Machtkampf mit Kohlendioxid-Steuer?

In der Container-Schifffahrt scheint das all­zu zähe Rin­gen um den Kli­ma­schutz auch den Macht­kampf um die Vor­herr­schaft in der Bran­che zu beein­flus­sen: Der Chef des däni­schen Kon­zerns A. P. Møller-Mærsk, Søren Skou, hat Anfang die­ses Monats die Ein­füh­rung einer CO2-Steu­er von 150 US-Dollar pro Ton­ne auf Schiffs­treib­stof­fe gefor­dert – und dabei mög­li­cher­wei­se nicht allein ans Kli­ma gedacht… 

Laut über­ein­stim­men­den Berich­ten meh­re­rer Bran­chen­diens­te hat Skou betont, eine Abga­be in die­ser Höhe wer­de dazu bei­tra­gen, die Preis­lü­cke zwi­schen fos­si­len Treib­stof­fen und den erheb­lich teu­re­ren umwelt­freund­li­che­ren Alter­na­ti­ven deut­lich zu ver­rin­gern oder gar zu schlie­ßen. Unter Berück­sich­ti­gung der Anrech­nung ver­min­der­ter CO2-Emissionen kön­ne die Maß­nah­me die Kraft­stoff­kos­ten für fos­si­le Treib­stof­fe nut­zen­de Schif­fe gar nahe­zu verdoppeln.

Das klingt zwar auf den ers­ten Blick wie eine nach­drück­li­che, aber durch­aus sinn­vol­le Maß­nah­me, um über den Preis den Wech­sel zu einer umwelt­ver­träg­li­che­ren Schiff­fahrt zu for­cie­ren. Der Nach­rich­ten­dienst Bloom­berg indes ist davon über­zeugt, dass eine sol­che Ver­teue­rung des Treib­stoffs – größ­te Ein­zel­aus­ga­be im Schiffs­be­trieb – für die Mehr­heit der Ree­de­rei­en eine „Her­aus­for­de­rung“ bedeu­tet; Mærsk hin­ge­gen hät­te auf­grund sei­ner Grö­ße und finan­zi­el­len Stär­ke wenig Pro­ble­me damit. Und das erweckt auf den zwei­ten Blick den Ein­druck, dass es Skou nicht unbe­dingt pri­mär um Kli­ma­schutz, son­dern viel­leicht auch um die Ver­tei­di­gung der Welt­markt­füh­rer­schaft gehen könn­te, die Mærsk seit Jahr­zehn­ten in der Container-Schifffahrt inne­hat. Denn die ist nicht mehr so unan­ge­foch­ten, wie es vor Jah­res­frist noch schien.

Kon­zen­tra­ti­ons­pro­zess beschleunigt

Das hat zu tun mit dem unge­bro­chen anhal­ten­den Wachs­tum sowohl der Flot­ten­be­stän­de als auch der Grö­ße der ein­zel­nen Schif­fe: Der­zeit führt Mærsk die „Top 5“ der Bran­che, die zusam­men knapp 65 Pro­zent der glo­ba­len Container-Transport-Kapazität stel­len, noch an. Aber die nach­fol­gen­den Kon­kur­ren­ten – die Schwei­zer MSC, die fran­zö­si­sche CMA CGM, die chi­ne­si­sche COSCO und die deut­sche Hapag-Lloyd – haben im Unter­schied zum Bran­chen­pri­mus aktu­ell der­art vie­le und auch gro­ße Neu­bau­ten in Auf­trag gege­ben, dass deren Indienst­stel­lung ab 2022 Mærsk von der Spit­zen­po­si­ti­on ver­trei­ben könn­te – es sei denn, die Dänen stär­ken sich bei­zei­ten durch zusätz­li­che Char­ter von Trans­port­ka­pa­zi­tät. Zwar ist nicht damit zu rech­nen, dass ein Schach­zug wie eine Treibstoffpreis-Verdoppelung einen die­ser vier Wett­be­wer­ber ernst­haft gefähr­den könn­te. Aber im wei­te­ren Bereich des „Verfolger“-Feldes der „Top 100“ sind wirt­schaft­li­che und somit exis­ten­zi­el­le Fol­gen nicht aus­zu­schlie­ßen. Dies wür­de den Pro­zess der Oli­go­po­li­sie­rung zuspit­zen, die Kon­zen­tra­ti­on auf weni­ger „Platz­hir­sche“ beschleunigen.

Søren Skou indes redet nicht über Macht­kampf, son­dern über eine CO2-Steu­er als „markt­ba­sier­te Maß­nah­me“, um die „Wett­be­werbs­be­din­gun­gen irgend­wie“ aus­zu­glei­chen. Er for­dert von der Inter­na­tio­nal Mari­ti­me Orga­niza­ti­on (IMO), der UN-Regulierungsbehörde für die Schiff­fahrt, eine Kohlendioxid-Steuer schon ab 2025. Sie sol­le bei rund 50 $ pro Ton­ne begin­nen und inner­halb weni­ger Jah­re auf min­des­tens 150 $ pro Ton­ne stei­gen. Man wol­le damit einer wach­sen­den Kun­den­nach­fra­ge gerecht wer­den, denn fast die Hälf­te von Mærsks 200 wich­tigs­ten Kun­den hät­ten sich kli­ma­re­le­van­te Zie­le gesetzt. So gese­hen, sei eine CO2-Steu­er „ein Kos­ten­pro­blem, aber ande­rer­seits auch eine Geschäftsmöglichkeit“.

Skous beson­de­rer Trick: Die Ein­nah­men aus der Steu­er sol­len nur zum Teil dafür ver­wen­det wer­den, sau­be­re Kraft­stof­fe zu sub­ven­tio­nie­ren; der ande­re Teil soll in eine bis­lang nicht näher defi­nier­te Unter­stüt­zung von Ent­wick­lungs­län­dern flie­ßen – was laut Bloom­berg deren Unter­stüt­zung bei der IMO-Beschlussfassung sichern hel­fen soll. Vor weni­gen Tagen begann in Lon­don – genau­er: natür­lich pandemie-gerecht nur vir­tu­ell – auf IMO-Ebene die 76. Sit­zung des für der­ar­ti­ge Fra­gen zustän­di­gen Mari­ne Envi­ron­ment Pro­tec­tion Com­mit­tee (MEPC). Nor­ma­ler­wei­se brau­chen IMO-Beschlüsse wegen erheb­li­cher Rati­fi­zie­rungs­fris­ten etli­che Jah­re bis zum Inkraft­tre­ten; Skous Vor­schlag „ab 2025“ ist da also ein durch­aus ehr­gei­zi­ges Ziel.

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WATERKANT-Redaktion