Gestern hat das Bremer Oberverwaltungsgericht die mehr als zehn Jahre alte Planung für einen Offshore-Terminal an der Wesermündung überraschend für unwirksam und zugleich eine Revision gegen diese Entscheidung für unzulässig erklärt: Ein toller Erfolg für den klagenden Umweltverband BUND – Glückwunsch! – und eine schallende Ohrfeige für Bremens SPD und Grüne, die das Vorhaben geplant hatten.
Es war, schreibt Bremerhavens „Nordsee-Zeitung“ heute, ein „Paukenschlag“: Das heftig umstrittene Projekt, das mehr als 180 Millionen Euro Steuergeld hätte kosten sollen, scheint damit in seiner bisherigen Form erledigt: Zwar ist es juristisch noch möglich, gegen die Unzulässigkeit einer Revision Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Bremens Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD) will diesen Weg aber erst prüfen, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. Sollte sie ihn beschreiten, könnten dieses Beschwerdeverfahren und – im unwahrscheinlichen Fall seines Erfolges – eine eventuell sich anschließende Revision mehrere Jahre dauern. Der BUND, der gegen das Vorhaben geklagt und schon in allen Vorentscheidungen obsiegt hatte, sprach von einem „Riesenerfolg für den Naturschutz an der Wesermündung“.
2010 wollte die damals von SPD und Grünen getragene Bremer Landesregierung im Süden der Stadt Bremerhaven eine rund 500 Meter lange Schwerlastkaje für den Umschlag riesiger Offshore-Windkraftanlagen bauen. Damals arbeiteten im umliegenden Industriegebiet rund 4000 Menschen in verschiedenen Unternehmen der Windkraft-Branche; die Planer des „Offshore-Terminal Bremerhaven“ (OTB) zeigten sich überzeugt, dass durch den neuen Hafen daraus auch 8000 werden könnten.
Von wegen „privat“!
Falsch: In den folgenden Jahren brach ein Betrieb nach dem anderen zusammen, ohne dass Planer und Politik angemessen reagiert hätten. Gegen massive Bedenken etlicher gesellschaftlicher Kräfte forcierten vor allem SPD-Wirtschaftssenator Martin Günthner und Bau- und Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) das Projekt – und zwar ausdrücklich als ein von privater Hand zu bauendes und zu betreibendes Vorhaben; lautstark skandierten sie und andere immer wieder „keine öffentlichen Gelder“. Es kam anders: Im Laufe mehrerer Jahre und Ausschreibungen fand sich kein einziger privater Investor. Das veranlasste die Politik zu einer makabren Kehrtwende: Der OTB wurde zu einer wichtigen öffentlichen Aufgabe umdeklariert. Dieses Gezerre verzögerte die Planung und als der Baubeschluss Ende 2015 endlich vorlag, war der Windkraft-Boom in Bremerhaven weitgehend vorbei.
Der BUND reichte seine Klage ein und begründete sie nicht nur naturschutzfachlich, sondern im genannten Kontext auch mit fehlendem Bedarf. Die neue Kaje sollte in das Brackwasserwatt der Wesermündung gerammt werden, in ein europäisches Schutzgebiet nach den FFH- und Vogelschutz-Richtlinien. Zudem hätten Bau und Betrieb des künftigen OTB das nebenan liegende Naturschutzgebiet Luneplate beeinträchtigt; das aber hatte Bremen selbst erst geschaffen, und zwar zur Kompensation früherer Eingriffe an anderen Stellen, etwa bei der Erweiterung des Bremerhavener Containerterminals im Norden der Stadt. Zug um Zug heimste der BUND juristische Erfolge ein, in mehreren Eil- und Hauptsache-Entscheidungen verhängte und bestätigte die bremische Verwaltungsjustiz einen Baustopp für das Vorhaben; seit Anfang 2019 ruhen die bereits begonnenen Vorbereitungsarbeiten.
Weitestgehend überholt
Zu keinem Zeitpunkt zeigten Politik und Planer Bereitschaft, ihren Entwurf den veränderten Bedingungen anzupassen. Als das Oberverwaltungsgericht sich gestern mit dem OTB zu befassen hatte, ging es um einen geplanten Hafen, für den es vor Ort kaum einen nutzenden Betrieb mehr gibt und dessen Aufgabe – Umschlag vormontierter riesiger Offshore-Teile – technisch weitestgehend überholt ist. Das hat es dem Gericht anscheinend leicht gemacht, die Planung für „funktionslos und damit unwirksam“ zu erklären. Bremens Häfensenatorin nennt das „nicht nachvollziehbar“, die Hafengesellschaft bremenports zeigt sich „fassungslos“ und übte sich sogar in öffentlicher Richterschelte.
Auf die detaillierte Urteilsbegründung darf man ebenso gespannt sein wie auf die Folgerungen, die die jetzige Bremer Regierung aus SPD, Grünen und Linken daraus ableitet. Denn deren Koalitionsvereinbarung behandelt das OTB-Projekt ja eher eiernd – und die Haushalts-Rücklagen für das Vorhaben sind längst anderweitig verbraucht.