Per Wind übers Meer – das nächste Projekt

Was jahr­hun­der­te­lang Stan­dard in der See­schiff­fahrt war, bevor fos­si­le Treib­stof­fe immer grö­ße­re „Damp­fer“ von Hafen zu Hafen trie­ben, wird in Zei­ten des Kli­ma­wan­dels für Schiffs­in­ge­nieu­re immer häu­fi­ger wie­der inter­es­sant. Die jüngs­te Mel­dung dazu kommt vom schwe­di­schen Indus­trie­kon­zern Alfa Laval – was in Tei­len der mari­ti­men Bran­che für Über­ra­schung sorgte. 

Anfang die­ser Woche gab das schwe­di­sche Unter­neh­men bekannt, man wol­le in ein Ent­wick­lungs­pro­jekt für einen wind­ge­trie­be­nen Auto­trans­por­ter ein­stei­gen: Part­ner des geplan­ten Joint­Ven­ture ist Wal­le­ni­us Mari­ne, ein Spe­zia­list für mari­ti­me Tech­nik, der zur norwegisch-schwedischen Ree­de­rei Wal­le­ni­us Wil­helm­sen Logi­stics gehört, welt­weit Markt­füh­rer für Kraftfahrzeug- und RoRo-Transporte. Wäh­rend der Wallenius-Wilhelmsen-Konzern bereits seit Län­ge­rem Mög­lich­kei­ten wind­ge­trie­be­ner Schiff­fahrt erforscht, gilt aller­dings der Ein­stieg von Alfa Laval als überraschend.

Denn die­ses Unter­neh­men ist unter ande­rem füh­rend in der so genann­ten Scrubber-Technologie: Um Schiff­fahrt sau­be­rer und kli­ma­freund­li­cher zu machen, hat­te die UN-Schifffahrtsorganisation IMO nach lan­gem Zau­dern ab Anfang 2020 die Grenz­wer­te für Schwe­fel­emis­sio­nen so stark gesenkt, dass die bis dahin übli­chen Schiffs­an­trie­be mit dre­cki­gem „Schwer­öl“ nicht mehr zuläs­sig waren. Statt jedoch nun alle Ree­de­rei­en im Inter­es­se des Umwelt­schut­zes auf sau­be­re­re, wenn­gleich teu­re­re Kraft­stof­fe zu ver­pflich­ten, gestat­te­te die IMO die fort­ge­setz­te Ver­wen­dung von Schweröl-Antrieben unter der Bedin­gung, dass sie mit einem so genann­ten Abgas-Wäscher („Scrub­ber“) aus­ge­stat­tet wur­den. Haupt­an­bie­ter für der­ar­ti­ge Nach­rüs­tun­gen indes war und ist Alfa Laval – das Unter­neh­men wur­de so qua­si zum Motor für die Wei­ter­ver­wen­dung des dre­ckigs­ten Treib­stoffs der Welt.

Der Ein­stieg gera­de die­ses Kon­zerns in eine völ­lig ande­re und deut­lich öko­lo­gi­sche­re Antriebs­ent­wick­lung hat inso­fern Tei­le der mari­ti­men Bran­che über­rascht. Geplant ist laut aktu­el­ler Pres­se­mit­tei­lung des Kon­zerns die Grün­dung einer Pro­jekt­fir­ma, gemein­sam mit Wal­le­ni­us, unter dem Namen „Alfa­Wall Oce­an­bird“. Ers­tes Ver­suchs­pro­jekt soll ein 200 Meter lan­ger Auto­trans­por­ter sein (sie­he Pres­se­bild des Kon­zerns), der mit fünf je bis zu 80 Meter hoch aus­fahr­ba­ren Rotor­se­geln aus­ge­stat­tet wer­den soll. Die­se star­ren Flü­gel­se­gel aus Stahl und Ver­bund­werk­stof­fen erzeu­gen dann, so beschreibt es Alfa Laval, „eine Vor­wärts­be­we­gung anstel­le eines ver­ti­ka­len Auf­triebs“. Die Segel sei­en um 360 Grad dreh­bar und könn­ten so in Ver­bin­dung mit ihrer Tele­s­kop­kon­struk­ti­on dem Schiff das Pas­sie­ren von Brü­cken eben­so ermög­li­chen wie nau­ti­sche Anpas­sung an raue Wet­ter­be­din­gun­gen, auch War­tungs­ar­bei­ten wür­den erleich­tert. Der geplan­te Auto­trans­por­ter soll mit bis zu 7000 Fahr­zeu­gen an Bord eine durch­schnitt­li­che Geschwin­dig­keit von zehn Kno­ten (ca. 18,5 kmh) errei­chen und so etwa den Atlan­tik in zwölf Tagen über­que­ren kön­nen: Eine Sen­kung der Antrieb­se­mis­sio­nen durch die Bese­ge­lung um bis zu 90 Pro­zent ist das Ziel – ein beacht­li­cher Wert, denn ande­re Pro­jek­te wind­ge­trie­be­ner Schiff­fahrt schaff­ten bis­lang nur Ein­spa­run­gen von bis zu 30 Prozent.

© Alfa Laval Cor­po­ra­te AB

Es hat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren schon ver­schie­de­ne Ver­su­che gege­ben, Wind als unter­stüt­zen­de Antriebs­kraft – „aus­schließ­lich“ gilt als unwirt­schaft­lich – in die Schiff­fahrt zurück­zu­ho­len. Erst im Früh­jahr die­ses Jah­res hat­te Alfa Lavals Part­ner Wal­le­ni­us sein Pro­jekt „Orcel­le Wind“ vor­ge­stellt, ein dem „Oce­an­bird“ ähneln­der Ent­wurf eines RoRo-Transporters. Ein wei­te­res und ins­be­son­de­re in Nord­deutsch­land bekann­tes Bei­spiel ist die Fir­ma Sky­Sails, die mit erheb­li­cher staat­li­cher Sub­ven­tio­nie­rung Dra­chen­se­gel auf Han­dels­schif­fen instal­liert. Ihr ers­ter Anwen­der war 2007 der spä­ter zu mehr­jäh­ri­ger Haft ver­ur­teil­te Bre­mer Ex-Reeder Niels Stol­berg. Aber auch ande­re Ree­de­rei­en nut­zen ver­ein­zelt die­se Tech­nik; aller­dings steht der ver­gleichs­wei­se gerin­ge Nutz­ef­fekt – eben bis zu 30 Pro­zent – einem ech­ten Durch­bruch im Wege.

Ob Lenk­dra­chen, Rotor­tech­nik oder ande­re Kon­zep­te: Der inzwi­schen gegrün­de­te Ver­band „Inter­na­tio­nal Wind­ship Asso­cia­ti­on“ (IWA) erwar­tet ange­sichts stei­gen­der Koh­len­stoff­ab­ga­ben einen bal­di­gen Auf­schwung für die Pro­jek­te sei­ner Mit­glie­der. Alfa-Laval-Manager Peter Niel­sen jeden­falls hat für „Oce­an­bird“ eine Visi­on: „Nach­dem uns der Wind einst gehol­fen hat, unse­ren Pla­ne­ten zu erkun­den, kann uns Wind jetzt hel­fen, ihn zu retten.“

Eine ähn­li­che Ver­si­on die­ses Bei­trags ist am 1. Juli 2021
auch in der Tages­zei­tung „jun­ge Welt“ erschienen.

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WATERKANT-Redaktion