Lüders, Michael: Strahlendes Eis – Thriller; München 2024, Verlag C. H. Beck;
Paperback, 345 Seiten; ISBN 978-3-4068-1385-6; Preis 18,00 Euro
Es ist zwar ein bisschen schwierig, dieses Buch zu lesen – aber dafür um so einfacher, hier Begeisterung auszudrücken. Klingt vielleicht komisch, ist aber ernst gemeint: Dieses ist der (bislang) dritte Band einer Thriller-Sammlung, in der die Abenteuer zweier Agenten einer fiktiven norwegischen Geheimdiensteinheit namens E 39 geschildert werden. Und es erweist sich als manchmal anspruchsvoll, der Handlung in absolut allen Details zu folgen, wenn man die ersten beiden Teile nicht kennt. Gut, dass dieser aktuelle Teil so packend und fesselnd erzählt wird…
Michael Lüders ist Wissenschaftler, Publizist und Politik-Berater, der renommierte Nahost-Experte war lange Jahre Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Im Mai dieses Jahres kandidiert Lüders für die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zum kommenden Europa-Parlament.
Sein Thriller „Strahlendes Eis“ hat ein bisschen was von einem Science-Fiction-Roman – ein faktischer Ausgangspunkt, auf dem eine fiktive, aber weitestgehend logische Handlung aufbaut. „Am 21. Januar 1968 stürzt ein amerikanischer B-52-Bomber an der Nordwestküste Grönlands ab. An Bord vier Wasserstoffbomben, deren Verbleib nie restlos geklärt wurde“, heißt es im Klappentext des Buches – und genau das beschreibt die Grundlage eines in der Sache wie im Stil beachtlichen Polit-Thrillers, in dem Lüders mehrere historische, kulturelle, politische und ökonomische Handlungsstränge gekonnt in- und umeinander flicht:
Da geht es in der Jetztzeit zum einen um die Männer, die sich nach der so genannten Thule-Katastrophe um die Aufräum- und Entseuchungsarbeiten der kontaminierten Absturzstelle zu kümmern hatten, dabei massenhaft an Krebs erkrankten, teilweise elend verreckten – und um wenige Noch-Überlebende, die Rechenschaft einfordern. Hinzu kommen weitere, spätere Zwischenfälle mit und ohne nukleare Verseuchung (ob die alle fiktiv sind, bleibt offen), dafür mit viel Geheimiskrämerei der beteiligten Mächte – vor allem USA und Dänemark – samt Korruption in Politik und Verwaltung, ferner ebenso hilflose wie verbrecherische Versuche, Reste der Thule-Verseuchung buchstäblich zu deckeln.
Zum anderen geht es um den Klimawandel, der die arktische Region drastisch verändert, um Begleiterscheinungen und potentielle Folgen: Wiederum spielen hier Großmacht-Interessen eine Rolle – „die NATO ist entschlossen, … die Freiheit der Weltmeere weiterhin zu gewährleisten“ –, während parallel mächtige Konzerne und lobbyistisch abhängige Politiker nach den Rohstoffen sowohl der erwartet bald eisfreien Insel als auch des umliegenden Meeresbodens gieren. Und mitten in diesem Konglomerat von stofflichen wie humanitären Altlasten ebenso wie von künftigen Begehrlichkeiten streiten grönländische Indigene mit unterschiedlichen Methoden, teilweise auch im Clinch miteinander, für die Beachtung ihres Erbes, ihrer erlittenen Schäden und ihrer berechtigten Erwartungen.
Die Verhältnisse sind leider so
Ja, dies ist eine sehr grobe und fragmentarische Beschreibung – bewusst, denn es gilt, neugierig zu machen auf diesen Roman: Es ist einer, der unbedingt gelesen werden soll und muss. Auch wenn hier eingangs von „Science Fiction“ die Rede war: Kaum etwas an Lüders‘ Geschichte klingt so fiktiv, dass es nicht im gesellschaftlichen Alltag unserer Tage schon morgen brutale Wirklichkeit werden könnte: Fesselnde Geschehnisse in der (Noch-)Eiswüste; teuflische Pläne im Umgang mit hochgiftigen und/oder nuklearen Altlasten in der Polarregion, allesamt aber unter kapitalistischen Verhältnissen nicht undenkbar; politische Manöver samt Erpressungen und Verfolgungsjagden, deren Raffinesse und Bösartigkeit bedauerlicherweise glaubwürdig sind; und schließlich ein Ende, das eigentlich keines ist, weil sich an den Verhältnissen nicht wirklich etwas ändert: Das mag in toto literarisch unbefriedigend klingen, ist aber leider ganz wie im realen Leben.
So gesehen, ist dieser Thriller nicht nur eine spannende Lektüre, nicht nur lehrreich, weil man viel über Grönland, seine Menschen, ihre Geschichte(n) sowie ihre Lebens- und Denkweise erfährt. „Strahlendes Eis“ ist auch ein Weckruf, der geeignet ist, durch die Elemente Spannung und Unterhaltung Aufmerksamkeit und Wachsamkeit zu erzeugen für jederzeit drohende Entwicklungen. Um es, hier in etwas veränderter Form, mit den Worten des Romanhelden Harald Nansen auszudrücken: Nicht zu verstehen, was es zu bewahren gilt, ist ein Verbrechen an der Menschheit.
Peer Janssen