Hapag-Lloyd, Deutschlands größte Container-Reederei und auf Platz 5 der Weltrangliste, will sich künftig am Betrieb von Deutschlands einzigem Tiefwasserhafen, Wilhelmshavens JadeWeserPort (JWP), beteiligen – vorausgesetzt, die Kartellbehörde stimmt dem zu. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Die Nachricht kam nicht unerwartet, sorgte aber umgehend für viele Überraschungen.
Als der JWP seinerzeit geplant und gebaut wurde, galt er als „Jahrhundertprojekt“, hat sich aber bislang als Flop erwiesen. Das würden zwar Niedersachsen und Bremen – die beiden Bundesländer sind Eigentümer – ebenso wie Betreiber und Hafenwirtschaft in dieser Verkürzung heftig bestreiten. Tatsache ist jedoch, dass der JWP – eingeweiht nach zeitraubenden und teuren Pannen im September 2012 – seine Kapazität von 2,7 Millionen Standardcontainern (TEU) Jahresumschlag bis heute noch nie auch nur annähernd erreicht hat. Vielmehr erzwingt seine drastisch zu niedrige Auslastung – im vergangenen Jahr waren es gerade mal gut 423.000 TEU – ständige Zuschüsse in Millionenhöhe, zu zahlen aus den Steuermitteln der Eigner-Länder.
Kein Wunder, dass beide die Hapag-Lloyd-Ankündigung wortreich begrüßten: Für Bremen erklärte Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD), das bestätige die Strategie des Landes, sich am Tiefwasserhafen zu beteiligen; Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) als Mitglied des JWP-Aufsichtsrats sprach von einer „gewaltigen Chance für unseren JadeWeserPort“ und sein Kollege vom Wirtschaftsministerium, Bernd Althusmann (CDU), nannte die Nachricht ein „gutes Signal für den Hafen, die Region, für Niedersachsen und für Norddeutschland“.
Leider haben Schilling und Lies ein wesentliches Detail unerwähnt gelassen, in Althusmanns Pressemitteilung wird es nur am Ende einmal kurz angerissen: Hapag-Lloyds geplanter Einstieg bedeutet zugleich den Ausstieg eines wesentlichen Akteurs. Die Hamburger Reederei erwirbt einen 30-Prozent-Anteil der Betreibergesellschaft Container Terminal Wilhelmshaven (CTW) – und zwar per Übernahme vom bisherigen Anteilseigner APM Terminals, einem weltweit tätigen Hafenunternehmen des dänischen Mærsk-Konzerns. Auch den 50-Prozent-Anteil am Rail Terminal Wilhelmshaven (RTW) wird Hapag-Lloyd von der Mærsk-Tochter übernehmen.
Die Behauptung, der schlecht ausgelastete JWP werde gestärkt, ist folglich nicht ohne Weiteres haltbar – denn faktisch zieht sich die weltgrößte Reederei zurück und überlässt das Feld der Nummer 5 ihrer Konkurrenten. Zwar wird von Hapag-Lloyd betont, man wolle nach Fertigstellung der ersten, zu Jahresbeginn bestellten Mega-Containerschiffe einen Fernost-Europa-Liniendienst einrichten, der Wilhelmshaven als „First Port of Call“ ansteuert. Allerdings: Die Rede ist von 2023 ff., ob es bis dahin bei diesen Plänen bleibt und ob dieser Dienst dann dauerhaft Bestand hat, bleibt erst einmal abzuwarten – es wäre ja nicht das erste Mal, dass Ankündigungen bezüglich des JWP sich anschließend nur als Propaganda-Qualm entpuppen.
Der CTW-Hauptanteil von 70 Prozent sowie die andere Anteilshälfte des RTW verbleiben bei Eurogate, dem Gemeinschaftsunternehmen der halbstaatlichen Bremer BLG und des Hamburger Familienkonzerns Eckelmann. Vereinfacht bedeutet der Einstieg der ebenfalls teilstaatlichen Reederei Hapag-Lloyd, dass im JWP-Projekt nun Bremen, Hamburg und Niedersachsen gemeinsam engagiert sind – so, wie es zu Beginn der Tiefwasserhafen-Planung eigentlich angedacht war. Es gibt daher Stimmen, die dies als Vorstufe der aktuell diskutierten Kooperation der großen norddeutschen Containerhäfen sehen.
Aber bevor es soweit ist, bleiben viele Unwägbarkeiten: Was bedeutet es für den Hamburger Hafen, der seine Ziele schon seit Jahren deutlich verfehlt, wenn Hapag-Lloyd ihn weiter schwächt, indem mindestens ein Linienverkehr – die Rede ist von 500.000 TEU pro Jahr – von der Elbe abgezogen und an die Jade umgelenkt wird? Wie soll das andererseits den JWP stärken, wenn gleichzeitig Mærsk sein dortiges Engagement reduziert? Nur zwei Tage nach Hapag-Lloyds Entscheidung gaben die Dänen bekannt, aus einzelnen Fahrplänen Anläufe sowohl in Wilhelmshaven als auch in Hamburg streichen zu wollen. Die jeweiligen Ladungssegmente würden teils nach Rotterdam, teils nach Bremerhaven umdirigiert – in beiden Häfen verfügt Mærsk ebenfalls über eigene Terminals. Hapag-Lloyd-Chef Habben Jansen indes deutete Ende voriger Woche ein Nachdenken über weitere Terminal-Beteiligungen an.
Eine ähnliche Version dieses Textes ist gestern
auch in der Tageszeitung „junge Welt“ erschienen.