Noch zehn Wochen oder auch mehr werden die rund 300 Beschäftigten der Bremerhavener Lloyd Werft wohl um ihre Zukunft bangen müssen: Wie die Nordsee-Zeitung heute berichtete, werden für das Schiffbauunternehmen an der Wesermündung jetzt international Käufer gesucht – und dieses von den Insolvenzverwaltern gestartete Bieterverfahren läuft noch bis zum 1. April.
Die 165 Jahre alte Werft, die schon etliche Krisen überwinden musste, gehört aktuell zum malayischen Mischkonzern Genting, der – in Hongkong registriert – im Zuge des pandemischen Einbruchs im Kreuzfahrtgeschäft Insolvenz anmelden musste. Die Zitterpartie kommt nicht überraschend, weil Genting dem Bremerhavener Schiffbauunternehmen eigentlich seit Übernahme 2015 übel mitgespielt hat:
Zunächst hatte der kürzlich im Zuge der Insolvenz geschasste Genting-Chef Colin Au großspurig verkündet, an der Weser sollten Luxusschiffe für das konzerneigene Kreuzfahrtgeschäft gebaut werden. Dann erwarb er zusätzlich die drei später unter der Marke MV Werften fusionierten Werftstandorte an der Ostsee und erklärte diese zum Kern seiner künftigen Kreuzfahrtpläne. „Der Lloyd“, wie das Traditionsunternehmen in Bremerhaven genannt wird, sollte zum bloßen Zentrum für Design und Entwicklung degradiert werden, aber nur verbal:
Tatsächlich rettete sich die Werft mit Fertigstellung einer Luxusyacht sowie wenigen Reparaturaufträgen über die Jahre, bevor Genting im Februar 2021 die Schließung androhte, dann aber monatelang Gespräche über einen rettenden Verkauf an die lokale Rönner-Gruppe verschleppte und blockierte. Kurz vor dem Jahreswechsel kamen zudem auch arabische Interessenten ins Spiel. Allerdings war in diesem Kontext nur von einem 50-Prozent-Einstieg die Rede und es blieb unklar, wer denn dabei künftiger Partner sein oder werden solle: Genting oder Externe.
Schäbiges Spiel?
Mit dem Zusammenbruch aller vier deutschen Genting-Werften – in Mecklenburg-Vorpommern pokert Genting nicht nur mit Beschäftigten und Zulieferern, sondern auch mit Landesregierung und Gerichten – hat nun das Gerangel um die Zukunft der Standorte und ihrer Beschäftigten begonnen. Soweit es die Lloyd Werft betrifft, mutet es an wie ein ziemlich schäbiges Spiel. Das frühzeitig von der Rönner-Gruppe bekundete Interesse an einer Lloyd-Übernahme war in der Region sogleich als zukunftsfähig begrüßt worden. Aber die Gespräche zogen sich hin, es hält sich bis heute das Gerücht – alle Beteiligten schweigen sich aus –, dass Genting zu hohe Forderungen gestellt habe, weit mehr als die 2015 gezahlten 34 Millionen Euro.
Nach Eröffnung des Insolvenz-Verfahrens wurde dann ein weiteres Hindernis bekannt: Der Schiffbaubetrieb ist rechtlich in der Lloyd Werft Bremerhaven GmbH organisiert, Grund und Boden des Werftgeländes samt Bauten und technischer Anlagen hingegen sind Eigentum der Lloyd Investitions- und Verwaltungsgesellschaft (LIV) als rechtlich eigenständigem Konstrukt. Die LIV indes gehört nach Angaben des Online-Portals North Data der Genting-Tochter MV Werften Holdings Ltd. in Wismar und blieb somit dem direkten Zugriff des für Bremerhaven bestellten Insolvenzverwalters Per Hendrik Heerma entzogen, dies behinderte zunächst dessen Käufer-Suche für die Bremerhavener Werft.
Befürchtungen sowohl des Betriebsrats als auch der IG Metall, Werftbetrieb und LIV-Vermögen (rund 17 Millionen Euro laut North Data) könnten „scheibchenweise“ veräußert, gar zu erpresserischen Manövern benutzt werden und damit den Fortbestand der Lloyd Werft unmöglich machen, blieben dann aber überraschend unbegründet – zumindest vorerst. Denn die Insolvenz auch der MV Werften machte es möglich, dass Heerma sich mit deren Insolvenzverwalter Christoph Morgen verständigen konnte. Nun haben beide gemeinsam das erwähnte Bieterverfahren gestartet und die Region wartet gespannt mit den Beschäftigten, ihren Familien sowie denen aller Zulieferer auf das Ergebnis.
Politik soll eingreifen
Genauer: Nachdem die Übernahme durch den Fernost-Mischkonzern Genting sich als – wie ein frustrierter Mitarbeiter es ausdrückte – „Griff in den Muspott“ erwiesen hat, herrscht allgemein Skepsis über das arabische Angebot oder über die Möglichkeit, dass Angebote noch aus anderen Teilen der Welt eingehen könnten. Die Option Rönner, so sie denn gelänge, fände hingegen an der Weser vermutlich breite Unterstützung. Die Stimmen, die von der Politik und hier insbesondere von der Bremer Landesregierung aus SPD, Linken und Grünen ein steuerndes Eingreifen verlangen, verstummen seit Monaten nicht.
Die erwähnte rechtliche Aufspaltung übrigens war keine „Erfindung“ von Genting: Werftexperte Jochen Tholen von der Uni Bremen betonte in einem Leserbrief an den Weser-Kurier, die Aufspaltung hätten 2012 die damaligen Eigentümer vollzogen – „gegen den erbitterten Widerstand der … IG Metall und des … Lloyd Betriebsrats“. Die Werft gehörte aber seinerzeit zu einem kleinen Teil auch dem Land Bremen. Was Tholen zu der Feststellung beziehungsweise Frage veranlasste: „Und nun vergießt der Bremer Senat – damals von SPD und Grünen gebildet – Tränen über diese Aufspaltung. Wo bleiben hier Ehrlichkeit und Verantwortungsethik?“