Immer langsam voran – in der Tiefe

Moder­ne Kame­ra­sys­te­me machen’s mög­lich: Ein Tief­see­for­schungs­team unter der Lei­tung des Bre­mer­ha­ve­ner AWI hat jüngst über­ra­schen­de Ergeb­nis­se ver­öf­fent­licht: Kriech­spu­ren auf dem Mee­res­bo­den der ark­ti­schen Tief­see deu­ten dar­auf hin, dass Schwäm­me sich aktiv fort­be­we­gen kön­nen – wenn­gleich äußerst langsam. 

Laut einer Pres­se­mit­tei­lung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Mee­res­for­schung (AWI), hat ein inter­na­tio­na­les Team sich hoch­auf­lö­sen­de Auf­nah­men vom Mee­res­grund der ark­ti­schen Tief­see detail­liert ange­schaut. Die Bil­der ent­stan­den im Jah­re 2016 am etwa 350 Kilo­me­ter vom Nord­pol ent­fern­ten „Karas­ik Sea­m­ount“ (4350 Meter hoch). Und sie boten eine Über­ra­schung:  „Pfad­ähn­li­che Spu­ren auf dem Mee­res­bo­den ende­ten dort, wo Schwäm­me saßen“, berich­tet das AWI: „Die Spu­ren führ­ten in alle Rich­tun­gen, sogar bergauf.“

Bis­lang sei die Wis­sen­schaft davon aus­ge­gan­gen, „dass die meis­ten Schwäm­me am Mee­res­bo­den fest­sit­zen oder pas­siv von Mee­res­strö­mun­gen bewegt wer­den und in der Fol­ge gege­be­nen­falls Hän­ge hin­ab rut­schen“ könn­ten. Hier aber sei­en Spu­ren ent­deckt wor­den, die ein­deu­tig auch berg­auf wie­sen und zu leben­den Tie­ren führ­ten. Da aber in der ark­ti­schen Tief­see kei­ne star­ken Strö­mun­gen auf­trä­ten, sei­en die­se Struk­tu­ren am Mee­res­bo­den nur zu erklä­ren durch die Annah­me, „dass die Schwäm­me sich aktiv über den Mee­res­bo­den bewegt“ und dabei Spu­ren hin­ter­las­sen haben könnten.

Eigent­lich gäl­ten Schwäm­me „als eine der pri­mi­tivs­ten For­men tie­ri­scher Lebe­we­sen, denn sie wei­sen weder Fort­be­we­gungs­or­ga­ne noch ein Ner­ven­sys­tem auf“. Tat­säch­lich aber sei der Gip­fel des Karas­ik dicht mit Schwäm­men besie­delt – und mehr als zwei Drit­tel der aus­ge­wer­te­ten Bil­der hät­ten die beschrie­be­nen Spu­ren gezeigt. Auch wenn es sich offen­sicht­lich nur um Geschwin­dig­kei­ten von weni­gen Zen­ti­me­tern pro Jahr han­de­le, sei akti­ve Bewe­gung doch die ein­zig denk­ba­re Erklärung.

Wie der SPIEGEL ergän­zend berich­tet, rät­selt das For­schungs­team noch, wie Schwäm­me es „ohne Ner­ven­zel­len oder ein Ner­ven­sys­tem“ über­haupt schaff­ten, sich fort­zu­be­we­gen. „Das set­ze vor­aus, dass Schwäm­me Umwelt­rei­ze wahr­neh­men und dar­auf reagie­ren könn­ten. Eine mög­li­che Erklä­rung klingt eben­so aben­teu­er­lich wie schlüs­sig: „Um sich fort­zu­pflan­zen, schnürt der Schwamm zunächst einen Teil von sich selbst ab. Der Klon sinkt an der bis­her bewohn­ten Stel­le zu Boden. Dann dehnt sich der alte Schwamm über sei­ne Nadeln in eine ande­re Rich­tung aus – und zieht sich vom bis­her bewohn­ten Ter­ri­to­ri­um zurück, wobei das neue Exem­plar und eini­ge Nadeln zurück­blei­ben. Wird die Bewe­gung fort­ge­setzt, ent­steht nach und nach die Spur am Meeresboden.“

Die For­schungs­er­geb­nis­se sind in der Fach­zeit­schrift „Cur­rent Bio­lo­gy“ (Volu­me 31, Issue 8, 26 April 2021, Pages R368-R370) ver­öf­fent­licht wor­den. Die AWI-Pressemitteilung ist hier, der Bericht von SPIEGEL online hier nachzulesen.

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WATERKANT-Redaktion