„Wirtschaft braucht Meer“ lautete der amtliche Slogan der 12. „Nationalen Maritimen Konferenz“ (NMK), die Anfang dieser Woche – pandemiegerecht als Mischform aus Live- und Digitalforum – in Rostock getagt hat. Ihre Ergebnisse ähneln, vereinfacht ausgedrückt, denen früherer NMK: Die maritime Wirtschaft ruft nach mehr Subventionen, die Politik macht mehr Zusagen – und die Beschäftigten schauen in eine mehr als ungewisse Zukunft.
Im Mittelpunkt stand unter anderem die Situation der Werften vor dem Hintergrund sowohl der Corona-Krise, die den Kreuzfahrtschiffbau lahmgelegt hat, als auch des Wettbewerbs mit der asiatischen Konkurrenz. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), Reinhard Lüken, kritisierte laut Radio Bremen: „Fast jedes zweite Schiff weltweit wird von einem Europäer bestellt. Aber von diesen Bestellungen landen gerade mal fünf Prozent innerhalb der EU.“ Lüken fordert daher Finanzhilfen für EU-Schiffbauer, denn schließlich erhielten auch chinesische Werften staatliche Subventionen.
Zwar hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am ersten NMK-Tag noch das „aggressive“ Verhalten asiatischer Wettbewerber getadelt und mit starken Worten angekündigt, man werde dies nicht „tatenlos“ hinnehmen. Aber das haben seine Amtsvorgänger bei früheren NMK auch verkündet – ohne nennenswerte Ergebnisse. Und so bilanzierte etwa der NDR nach Abschluss der 12. NMK lapidar: „Klare Perspektiven für deutsche Schiffbau-Beschäftigte … gab es auf der Konferenz … keine.“
„Reeder in die Pflicht nehmen“
Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, bestätigt das: „Konkrete Maßnahmen, um Arbeitsplätze und Standorte zu sichern, wurden nicht auf den Weg gebracht.“ Das Dilemma: Die Schiffbauer Asiens wissen im Grunde genommen nur die Chance zu nutzen, die Europas Reeder ihnen bieten, indem sie ihre Aufträge ohne Rücksicht auf regionale Interessen nach Fernost vergeben. Gewerkschafter Friedrich verlangt, dass staatliche Förderung für Arbeit und Wertschöpfung vor Ort sorgen müsse: „Die Reeder, die mit öffentlichen Finanzierungen überwiegend in Südostasien bestellen, müssen dafür stärker in die Pflicht genommen werden.“
In diesem Punkt ist Reinhard Lüken, Friedrichs Konterpart auf der Arbeitgeberseite, überraschenderweise derselben Meinung: „Wir haben üppige Reeder-Subventionen, wir haben aber keinerlei Anforderungen, dass damit Wertschöpfung in der EU verbunden wird“, zitierte Radio Bremen den Schiffbauer. Das erinnert stark an die Kritik, die vor der 12. NMK die Bundesfachgruppe Maritime Wirtschaft der Gewerkschaft ver.di formuliert hatte: Die Subventionen hätten ihre erklärten Ziele verfehlt, denn es flössen zwar jährlich viele Millionen Euro Steuergelder, ohne jedoch die begünstigten Reeder verbindlich zu Gegenleistungen zu verpflichten.
Zwar zielte die Philippika von Verdi seinerzeit primär auf Ausbildung und Beschäftigung in der deutschen Seeschifffahrt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Stimmen derer, die klarere Auflagen für steuerlich geförderte Reeder verlangen, zahlreicher und lauter werden. Was die derart Kritisierten nicht hindert, ihrerseits die 12. NMK mit weiteren Subventionsrufen zu begleiten. So begrüßte Reederverbandschef Alfred Hartmann zwar die regierungsseitig geplante Verlängerung der bisherigen Förderung mit Lohnsteuereinbehalt und Lohnnebenkostenzuschüssen: „Wir dürfen mit diesen Anstrengungen nicht nachlassen“ – unterließ aber jede konkrete Zusage, etwa durch Rückflaggung mehr inländische Seeleute zu beschäftigen oder Aufträge an hiesige Werften zu vergeben.
UPDATE vom 19. Mai 2021:
„Wirtschaft braucht mehr“ – Subventionen: Die 12. NMK diskutierte auch, die Potenziale der Schifffahrt für eine klima- und umweltfreundlichere Zukunft zu nutzen. Für innovative Technik und „grüne“ Treibstoffe gibt es steuerliche Förderung – so weit, so klar. Ob und wann das wirkt, wird indes nicht nur nicht garantiert – denn international zuständig ist ja die UN-Schifffahrtsorganisation IMO; und die ist bekanntlich langsam und träge. Vielmehr wird die Wirksamkeit der Maßnahmen auch von anderer Stelle angezweifelt: Wie das maritime News-Portal HANSA heute berichtete, geht eine aktuelle Studie der Internationalen Energieangentur (IEA) davon aus, dass der Sektor Schifffahrt das Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 nicht werde erreichen können. „Aufgrund eines Mangels an verfügbaren kohlenstoffarmen Optionen auf dem Markt und der langen Lebensdauer von Schiffen (typischerweise 25-35 Jahre)“, schreibt HANSA unter anderem, „sei die Schifffahrt einer der wenigen Verkehrsträger, der der Studie zufolge keine Reduktion der Netto-Emissionen auf Null erreicht. Dennoch sinken die Emissionen der Schifffahrt demnach … auf 120 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2050. Die Seeschifffahrt war im Jahr 2020 für rund 830 Millionen Tonnen CO2-Emissionen weltweit verantwortlich.“