Seehäfen vor unruhigen Zeiten?

Den deut­schen See­hä­fen, ins­be­son­de­re den größ­ten in Ham­burg und Bre­mer­ha­ven, ste­hen unsi­che­re Zei­ten bevor: Am ver­gan­ge­nen Sonn­abend demons­trier­ten in Ham­burg meh­re­re hun­dert Hafen­be­schäf­tig­te für siche­re­re Arbeits­plät­ze und -bedin­gun­gen. Aber die­se Akti­on beleuch­tet nur einen Teil­aspekt des Problems. 

Denn ins­ge­samt sorgt die tech­ni­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Ent­wick­lung in vie­len Berei­chen des Hafen­um­schlags für erheb­li­che Unru­he. Das schließt auch die Schlep­per ein, deren Besat­zun­gen rund um die Uhr dafür sor­gen, dass klei­ne und gro­ße „Pöt­te“ sicher die Kajen errei­chen und ver­las­sen kön­nen; oder die so genann­ten Fest­ma­cher, die fürs fach­ge­rech­te Ver­täu­en der Schif­fe ver­ant­wort­lich sind. Aber immer geht es bei genaue­rem Hin­schau­en um den Ein­fluss der gro­ßen Ree­der, die ihre wach­sen­de Stär­ke im Kon­kur­renz­kampf unter­ein­an­der und ihre Macht gegen Stand­or­te und Beschäf­tig­te ausspielen.

Wie berich­tet, ver­han­deln die teil­staat­li­chen Hafen­be­trei­ber HHLA und Euro­ga­te seit andert­halb Jah­ren über Koope­ra­ti­on oder gar Fusi­on, zugleich lau­fen in bei­den Kon­zer­nen trotz guter Umsät­ze und Gewin­ne umfang­rei­che Umbau- und Ratio­na­li­sie­rungs­pro­zes­se mit dem erklär­ten Ziel dras­ti­schen Per­so­nal­ab­baus. Sowohl Lan­des­re­gie­run­gen als auch Wirt­schafts­krei­se drän­gen die Betrei­ber, hier und da ist von grö­ße­ren Kon­zep­ten – bis hin zu einem Hafen­kon­zern „Deut­sche Bucht“ unter Ein­schluss wei­te­rer Häfen – die Rede. Die neue Ampel­ko­ali­ti­on kün­digt blu­mig eine „Natio­na­le Hafenstra­te­gie“ an und will so „die enge Zusam­men­ar­beit unse­rer Häfen för­dern“. Ob und wie die Fusi­on kommt, ist unge­wiss – von weit­rei­chen­der Auto­ma­ti­sie­rung zur Kos­ten­sen­kung hin­ge­gen wird betont, es gehe nicht ums „Ob“, son­dern ums „Wann“.

Gro­ße Schif­fe = wach­sen­der Arbeitsdruck

Die Hafen­ar­bei­ter erle­ben die­sen Pro­zess bis­her als wach­sen­den Arbeits­druck und ban­gen gleich­zei­tig um die Zukunft ihrer Jobs. Die jüngs­te Demons­tra­ti­on als Aus­druck ihrer Wut und Sor­gen hat­te eigent­lich 2020 statt­fin­den sol­len, fiel aus wegen der Pan­de­mie; die jet­zi­ge Betei­li­gung von nur rund 500 Beschäf­tig­ten aller nord­deut­schen Häfen dürf­te eben­falls Coro­na zuzu­schrei­ben sein.

Trotz Corona-Krise, unter­streicht die Gewerk­schaft ver.di, ver­zeich­ne­ten Hafen­be­trie­be und Ree­de­rei­en wach­sen­de Erträ­ge, „die Beschäf­tig­ten leis­ten erheb­li­che Mehr­ar­beit, um die Schif­fe rasch abzu­fer­ti­gen“, eigent­lich sei­en Neu­ein­stel­lun­gen nötig. Ein Grund dafür ist auch das anhal­tend mas­si­ve Wachs­tum der Schif­fe: Ob eine bestimm­te Ladungs­men­ge von einem gro­ßen oder von meh­re­ren mit­tel­gro­ßen Schif­fen zu löschen bezie­hungs­wei­se umge­kehrt auf ihnen zu stau­en ist, je nach Umstän­den zeit­lich (nach­ein­an­der) oder räum­lich (meh­re­re Ter­mi­nals) gestaf­felt – das hat Fol­gen für die Arbeits­dich­te, denn es geht eben wegen hoher Lie­ge­kos­ten und Pünkt­lich­keit der Lie­fer­ket­ten vor allem immer um eines: Geschwindigkeit.

Ham­burgs ver.di-Fachbereichsleiter Nata­le Fon­ta­na kri­ti­sier­te jüngst in einer Pres­se­mit­tei­lung, es sei nicht hin­nehm­bar, dass „die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen sich jetzt kaputt arbei­ten und dann in die Arbeits­lo­sig­keit geschickt wer­den“. Die Ree­der wür­den die Häfen unter Druck set­zen und mit Abwan­de­rung dro­hen, „die­sen Wett­lauf nach unten akzep­tie­ren wir nicht“. Aller­dings gibt es auch Kri­tik an der Gewerk­schaft: Die Umwelt­schüt­zer von „Ret­tet die Elbe“ wie­sen dar­auf hin, ver.di selbst habe sei­ner­zeit mas­siv für die Elb­ver­tie­fung gewor­ben, „wodurch die Mega­bo­xer und dar­aus fol­gend Ratio­na­li­sie­rung und Job­ab­bau erst mög­lich“ gewor­den seien.

Kri­tik an „Rosi­nen­pi­cke­rei“

Kein Hafen­um­schlag ohne Schlepper-Dienstleistungen: Jah­re­lang war in den meis­ten Häfen die­ses Geschäft unter meist loka­len Spe­zi­al­ree­de­rei­en auf­ge­teilt. Dann sorg­te Libe­ra­li­sie­rung vor allem in den gro­ßen Häfen für tur­bu­len­te Ent­wick­lun­gen und für einen Kon­zen­tra­ti­ons­pro­zess. Aktu­ell hat sich das spa­ni­sche Unter­neh­men Bolu­da durch etli­che Über­nah­men zum Markt­füh­rer auf­ge­schwun­gen, mit Abstand folgt der Ham­bur­ger Ver­bund Fairplay/Bugsier, der wegen sei­ner Nachwuchs-Ausbildung mehr­fach aus­ge­zeich­net wor­den ist.

Inzwi­schen aber lässt der däni­sche Mærsk-Konzern eige­ne Schif­fe zuneh­mend von der Schlepp­toch­ter Svit­zer auf den Haken neh­men, Kon­kur­rent MSC hat für die Eigen­ab­fer­ti­gung die Toch­ter Med­Tug gegrün­det. Im Spät­som­mer hat­te gar ein US-Entwickler auf Elbe und Ost­see einen „auto­no­men“ Schlep­per getes­tet. Es geht um Tari­fe, es geht um „immer bil­li­ger“ – das Vor­ge­hen der mäch­ti­gen Ree­de­rei­en könn­te die Spe­zia­lis­ten kaputt­ge­hen las­sen. Peter Geit­mann, Schiff­fahrts­se­kre­tär bei der Gewerk­schaft ver.di, sieht 500 Arbeits­plät­ze auf Schlep­pern unter deut­scher Flag­ge in Gefahr. Unter Beru­fung auf die gel­ten­de EU-Hafenverordnung for­dert er von der Poli­tik, in deut­schen Häfen nur Schlep­per unter ein­hei­mi­scher Flag­ge zuzulassen.

Ähn­li­ches erle­ben der­zeit die Fest­ma­cher: In Ham­burg hat das Unter­neh­men HLM (Ham­burg Lines Men) vor zwei­ein­halb Jah­ren mit der Arbeits­ge­mein­schaft Ham­bur­ger Schiffs­be­fes­ti­ger („Arge“) fusio­niert und ist seit­her – laut ver.di „nach einem jah­re­lan­gen uner­bitt­li­chen Preis­kampf“ – nicht nur loka­ler, son­dern gar natio­na­ler Markt­füh­rer gewor­den. In Bre­mer­ha­ven bestimmt bis­lang die Tra­di­ti­ons­fir­ma „fest­ma“ das Geschäft, nach eige­ner Dar­stel­lung „die bis­lang ers­te und ein­zi­ge rei­ne Arbeit­neh­mer­fir­ma in Deutsch­land“. Aber auch hier nimmt der Reeder-Druck zu, seit Mæersk-Tochter Svit­zer das Ver­täu­en eige­ner Schif­fe gleich mit über­nom­men hat. For­de­run­gen der „fest­ma“ an die Poli­tik, der­ar­ti­ge „Rosi­nen­pi­cke­rei“ zu unter­bin­den, sind laut „Nordsee-Zeitung“ vom zustän­di­gen Hafen­res­sort der von SPD, Grü­nen und Lin­ken getra­ge­nen Bre­mer Lan­des­re­gie­rung bis­lang nicht ein­mal beant­wor­tet worden.

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WATERKANT-Redaktion