Hapag-Lloyd, Deutschlands größte Container-Reederei, sorgt für Verwirrung im norddeutschen Hafengeschäft – und möglicherweise auch für Komplikationen: Angeblich erwägt der mit 13,9 Prozent städtischer Beteiligung als „teilstaatlich“ zu bezeichnende Traditionskonzern, sich künftig am JadeWeserPort (JWP) in Wilhelmshaven zu beteiligen. Ob das dem unwirtschaftlichen Terminal neue Chancen bringt? Abwarten.
Eine derartige Beteiligung – im Gespräch ist die Übernahme eines 30-Prozent-Anteils an der Betreibergesellschaft – wäre aus gleich mehreren Gründen brisant. Einer liegt in der Geschichte des JWP, denn in dessen Planungsphase war eigentlich angedacht gewesen, diesen Hafen mit einer Fahrwassertiefe von rund 18 Metern – und damit geeignet für Containerschiffe einer Größe, die es bis heute nicht gibt – als Gemeinschaftsprojekt der Bundesländer Bremen, Hamburg und Niedersachsen zu bauen.
Daraus wurde nichts, weil die Elbhanseaten sich diesem Plan verweigerten. Also wurde der JWP zu einem Zwei-Länder-Projekt, das allerdings von Anfang an für Ärger und Auseinandersetzungen gesorgt hat – und bis heute sorgt: Eine Aufzählung der Streitpunkte hätte bei den Planungswirren und -kosten zu beginnen und führte über Bauverzögerungen, -mängel und -kosten bis hin zur bis heute fehlenden Auslastung. Gebaut für eine jährliche Kapazität von bis zu 2,7 Millionen Standardcontainern (TEU), konnte der Hafen im vergangenen Jahr einen Umschlag von lediglich 423.243 TEU verbuchen – was wiederum die jetzigen Eigner Niedersachsen und Bremen über den Zuschussbedarf debattieren lässt.
Betrieben wird der Hafen mit seiner überwiegend leeren Kaje von Eurogate, dem Gemeinschaftsunternehmen des staatlichen Bremer Logistikers BLG und der privaten Hamburger Firma Eurokai des Eckelmann-Konzerns. Eurogate betreibt neben Wilhelmshaven auch Terminals in Bremerhaven und Hamburg sowie an sieben externen Standorten – in Portugal, Marokko, Italien, Zypern und Russland. Bereits frühzeitig hatte Eurogate einen 30-Prozent-Anteil der Betreibergesellschaft an APM Terminals verkauft, ein weltweit tätiges Hafenunternehmen des Maersk-Konzerns. Wie die „Deutsche Verkehrs-Zeitung“ (DVZ) berichtete, soll dieser Anteil nun von APM der Hamburger Reederei angeboten worden seien.
Unruhe an der Elbe
Laut dem Online-Portal HANSA prüft Hapag-Lloyd das APM-Angebot nicht nur, sondern scheint sogar Verhandlungen zu führen, die „noch im Sommer abgeschlossen werden“ könnten. Und daraus ergeben sich mehrere weitere hafenpolitische Sensationen:
- Hapag-Lloyd hat eine langjährige Bindung an den Hamburger Hafenbetreiber HHLA. Am Altenwerder-Terminal dieses staatlichen Unternehmens ist die Reederei sogar mit 25,1 Prozent beteiligt und hatte zu dessen besserer Auslastung erst vor knapp drei Jahren mehrere Liniendienste von Bremerhaven abgezogen, was für die Weserkonkurrenz eine rund zehnprozentige Umschlagseinbuße bedeutete.
- Zudem hat Hapag-Lloyd erst im vergangenen Jahr das Abkommen mit der HHLA um weitere fünf Jahre verlängert. Diese Bindung nun zwar nicht aufzukündigen, aber durch einen Einstieg beim JWP doch ein Stück weit aufzubrechen, dürfte an der Elbe für erhebliche Unruhe sorgen.
Dies gilt um so mehr, als eine Beteiligung am Wilhelmshavener Tiefwasserhafen nicht einfach nur einen Affront gegen die bisherige Hamburger Politik der Ablehnung des JWP-Vorhabens bedeutet. Vielmehr soll Hapag-Lloyd den geplanten dortigen Einstieg mit dem konkreten Vorhaben verknüpfen, ab 2023 einen Fernostdienst von der Elbe abzuziehen und an den Jadebusen zu verlagern. Dieser Liniendienst soll dann mit den sechs Ende vergangenen Jahres in Südkorea bestellten Großcontainerschiffen für je 23.500 TEU Kapazität besetzt werden. Und die, so heißt es, seien mit einem Maximaltiefgang von 16 Metern zu groß für die gerade mit rund einer Milliarde Euro Steuergeld vertiefte Elbe, zumal auch für die Zufahrt zum Altenwerder-Terminal die auf 51 Meter Höhe begrenzte Köhlbrandbrücke passiert werden müsste.
Über Hapag-Lloyds Motive wird zwar heftig spekuliert, von Unzufriedenheit mit Hamburgs Umschlag ist die Rede, dennoch bleibt die Angelegenheit brisant: Ein Unternehmen mit staatlicher Beteiligung kritisiert die sehr lange sehr heftig umstrittene und sehr teure staatliche Maßnahme der Elbvertiefung als ungenügend. Im Ergebnis könnte die Verlagerung des betreffenden Dienstes für den Hamburger Hafen einen Umschlagsverlust von jährlich 500.000 TEU oder mehr bedeuten: Im vergangenen Jahr waren an der Elbe 8,5 Millionen TEU umgeschlagen worden – 7,9 Prozent weniger als im Jahr zuvor.
Da nicht nur Hapag-Lloyd, sondern auch andere Großreedereien wie Weltmarktführer Mærsk oder die Schweizer MSC oder Frankreichs CMA CGM in jüngster Zeit aus verschiedenen Gründen Linienschiffe von Hamburg abziehen und unter anderem nach Bremerhaven oder Wilhelmshaven umleiten, bleibt abzuwarten, wie sich – möglicherweise insgesamt sinkende – Container-Umschläge auf Deutschlands Nordsee-Häfen verteilen; und wer dabei am Ende übrig bleibt.