­ans“ im Bre­mer Ver­ein für Inter­na­tio­na­lis­mus und Kom­mu­ni­ka­ti­on (Int­Kom) gemein­sam mit der dama­li­gen mari­ti­men Zeit­schrift WATERKANT das genann­te Bünd­nis initi­iert, mitt­ler­wei­le wird die Kam­pa­gne von zwölf Orga­ni­sa­tio­nen unter­stützt. Dazu zäh­len neben den Initia­to­ren unter ande­rem der Fach­be­reich Mari­ti­me Wirt­schaft der Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di, die Deut­sche See­manns­mis­si­on, das Forum Fai­rer Han­del, fer­ner BUND, NABU oder das Forum Umwelt und Ent­wick­lung (FUE).

In der Gestal­tung einer gerech­ten und umwelt­freund­li­chen Welt­wirt­schaft dür­fe der See­ver­kehr nicht unbe­rück­sich­tigt blei­ben, betont „Fair übers Meer!“: Vor allem „das Geran­gel um Bil­lig­flag­gen und die Arbeits­be­din­gun­gen auf den Schif­fen“ sei auf­zu­de­cken und zu ver­än­dern. Gera­de im See­trans­port ereig­ne­ten sich vie­le der im Gesetz­ent­wurf „genann­ten Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen (Arbeits­zei­ten, Lohn, Unfäl­le, Gewerk­schafts­frei­heit) und wesent­li­che Umwelt­ver­ge­hen (Ent­sor­gung, Schad­stoff­ein­lei­tung)“. Den­noch klam­me­re der vor­lie­gen­de Ent­wurf des Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes „ins­be­son­de­re den See­trans­port, die See­leu­te und das Meer fak­tisch aus“.

Vor allem bean­stan­det „Fair übers Meer!“, dass in der Auf­lis­tung der Lieferketten-Akteure nicht auch Ree­de­rei­en oder Logis­ti­ker als „Zulie­fe­rer“ defi­niert sei­en. Folg­lich sei­en auf­trag­ge­ben­de Unter­neh­men nicht zur Über­prü­fung von Trans­port­be­din­gun­gen ver­pflich­tet. Das Bünd­nis for­dert daher „eine Klar­stel­lung im Gesetz“, dass sich die Ver­ant­wor­tung der Auf­trag­ge­ber auf alle Unter­neh­men zu bezie­hen habe, „die durch Pro­duk­ti­on, Dienst­leis­tung oder Trans­port an der Ent­ste­hung des End­pro­dukts betei­ligt sind“.

Fair übers Meer!“ ver­misst dar­über hin­aus eine deut­li­che Ver­pflich­tung für Fir­men, ihre Lie­fer­ket­te voll­stän­dig zu doku­men­tie­ren. Gera­de im Trans­port­sek­tor bestimm­ten Fle­xi­bi­li­tät und Kurz­fris­tig­keit die Abläu­fe. Um so wich­ti­ger sei es, hier durch kon­se­quen­te Doku­men­ta­ti­ons­pflicht für Trans­pa­renz in der Lie­fer­ket­te zu sor­gen: „Wir for­dern, dass auf­trag­ge­ben­de Unter­neh­men aus­drück­lich zu einem ‚Sys­tem zur Rück­ver­folg­bar­keit der Gewahrsams- oder Lie­fer­ket­te‘ ver­pflich­tet werden“.

Die Sache mit der Steuerflucht…

Kri­ti­siert wird auch die im Gesetz­ent­wurf ent­hal­te­ne Beschrän­kung auf Unter­neh­men, die zunächst „min­des­tens 3000 Arbeit­neh­mer“ (bezie­hungs­wei­se spä­ter 1000) beschäf­tig­ten. Gera­de im Bereich von Trans­port, Logis­tik und See­han­del sei­en häu­fig Fir­men aktiv, „die nicht unbe­dingt vie­le eige­ne Beschäf­tig­te haben, deren wesent­li­ches Geschäfts­mo­dell aber das Bedie­nen und die Orga­ni­sa­ti­on von glo­ba­len Lie­fer­ket­ten ist“. Zudem sei­en „in der Schiff­fahrt, aber nicht nur dort, … Unter­neh­men häu­fig im Aus­land regis­triert, um natio­na­le Auf­la­gen zu umge­hen oder Steu­ern zu spa­ren“. Bei­des sei im Gesetz­ent­wurf nicht berück­sich­tigt, bean­stan­det die Kam­pa­gne und for­dert, „den Kreis der erfass­ten Unter­neh­men nicht nur nach Beschäf­tig­ten­zahl zu defi­nie­ren, son­dern eben­so nach Umsatz, Wert­schöp­fungs­an­teil im Aus­land und Geschäftsmodell“.

Fer­ner müs­se das Gesetz auch gel­ten für alle Unter­neh­men, „die sich ganz oder mehr­heit­lich im Besitz deut­scher Eigen­tü­mer befin­den (Prin­zip des End­be­güns­tig­ten), unab­hän­gig vom Ort des for­ma­len Fir­men­sit­zes“. Zum Ver­ständ­nis: Vie­le Schif­fe nicht nur deut­scher Eig­ner sind aus meist steu­er­li­chen Grün­den als Ein­zel­be­triebs­schiff („Ein-Schiff-KG“) orga­ni­siert und dann an gro­ße Ree­de­rei­en ver­char­tert; zudem fah­ren die­se Schif­fe häu­fig unter Bil­lig­flag­ge. Nur mit einer Ergän­zung wie gefor­dert wür­de das Gesetz auch die­sen Bereich erfassen.

Ver­voll­stän­digt wird der For­de­rungs­ka­ta­log von „Fair übers Meer!“ durch den Ruf nach Ein­be­zie­hung schiff­fahrts­be­zo­ge­ner Nor­men, um kon­se­quent die Men­schen­rech­te auch von See­leu­ten schüt­zen zu kön­nen: Dazu müss­ten min­des­tens das See­ar­beits­über­ein­kom­men (Mari­ti­me Labour Con­ven­ti­on, MLC) und das Über­ein­kom­men zum Schutz des mensch­li­chen Lebens auf See (Inter­na­tio­nal Con­ven­ti­on for the Safe­ty of Life at Sea, SOLAS) mit erfasst wer­den, fer­ner für Umwelt­schutz­be­lan­ge das Über­ein­kom­men zur Ver­hü­tung der Mee­res­ver­schmut­zung durch Schif­fe (Inter­na­tio­nal Con­ven­ti­on for the Pre­ven­ti­on of Mari­ne Pol­lu­ti­on from Ships, MARPOL 73/78). Zudem fehl­ten im Kata­log der Begriffs­de­fi­ni­tio­nen für den See­han­del typi­sche Risi­ken, „ins­be­son­de­re“ Ver­stö­ße gegen das Recht auf Repa­tri­ie­rung, gegen Aus­übung oder Dul­dung von Gewalt am Arbeits- oder Unter­brin­gungs­ort sowie gegen die Ein­lei­tung gefähr­li­cher Stof­fe ins Meer.

Schließ­lich müs­se das Lie­fer­ket­ten­ge­setz eine Tarif­bin­dung zum Stan­dard erklä­ren, etwa durch Ergän­zun­gen wie: „Ein men­schen­recht­li­ches Risi­ko im Sin­ne die­ses Geset­zes ist auch die Nicht­ein­hal­tung inter­na­tio­na­ler Tarif­ver­trä­ge“, nament­lich wird hier der Tarif­ver­trag der Inter­na­tio­na­len Transportarbeiter-Föderation (ITF) genannt.

¹ – die­ser Text darf – ohne sinn­ent­stel­len­de Kür­zun­gen oder Ände­run­gen! – ger­ne wei­ter ver­brei­tet wer­den, sofern der Autor nament­lich genannt wird.

Der voll­stän­di­ge Text des „poli­cy brie­fings“ von „Fair übers Meer!“ kann hier her­un­ter­ge­la­den werden.

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WATERKANT-Redaktion